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 So stand die Landeskirche vor einem schweren Risse. Die wirkliche Suspension hätte die wirkliche Separation one Zweifel nach sich gezogen. Die Kunde von Maßnahmen gegen Löhe wirkte peinlich auch auf Geistliche, die ihm ferner standen; in Eingaben an das Kirchenregiment sprach man von dem unabsehbaren Unglück einer Separation. Es sollte aber auch jetzt nicht zu dieser kommen. Der edle König Max II. hatte one Zweifel einen tieferen Einblick in die Lage der Dinge; dem Hof überhaupt war die kirchliche Bewegung nicht fremd geblieben; König Ludwig I. soll die Schrift Löhes: „Unsere kirchliche Lage“, selbst gelesen haben. Der regierende König war mit Harleß, dem er bereits als Kronprinz näher getreten war, auch nach dessen Wegzug von Bayern immer in Verbindung geblieben und hatte das lebhafte Interesse, das Unrecht, das unter Abel an ihm begangen worden war, zu sünen. Man wusste, dass auch in weiteren Kreisen kein sonderliches Vertrauen zu der damaligen Leitung des Oberkonsistoriums vorhanden sei. So wurde am 29. September 1852 Harleß an die Spitze des letzteren berufen und die Löhesche Frage erledigte sich dadurch von selbst, obwol erst unter dem 7. Juli 1853 beschieden wurde, dass der Suspensionsantrag bis auf Weiteres zu beruhen habe. Durch Harleß wurde vor Allem eine reinliche und friedliche Sonderung der lutherischen und reformirten Kirche zu Stande gebracht; ein selbständiger lutherischer Kirchenkörper wurde geschaffen, neben welchem auch die reformirte Kirche erst zu ihrer vollen Selbständigkeit gelangte. Andere heilsame Reformen wurden sofort in Angriff genommen und allmählich durchgefürt. All dies und das unbedingte Vertrauen, das Harleß’ Persönlichkeit genoss, wirkten zusammen, den Löheschen Kreis zu beruhigen. Es war ein großes Glück für die Landeskirche, dass ihr der schwere Riss erspart und eine Kraft wie die Löhes erhalten blieb, aber auch ein unverkennbarer Segen für Löhe, dass er nicht in die Enge der Separation gedrängt wurde. Es war eine merkwürdige Fügung! Löhe hatte sich mit dem Gedanken kirchlicher Neubildung im Gegensatz zum Landeskirchentum getragen, nun aber zur Neuorganisation und Kräftigung der Landeskirche beigetragen. Er hatte sich unter anderem sehr stark gegen einen katholischen Summepiskopus,

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Adolf von Stählin: Löhe, Thomasius, Harleß. J. C. Hinrichs’sche Buchhandlung, Leipzig 1887, Seite 16. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_L%C3%B6he,_Thomasius,_Harle%C3%9F.pdf/30&oldid=- (Version vom 31.7.2018)