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aber im Christenthum Alles was er suchte gefunden hatte, soll er doch als Christ jener Richtung huldigen, die tiefer steht als Platon’s jedenfalls von einem idealen Geiste getragene, einem religiösen Zuge angehauchte Philosophie. Freilich behauptet v. E., die Religion finde im Platon’schen System keine Stelle. Aus concessis argumentirt er hier aber nicht (vgl. dagegen z. B. die immer noch sehr lesbare Schrift von Ackermann: Das Christliche in Plato; Luthardt: Vorträge über die Moral des Christenthums S. 14 ff.: „Bei Plato hat die Moral noch einen religiösen Charakter“). Wer das religiöse Element in Plato’s Philosophie leugnet, muß auch das theistische leugnen, muß ihn, wie Teichmüller (Die platonische Frage) und Aubé thun, und wozu auch v. E. geneigt zu sein scheint, zum konsequenten Pantheisten machen. Es ist aber sehr Vieles, was dieser Anschauung entgegen steht, und sind sehr Viele, die dem widersprechen, Theologen, Philosophen und Philologen (vgl. Neander, Wissenschaftl. Abhandlungen S. 175: „Im Ganzen werden wir durch Platon’s Aussprüche veranlaßt, das höchste Wesen als persönlichen Geist zu denken“; ganz richtig Ackermann, Das Christl. in Pl. S. 330: „Nicht eigentlich systematisch durchgeführten Pantheismus, sondern mehr nur pantheistische Richtungen und Ideen enthält die Platon’sche Philosophie, und zwar von der besten und edelsten Art“).

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 Wahrlich die ganze reiche Welt sittlich-religiöser Ideen, welche vor allem das Volk der Hellenen in tiefer Versenkung in den natürlichen Wahrheitsgrund der Menschheit und unter besonderer geschichtlicher Führung zu Tage gefördert (vgl. Kähler, Das Gewissen I, z. B. S. 200: „Dem sittlichen Ernst der Griechen verdanken wir die Entdeckung des Gewissens“), geht nicht in demjenigen auf, womit v. E. das Justin’sche Christenthum charakterisirt. An die sittlichen Erkenntnisse, welche in der griechischen Philosophie sich finden und welche in gewissem Betracht selbst eine Ergänzung des vor Allem in religiösen Gedanken, in den Gedanken der Heilsoffenbarung und der Heilsführung sich bewegenden alten Testaments bilden, konnte nicht blos, sondern mußte die Apologetik des Christenthums anknüpfen (vgl. Neander a. a. O. S. 142: „So hat das Christenthum aus den ethischen Elementen des klassischen Alterthums Vieles in sich aufgenommen und verklärt, was es aus dem Judenthum nicht hätte entnehmen können“). Es handelt sich aber hier nicht blos um die κοιναὶ ἕννοιαι, welche die nothwendige Voraussetzung in Geltendmachung

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/60&oldid=- (Version vom 1.10.2017)