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andere Theologen gesagt, wird von v. E. gerade hier alles verneint, was bei Justin irgend an die kirchliche Lehre anklingen soll (S. 299. 301). Darin hat Hilgenfeld in seiner Recension in der Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie Recht, daß sich v. E. fast Mühe gegeben hat, Justin so viel als möglich heterodox erscheinen zu lassen. Und doch haben zwei so unbefangene Forscher wie Neander (K.-G. 2. Aufl. II, S. 1108) und Dorner (a. a. O. I, S. 418 f.), wie wir glauben, ganz mit Recht, die wesentlich kirchliche Anschauung in jener Stelle gefunden. Wenn nun aber v. E. offen behauptet, J. verrathe hier seine Unfähigkeit, in den Sinn der christlichen Sprache einzudringen, die er „mit so großer Plerophorie und Geläufigkeit handhabt“ (S. 301), so erhält man hierdurch eine geradezu unwürdige Vorstellung von Justin; ein Theologe ist er dann nicht mehr, ein Apologet und ein Christ von sehr zweifelhaftem Werth. In seiner klaren und nüchternen, der Sache selbst aber gerecht werdenden Weise spricht sich wieder Otto über diese Materie aus: „Justin erblickt in Christo den größten Wohlthäter der Menschen, welcher diese von Satans und der Dämonen Herrschaft erlöst, der Sünde ein Ende gemacht, den Tod durch sein Sterben und Auferstehen überwunden und die Gläubigen zur Verachtung des Letzteren geführt habe“ (Ersch u. Gr. XXX, S. 73). Hiernach ist Christus nicht blos Lehrer, sondern Erlöser, wofür ihn die Kirche je und je gehalten.

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 S. 292 lesen wir, daß auch das Dogma von der Geburt aus der Jungfrau von Justin nur festgehalten wurde, weil es einen integrirenden Bestandtheil des Gemeindeglaubens bildete; er macht keinen Versuch, diese Lehre zu der Präexistenz oder zu seiner Sündlosigkeit in Beziehung zu setzen. Aber abgesehen von der schon angeführten Stelle S. 98 lesen wir S. 186, die einzelnen Momente im Leben des Erlösers seien als nothwendig dargethan, die Geburt aus der Jungfrau folge aus der Präexistenz. So ist es wirklich; Justin konnte von seinen eigenen Prämissen gar nichts anderes als die Geburt von der Jungfrau lehren. Die Vorzeitlichkeit und die Sündlosigkeit Christi fordern gleichermaßen die letztere. Beide bringt er nun auch Dial. 23 mit dieser in unmittelbare Verbindung. Wir lesen dort: nach dem Willen des Vaters ist der Sohn Gottes Jesus Christus ohne Sünde (δίχα ἁμαρτίας) von der Jungfrau geboren worden. Man sollte glauben, hier ist Alles klar nach Justin’s eigenen sonstigen Aeußerungen. Wenn alle Menschen einer Wiedergeburt

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 46. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/50&oldid=- (Version vom 1.10.2017)