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eine niedrige Gesinnung, nur am Sichtbaren und Handgreiflichen zu haften, nur auf der Oberfläche stehen zu bleiben, nicht in die Tiefe, nicht in die Höhe zu schauen. Jeder edlere Geist ahnt eine höhere Ordnung der Dinge; der Christ aber preist nicht blos eine sittliche Weltordnung, sondern auch den ewigen Ordner und Lenker aller Dinge selbst. Was ist die Weltgeschichte ohne ihn? ein buntes Spiel des Zufalls; ein Riesenleib, dem das wache, helle Auge fehlt. Gott liebt es wohl, im Dunkeln zu wohnen und räthselhaft verschlungen sind oft seine Wege; bisweilen sieht aber auch der Blödeste die Spuren seiner Allmacht und Gnade; und das Licht seiner Herrlichkeit blitzt uns überwältigend in’s Antlitz. Ist’s nicht also mit den ungeheuren Ereignissen, deren wir heute gedenken? Sieht nicht jeder ein, daß die Fäden des gewaltigen Weltdramas in höherer Hand zusammenlaufen? Ist nicht das Geschehene ein erhabener Lobpreis im Tone unseres Textes: Die Rechte des Herrn ist erhöhet, die Rechte des Herrn behält den Sieg? Der Gang der Geschichte ist Schritt für Schritt eine Siegesfeier der göttlichen Macht und Heiligkeit gegenüber der Macht menschlicher Sünde und menschlichen Frevels, welche zuletzt einmündet in das große Siegesfest der Ewigkeit, in die ewige Feier der Ueberwindung aller gottwidrigen Mächte. Die Freiheit, die ganze, volle Freiheit des Menschen ist der Einschlag in dem wundersamen Gewebe der Weltgeschichte; sie kann mißbraucht werden bis zur Empörung wider Gottes heiliges Gesetz und zur Verdunkelung seines heiligen Waltens. Wie lange noch, wie lange noch? hat wohl mancher gefragt, da der nun gestürzte Fürst seiner arglistigen Pläne einen nach dem andern hinausführte und die Weltgeschicke allein von seiner Hand abzuhängen schienen. Doch wenn die Stunden sich gefunden, bricht, wie sonst die Hülfe für den Frommen, auch Gericht und Vergeltung für den Frevler herein.

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 Sein Thron war erbaut auf Lüge und Meineid. Den gebrochenen Eid hat ihm der Herr auf’s Haupt zurückgeschleudert. Das ganze Lügengebäude stürzte schnell, eilend, in wenigen Wochen unter einem gewaltigen Siegesansturm zusammen. Der mächtige Weltherrscher wurde zum armen Gefangenen; Gott hat ihn verworfen, und das Volk, das ihm so lange zugejauchzt, verwirft ihn zugleich. Die Rechte des Herrn ist erhöht, die Rechte des Herrn behält den Sieg. Des Herrschers Sünde ist aber des Volkes Sünde und umgekehrt. Beide sind wundersam in einander verflochten, wie so oft in der Geschichte dieses Volkes. Darum ereilt Gottes Gericht auch dieses noch besonders. Gute und schlimme Geister erwachen in dem Verzweiflungskampfe des unglücklichen Volkes. Sein Hochmuth, sein selbstvergötternder Wahn, seine Lüge muß aber gezüchtigt und seine