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Ruhebank, welche durch ihre Armlehnen als Wegweiser, links nach Dittersbach und rechts nach Eschdorf, dient. Auf der Rücklehne dieses Ruhesitzes stehen die Worte: „Wohl dem Wanderer, der sich auf die Heimath freut!“ Diesem Wegweiser gegenüber steht ein anderer, welcher die Richtung nach Radeberg angiebt, und auf der daran befindlichen Bank liest man: „Nach gethaner Arbeit ist gut ruhen!“

Eschdorf ist von hier eine halbe Stunde entfernt. Das Herrenhaus erbaute um das Jahr 1770 der Oberstlieutenant von Polenz, die Wirtschaftsgebäude aber der jetzige Besitzer. Unmittelbar bei dem Wohngebäude befindet sich ein Thiergarten, worin zahme Hirsche und Rehe gehalten werden. Nicht weit davon steht unter alten Eichen ein Zinkabguss von der Diana aus dem Hause Colonna, dessen Original das königliche Museum zu Berlin verwahrt. Pfarre und Kirche zu Eschdorf haben eine reizende Lage, und letztere ist durch ihre alterthümliche, in graue Vorzeit zurückgehende Bauart, Denkmale der Familie von Kiesewetter, von einem kunstreichen Steinmetz ausgehauen, und eine Orgel merkwürdig, weil deren Gehäuse der Bildhauer Schewe nach einer Zeichnung des Professor Semper mit grosser Kunstfertigkeit in Holz schnitzte. In halbstündiger Entfernung von Eschdorf liegt Dittersbach.

Dittersdorf mit Röhrsdorf (in alten Zeiten Rüdigsdorf genannt) bildet einen grossen Ort, der sich länger als eine Stunde hindehnt und in der Mitte nur durch die Wesnitz, über welche eine steinerne Brücke führt, getheilt wird. Die Pfarrwohnung hat eine freundliche Lage, und die einzige Merkwürdigkeit der Kirche ist eine Silbermannsche Orgel, welche neuerdings der als Musiker und Orgelspieler geschätzte Christoph Wolfgang Hilf für eines der vorzüglichsten Werke dieses Meisters erklärte.

Der Edelhof liegt in der Mitte von Dittersbach und Röhrsdorf. Das umfangreiche Schloss, welches viele Zimmer und Säle enthält, ist drei Stockwerke hoch und bildet im Grundriss die Form eines H. Auf der Hofseite stehen zwei mächtige Kastanienbäume, und zwischen den Flügeln des Schlosses, auf der Mittagseite, liegt eine mit Blumenbeeten und Orangeriebäumen geschmückte Terrasse, von welcher eine sechszehn Stufen hohe und ansehnlich breite Treppe an den Schlossteich führt, welcher sein helles Wasser aus dem kalten Bache empfängt. Von hier aus führt eine Brücke nach dem Park, der nach Osten von der Wesnitz begrenzt ist. Die Schullwitz, welche den Park durchschneidet und sich über grosse Steinblöcke brausend dahin stürzt, vereint sich hier mit der Wesnitz. Am Ende einer alten Lindenallee erblickt man die Diana von Versaille, eine colossale Statue, zu Lauchhammer in Eisen gegossen. Zur Linken dieser Allee zeigt sich die gewaltige Bildsäule der Berliner Juno von Gies in Zink gegossen, und in tiefem Gebüsch findet man die Medicäische Venus, welche sich in den Wellen der Schullwitz spiegelt. Auf einem freien Platze sehen wir den knieenden Niobiden. Am Rande einer Wiese unter hohen Bäumen ist die colossale Statue der Venus von Capua aufgestellt, und ihr gegenüber erhebt sich ein in jonischem Style erbauter Tempel. Eine offene Stelle der Büsche zeigt in kurzer Entfernung den Apollon.

Tritt man aus dem Parke auf ein von Wald umkränztes Feld, so erblickt man ein Schweizerhaus, in welchem alljährlich den Schulkindern, über drei hundert an der Zahl, ein Johannisfest und den Dienstleuten der drei Höfe ein Erndtefest gegeben wird; im Winter dient dieser grosse Saal den Schulkindern zum Turnplatz. Von hier in ein anmuthiges Thal hinabsteigend, bietet eine daselbst befindliche gothische Kapelle Ruhesitze dar, von denen das Auge über reizende Wiesenflächen hinschweift. Unmittelbar neben der Kapelle ist eine geologische Merkwürdigkeit zu beachten, indem hier die scharf abschneidende Scheidung des Sandsteingebirges vom Syenit stattfindet.

Der Weg zieht sich jetzt nach dem Hochwalde, wo unter einer Gruppe ehrwürdiger Eichen dem König Anton ein Denkmal errichtet ist. An dem Piedestal der Büste sind die Worte eingegraben: „Nicht um die Krone, dein Volk zu beglücken wurdest du König!“ Von hier aus geht der Weg bergaufwärts durch eine Höhle nach der Schönhöhe, einem Berge, der diesen Namen schon seit langen Jahren führt. Das hier stehende Gebäude ist nach den Rissen des Professor Thürmer in altflorentiner Style aufgeführt. Der Saal des Parterres wurde vom Professor Peschel in Fresco ausgemalt und die Bilder stellen Scenen aus Romanzen von Göthe dar. Von dem Thurme des castellartigen Baues geniesst der Beschauer eine allseitige Aussicht. Nach Osten hin erhebt sich der vier Meilen entfernte Falkenberg, südlich überschaut man die Landschaft in weitester Ausdehnung, begrenzt von der Lausche und den Böhmischen Gebirgen, unter denen über alle der Rosenberg sich erhebt. Die feinsten Orte am südlichen Horizont sind Altenberg und Frauenstein. Nach Westen ist die Aussicht durch den Porsberg und die Hochebene, auf welcher Schönfeld liegt, beschränkt; nur einige Thurmspitzen der Meissner Gegend ragen hervor. Das Berghaus bei Ohorn ist der fernste Punkt nach Norden. Wenn die Ausdehnung des Horizonts überrascht, so unterhält zugleich die Betrachtung des Mittelgrundes, wo die Felsen von Stolpen, Königstein und Lilienstein bedeutende Massen darbieten, und das Auge bei den Dörfern und Städten, worunter sich Pirna auszeichnet, mit Lust verweilt. In diese Mannigfaltigkeit von Gegenständen ist, wie ein Silberfaden, die Elbe eingewebt.

Steigt man auf der östlichen Seite des Berges in den tiefen Wesnitzgrund hinab, so begegnet man wiederum diesem starken Bache, der schäumend unter einem hohen Gewölbe von Linden und weitausgreifenden Fichten dahin rauscht. Der Pfad windet sich zwischen grossen Felsblöcken hindurch und führt nach einem zweiten Eingange zum Park, in dessen Nähe die vom Professor Rietschel modellirte Statue einer Nymphe bemerkenswerth ist.

In Dittersbach findet alljährlich am Sonntage nach Bartholomäi ein Jahrmarkt Statt, welcher einer der lebhaftesten in der Umgegend ist. In früherer Zeit, ehe die Maschinenspinnerei und das Verfälschen der Leinwand durch Baumwolle um sich griff, war das Garnbleichen ein Haupterwerbszweig der Häusler in Dittersbach und Röhrsdorf, welcher durch die trefflichen Eigenschaften des hiesigen Wassers sehr befördert wurde. Zu der bis jetzt noch bestehenden Gerichtsbarkeit gehören die Dörfer Rossendorf, Eschdorf, Rosinendörfchen, Dittersbach, Kleinelbersdorf, Röhrsdorf und Zeschnig mit einer Bevölkerung von etwa zweitausend Seelen. Der Flächenraum der herrschaftlichen Besitzungen beträgt im Ganzen 969 Acker und 152 □ Ruthen.

J. G. v. Quandt.      



Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/051&oldid=- (Version vom 29.10.2017)