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Scharfenberg.


Der Meissner Kreis, das eigentliche Stamm- und Mutterland des Sächsischen Regentenhauses, bildete in früher Zeit mit dem Leipziger, Erzgebirgischen, Voigtländischen und Neustädter Kreise, einem Theile des Burggrafthums Meissen, den bischöflichen Besitzungen und dem Fürstenthum Altenburg die eigentliche Markgrafschaft Meissen. Kaiser Heinrich der Vogelsteller hatte diese Länder den von ihm bezwungenen Sorben abgenommen und legte im Jahre 922 am linken Ufer der Elbe die feste Stadt Meissen an, deren Besatzung unter dem Befehle eines versuchten Kämpfers stand, welcher den Titel eines Grenz- oder Markgrafen führte, weil ihm die Pflicht oblag, Land und Leute nach Aussen hin zu schützen. Nachdem der Kaiser sächsische Colonisten in das Land geschickt hatte, nannte man nach der jüngst erbauten Hauptstadt desselben den neugebildeten Staat die Markgrafschaft Meissen.

Die Markgrafen wurden anfänglich von den Kaisern nach Gefallen ein- und abgesetzt, und der erste, welchen uns die Geschichte nennt, war Riddag, der 925 zu Merseburg starb. Ihm folgte Eckard I., ein Sohn des Thüringischen Markgrafen Günther, der 1002 von den Grafen von Nordheim auf der Burg zu Pölde überfallen und ermordet wurde. Nach ihm übernahm Gunzelin, des Ermordeten Bruder, das Markgrafthum, verlor dasselbe indessen schon im nächsten Jahre durch ein zu Merseburg abgehaltenes Fürstengericht, worauf der Kaiser den Sohn Eckards I. damit belehnte. Die Nachkommen Eckards erloschen mit Eckard II, der 1046 starb, worauf Wilhelm, ein Graf von Weimar, in Besitz der Markgrafschaft gelangte, der sie bis 1062, sowie sein Bruder Otto bis 1067 besass. Der Graf von Braunschweig, Ottos Nachfolger, bat den Kaiser um die Markgrafschaft für seinen Sohn Eckbert, musste es jedoch geschehen lassen, dass Dedo, Markgraf von Buzici, dieselbe bis an seinen Tod, der 1075 erfolgte, verwaltete, worauf Kaiser Heinrich IV. den Böhmen Wratislav damit belehnte. Während dieser Zeit war der junge Eckbert herangewachsen und vertrieb nun seinen Gegner Wratislav mit Waffengewalt, worauf er bis zu seinem Tode (1090 ) im ruhigen Besitze der Markgrafschaft verblieb.

Nun wurde Graf Thymo von Wettin von Heinrich IV. feierlich mit der Markgrafschaft belehnt, derselbe starb indessen noch in dem nämlichen Jahre; die Markgrafschaft Meissen aber blieb von jetzt an erblich bei dem Hause Wettin. Unter Heinrich dem Erlauchten fiel (1247) Thüringen und zu Anfange des funfzehnten Jahrhunderts auch der Churkreis mit der darauf haftenden Churwürde an die Markgrafen von Meissen, und 1635 wurden unter Johann Georg I. die beiden Lausitzen den sächsischen Landen einverleibt. Der Meissner Kreis war im funfzehnten Jahrhundert einer der damaligen vier Sächsischen Kreise, zu dem auch der jetzige Leipziger und Erzgebirgische Kreis gehörten, von welchen Ersterer 1552, Letzterer 1691 abgetrennt wurden.

Ausser den Markgrafen gab es zu Meissen auch noch Burggrafen, denen die zur Bezwingung der Sorben angelegten Burgwarten anvertraut waren, deren man im Meissnerlande dreissig zählte, und welcher urkundlich im Jahre 1196 zum letzten Male Erwähnung geschieht, weil wahrscheinlich zu dieser Zeit die Eintheilung des Landes in Burgwarteien aufhörte. Die Burggrafen entstanden erst bei der Vergrösserung des Landes und Vermehrung der festen Schlösser, wo sie in Abwesenheit der Markgrafen den Befehl führten und später auch die Gerichtspflege ausübten. Der erste bekannte Burggraf war im Jahre 984 Rigdag, und die erbliche Burggrafenwürde erhielten zuerst die Grafen von Hartenstein, nach deren 1426 erfolgtem Aussterben das Burggrafenthum sammt den damit verbundenen Besitzungen an die Markgrafen zurückfiel, obgleich Kaiser Siegmund seinen Hofrichter, den Voigt von Plauen, damit beliehen hatte.

Da die Kaiser sich eifrigst bemühten, alle slavischen Einrichtungen und Zustände mit deutschen zu vertauschen, so entstand auch die der fränkischen Staatsverfassung eigenthümliche Eintheilung des eroberten Landes in Grafschaften, während die Sorben ihre Distrikte „Gaue oder Zupanien nannten. Wie diese Veränderung durchgeführt wurde, lässt sich mit historischer Genauigkeit nicht bestimmen, weil die neu entstandenen Grafschaften nach den Namen der Grafen, nicht aber nach ihren Stammschlössern genannt wurden. Die Grafen wurden von den Kaisern als Befehlshaber und Hauptleute eingesetzt, und empfingen anstatt der Besoldung Lehngüter auf Lebenszeit, die indessen später sich in erbliche Besitzthümer verwandelten. Im Frieden verwalteten die Grafen in ihren Bezirken die Justiz, und im Kriege führten sie den Markgrafen ihre Vasallen zu. Unter den späteren schwachen Kaisern verloren die Grafschaften allmälig ihren Zweck, indem die Grafen sich erblich machten und den Namen der Schlösser auf denen sie hausten, anzunehmen begannen, beträchtliche Theile der Grafschaften gelangten jedoch auch an die Stifter und Klöster.




Auf einem bewaldeten Felsenvorsprunge des Elbufers, da, wo der Strom sich krümmt, um in weitem Bogen seine Gewässer der alten Bischofsstadt Meissen zuzuführen, thronen, umgehen von einem Kranze ehrwürdiger Linden, die altersgrauen Gebäude der Veste Scharfenberg. Seit einem Jahrtausend schon schauen die Thürme und Zinnen der Burg hinab in das reizende Thal, und obgleich mehr als dreissig Generationen zu Grabe gegangen seit seiner Erbauung, steht doch das alte Haus noch fest und sicher auf seinem Felsengrunde, und wird noch lange den zerstörenden Einwirkungen der Zeit Trotz

     Meissner Kreis, 2tes Heft, od. 8tes Heft der ganzen Folge.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen II. Section. Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser, Leipzig 1856, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_II.djvu/026&oldid=- (Version vom 29.10.2017)