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Grund und Boden entstehen und gedeihen sollte (Kahnis, Der Kirchenglaube S. 96).

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 Wir wollen kurz sein über die Justin’sche Christologie. Wir stimmen viel mehr Duncker und Dorner, welche beide unberücksichtigt gelassen sind, als v. E. zu. Der christliche Charakter der Theologie Justin’s zeigt sich schon darin, daß die Christologie bei weitem den breitesten Raum in seinen Schriften einnimmt. Das Christenthum ist Christus selbst; der erste Theologe der christlichen Kirche stellt Christum mit allem Nachdruck in den Vordergrund: „Uebrigens geht er in seiner Darstellung der christlichen Lehre immer auf Jesus Christus als den Anfänger und Vollender selbst zurück (Otto, Sitzungsberichte etc. S. 177).“ v. E. setzt richtig voraus, daß Justin von dem gemeindlichen Glauben an die Gottessohnschaft Jesu ausgehe und die Logosidee erst hiermit verbinde. Allein ebenso gewiß ist, daß nach v. E. die gesammte Christologie Justin’s von seinem heidnischen Gottesbegriff und der philonisch gefaßten Logosidee aus zu etwas anderem wird, als der Glaube der Schrift und Kirche meint. Manches, was v. E. gegen Justin’s Anschauung anführt, trifft allerdings die Schrift selbst, so die Aeußerung: die Welt hat keine direkten Beziehungen zu Gott; nur durch den „andern Gott“ weiß sie um das Dasein, den Willen und die Rathschlüsse des Vatergottes (S. 285); wesentlich dasselbe ist Joh. 1, 18 zu lesen. Wenn wir S. 471 als Bemängelung lesen: der Logos ist nicht der wahre Gott selbst, so trifft dies auch Joh. 17, 3. Manches ist gegen den Subordinatianismus Justin’s gerichtet; denn Justin war dem Sinne nach Subordinatianer (Otto, Ersch u. Gr. XXX, S. 68). Der Subordinatianismus kann aber durchaus nicht, am wenigsten bei dem ersten Theologen, als ein Aufgeben der biblisch-kirchlichen Christologie betrachtet werden (vergl. über die subordinatianische Frage auch Delitzsch, Saat auf Hoffnung XV, 2). Dagegen erschiene allerdings Justin auch hier unter dem Banne einer heidnisch-philonischen Anschauung liegend, wenn v. E. Recht hätte mit den Aeußerungen: sein Gottesbegriff machte die Annahme eines göttlichen Wesens neben dem höchsten Gotte nothwendig (S. 285), der Logos ist nur ein gewordener Gott (S. 471); der Logos ist nicht Gott (S. 138). Er sagt S. 372 auch ausdrücklich, daß, wie Justin keine christliche Lehre in ihrem eigentlichen und ursprünglichen Sinne verstehen konnte, so auch seine Lehre vom Logos den modificirenden

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/43&oldid=- (Version vom 1.10.2017)