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und unveräußerlichen am protestantischen, namentlich am lutherisch-protestantischen Bewußtsein, dessen Einseitigkeit durch lebendige Aneignung der Theologie der Väter zu überwinden. Er erkannte bald, daß den Irrlehren der Gegenwart, ihrem Pantheismus, ihrem Spiritualismus und ihrer Verkennung der Bedeutung der Leiblichkeit gegenüber, die christliche Kirche einer entschiedenen Wiederaufnahme des Wahren im Gedankengehalte der patristischen Theologie bedarf etc.“ Der Gegensatz mag auch hier zu stark gefaßt sein, um so mehr freuen wir uns der zugleich anerkannten Einheit. Nicht Alles, aber das Meiste paßt auch auf Justin. Es ist ein durchaus einseitiger protestantischer Standpunkt, von dem die v. Engelhardt’sche Darstellung Justin’s ausgeht.

 Groß ist in Justin der Zug zu dem Objektiven, zu dem Fundamentellen im Christenthum, groß ist es, wie er in der Zukunft wurzelt, groß aber auch, wie er aus der Enge einer mit Blut getauften Märtyrerkirche in die Weite blickt, wie er in der verfolgten Gemeinde den Mittelpunkt der Welt II, 7 und in der von ihr vertretenen Wahrheit die Sonne schaut, deren Strahlen rückwärts und vorwärts leuchten; groß, wie er sich mit denen zusammenschließt, die allen weltlichen Dingen bis zum Tode entsagt haben (Dial. 119) und zugleich weiß, daß den verachteten Christen die Zukunft und ein ewiges Reich gehört. Je länger man mit Justin’s Schriften sich beschäftigt, desto verehrungs- und liebenswürdiger erscheint er, desto mehr wird man trotz der oft recht unscheinbaren Gestalt seiner Rede von der eigenthümlichen Seelengröße und dem Geistesadel des Mannes erfaßt. So denkt und spricht kein Mann, der das Christenthum rationalistisch verflacht und es als Einkleidung fremdartiger, ihm entgegengesetzter Anschauungen benutzt, so spricht nur ein Zeuge Christi im urchristlichen Sinne des Wortes, bei dem Wort, Leben und That aus einem Gusse sind.

 Was in Justin lebte und was er im Worte bezeugte, hat er mit dem Tode besiegelt. Sein Martyrologium ist nach allgemeiner Annahme ächt. Darnach hat er noch in seinen letzten Worten sein ganzes Christenthum und seine ganze Theologie zusammengefaßt. Er bekennt den Einen Gott, den Schöpfer aller Dinge und den Sohn Gottes, den Lehrer der Wahrheit und den Herold der Seligkeit; von seiner ewigen Gottheit genügend zu reden, vermag er in seiner Schwachheit nicht. Er wünscht nichts mehr, als für ihn zu

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/70&oldid=- (Version vom 1.10.2017)