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Oberreinsberg.


Oberreinsberg in Urkunden auch Reinsperg und Renssberg geschrieben, gehört zum Kreisdirektionsbezirke Dresden und unter das Kreisamt Freiberg. Es liegt zwei starke Stunden nördlich von Freiberg und eine und eine halbe Stunde südlich von Nossen. Der Ort dehnt sich von Morgen nach Abend an einem Bache hin, das Dittmannsdorfer Wasser genannt, über den mehrere steinerne Brücken führen, und wird mit Einschluss der beiden vorhandenen Rittergüter östlich von Dittmannsdorf und der Waldung des Gutes Krumhennersdorf, südlich von dem Flüsschen Bober und der Freiberger Mulde, westlich wiederum von einem Bogen der Bober und dem Hirschfelder Holze und nördlich von den Fluren der Dörfer Neukirchen und Hirschfeld begrenzt. Die Umgegend ist ebenso anmuthig als fruchtbar und vorzüglich bemerkenswerth ist das reizende Thal, welches von den Wellen der Bober durchschnitten die lieblichsten Ansichten darbietet. Die nördlichen und südlichen Umgebungen des Ortes sind ziemlich bewaldet, und das Streit- und Grötzschenholz nach Teutschenbohra und Tanneberg hin von nicht unbedeutendem Umfange.

Wann Reinsberg erbaut wurde und wer dessen Gründer war, darüber mangeln alle historischen Nachrichten, doch ist es sehr wahrscheinlich, dass der Ort seine Entstehung einem deutschen Edeln, Namens Reinhard, zu danken hat, der hier ein Schloss baute, unter dessen Schutze sich Landbauer ansiedelten. Bis zum siebzehnten Jahrhundert war Reinsdorf ein Städtchen, und jetzt noch heisst eine Anzahl von Häusern und Gärten, welche kreisförmig die Kirche umschliessen, „das Städtchen“; doch scheint dieses vor Zeiten von grösserer Ausdehnung gewesen zu sein, da alte Kirchrechnungen von einer lateinischen Schule, einem Knabensängerchor mit Mänteln und einer Cantorei sprechen. Ein zweiter Beweis für Reinsbergs einstige Bedeutung ist ein im Pfarrarchive noch vorhandener Ablassbrief vom Jahre 1500, welchen Papst Alexander VI., der in der Stadt Reinsberg (in oppido Reinspergk) vorhandenen Kalandsbrüderschaft ausstellte. In demselben werden diejenigen von einer Anzahl Sünden absolvirt, welche um die Kirche der Parochie durch Gaben zu deren Erhaltung oder durch Geschenke von Büchern, heiligen Gefässen, Leuchtern und Schmuck sich Verdienste erwerben, und an den im Gotteshause stattfindenden Versammlungen der Kalandsbrüder pünktlich Theil nehmen würden. Dieser fromme Verein wird im genannten Briefe von einer Anzahl hoher geistlicher Würdenträger beglückwünscht, muss also von nicht geringem Ansehen gewesen sein, wofür auch der Umstand spricht, dass die Reinsberger Kalandsbrüder mit dem Kaland zu Freiberg und dem dasigen Nonnenkloster in vielfältigem Verkehr standen. Zu jener Zeit besass Reinsberg auch das Recht, jährlich zwei Märkte zu halten; aber wie eine Sage behauptet, verkaufte man dasselbe an die Gemeinde zu Burkerswalde, bis neuerdings durch die Feier des alljährlich zu Reinsberg stattfindenden Vogelschiessens sich wiederum eine Art von Jahrmarkt bildete, der immermehr an Umfang gewann und zuletzt die höchste Concession erhielt, so dass jetzt nach langer Unterbrechung auf dem grünen von Linden beschatteten Platze in der Nähe des Schlosses das einst verkaufte Marktrecht wieder ausgeübt wird.

Bis zum Jahre 1572 befand sich in Reinsberg nur ein Rittergut, dessen Theilung durch die Brüder Lorenz und Haubold von Schönberg bewerkstelligt wurde. Die beiden Güter führten nun als zwei besondere, schriftsässige, mit zwei Ritterpferden belegte Rittergüter die Namen Ober- und Niederreinsberg. Jedes derselben erhielt Gerichtsbarkeit über einen Theil des Dorfes; gemeinschaftlich aber übten sie dieselbe zu Dittmannsdorf, Grumbach, Hute, Wüsthetzdorf, Oberkunnersdorf, Drehfeld, Herzogswalde und Wolfsgrün aus. Ausserdem steht jedem der Rittergüter das Recht zu, eine Freistelle auf der Landesschule Meissen zu vergeben.

Das Schloss zu Reinsberg ist ein altes, vormals durch Gräben und starke Ringmauern geschütztes, auf einem schroffen Felsen des Boberufers aufgethürmtes Gebäude, welches früher ein gewaltiger Wartthurm überragte. Aber trotz ihres drohenden Ansehens ist die ehrwürdige Burg im Innern sehr wohnlich eingerichtet, und namentlich gewähren die Zimmer der Thalseite eine äusserst freundliche und angenehme Aussicht. Bis in die neuere Zeit bewohnten die Besitzer der beiden Rittergüter Ober- und Niederreinsberg das Schloss gemeinschaftlich, so dass der Antheil eines Jeden von dem andern getrennt und durch eine besondere Steinbrücke mit dem äusseren Grabenrande verbunden war; als jedoch im Jahre 1816 die in einiger Entfernung befindlichen Wirtschaftsgebäude durch einen Blitzstrahl entzündet und eingeäschert wurden, richtete man bei deren Neubau auch eine Wohnung für die beiden Schlossherren ein. Zu Oberreinsberg gehört ausser der Schäferei eine Brauerei, Dampfbrennerei und Ziegelscheune; zu Niederreinsberg ebenfalls eine Schäferei und ein Vorwerk in Drehfeld.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/053&oldid=- (Version vom 29.10.2017)