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durch ihre Mitte. Aber die wahre Kirche ist auch nicht eine äußere Gemeinschaft, sondern die Gemeinschaft solcher, deren Leben mit Christo in Gott verborgen ist. Da ist es nun erhebend und zur Anbetung hinreißend, Geliebte, schauen zu dürfen, daß durch den langen Lauf der Kirche, auch durch ihre dunkelsten Zeiten eine Schar wahrhaft geheiligter, gottverlobter Seelen, treuer Zeugen, Arbeiter und Kämpfer, unermüdeter Beter, von dem Leben Christi erfüllter Menschen sich hindurch zieht, oft bedeckt von der Schmach der Welt, aber diese gleichwohl mit Strömen lebendigen Wassers segnend. Und zwar bilden diesen edelsten Schmuck der Kirche Leute aus allerlei Volk, aus allen Geschlechtern, Nationen, Ständen und Berufsarten, Männer und Frauen, Jünglinge und Jungfrauen, Starke und Gewaltige, die vor dem Stärkern sich gebeugt, Leute, mit Purpur und Krone geschmückt, und Arme, Geringe, Verlassene, Unglückliche, die alle einander im tiefsten Geistesbunde die Hände reichen, alle, wenn auch durch Ort und Zeit noch so von einander geschieden, getragen von einem Glauben, einer Liebe, einer Hoffnung. Wie in einer fest geschlossenen Kette wird hier der Strom höherer Kräfte fort geleitet, der vom Throne der göttlichen Gnade quillt, und zum Throne der göttlichen Herrlichkeit zurückführt. Wenn wir solches betrachten, kann uns das Herz wohl weit werden, und ein hohes Gemeinschaftsgefühl uns durchdringen; wie eine tausendstimmige Trostpredigt tönt es aus allen Jahrhunderten auch in eine umwölkte Gegenwart herein: Der Herr kennet die Seinen. Ueberblickt nur, Geliebte, die große Wolke von Zeugen, fangt an mit den hohen Aposteln und herrlichen Märtyrern, geht fort zu den hoch erleuchteten Lehrern der alten Kirche, denkt an unsere theuern Reformatoren und ihre edlen Vorläufer, an die Dichter der Lieder, durch welche so mancher müde Pilger der Erde Trost und Labsal sich zugesungen, an die Verfasser der gesalbten Erbauungsbücher unserer Kirche, die da sind wie unverwelkliche Blätter vom Baume des Lebens, und an so viele andere, deren Namen im Himmel angeschrieben sind und zugleich fortleben im Herzen der streitenden Kirche. Fürwahr, die Kirche hat eine stolze mächtige Ahnenreihe, einen wunderbar reichen, vielverzweigten Stammbaum, dessen Linien alle in dem einen Herrn und Haupt und seinem unerschöpflichen Lebensborn zusammenlaufen. Faßt sie dann