Seite:Adolf von Stählin - Justin der Märtyrer.pdf/37

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

erscheinen uns aber mehr als gewagt. Die Auslegung von II, 10 u. II, 13 ist gewiß nicht die richtige; bei der ersteren Stelle folgt er einer Konstruktion, die sehr fraglich ist; Otto z. B. konstruirt anders. Je und je hat man den glücklichen Griff anerkannt, den Justin mit Herübernahme und Umprägung der zunächst stoischen Idee des λόγος σπερματικὸς (vergl. Heinze, Die Lehre vom Logos S. 107 f.) gethan. Gerade hierin gewahren wir einen großartigen Zug Justin’s zur Erfassung der Universalität des Christenthums: es zeigt sich darin, wie Baur es treffend ausdrückt, das beginnende Weltbewußtsein der Kirche. Am treffendsten hat über die Bedeutung jener Idee wohl Möhler geurtheilt (Patrologie S. 220) und erst jüngst hat Dorner in seiner christlichen Glaubenslehre Justin um derselben willen als testis veritatis für den Gedanken einer positiven Vorbereitung des Christenthums innerhalb des Heidenthums anerkannt (S. 672). Aber gerade hierdurch sieht v. E. die Verwirrung eingeleitet (S. 166). Ritter bespricht diese Dinge in der Geschichte der Philosophie, er findet eine solche aber nicht. Für die allseitige objektive Richtigkeit der Idee vom λ. σπ. wird ja niemand eintreten; störend ist unter anderem der in ihr gegebene Schein eines nur quantitativen Verhältnisses zwischen Christenthum und den Höhepunkten des Heidenthums. Aber diesen Schein beseitigt Justin selbst in den vortrefflichen Auseinandersetzungen über das Verhältniß von Philosophie und Christenthum im Eingang des Dialog, die zu dem Schönsten und Siegesgewissesten gehören, was das christliche Alterthum der Philosophie entgegengestellt hat. Hier ist der philosophische Intellektualismus prinzipiell überwunden: keine Spekulation, auch die platonische nicht, bringt es zu wirklicher Gotteserkenntniß und Gottesgemeinschaft; nur durch Offenbarung, Erleuchtung, Glaube kann dieses Ziel erreicht werden. Aber auch mit diesen Ausführungen ist v. E. nicht zufrieden; obwohl er als Justin’s Ansicht anführt: „Unbedingt verwerflich ist die heidnische Lehre, daß der Mensch durch Philosophie, durch Wissen mit Gott vereint, fromm und gerecht werden könne (S. 232)“, so mißt er ihm doch die hier verworfene Meinung als Grundanschauung bei. Er findet, daß der Glaube ihm doch nur ein Wissen anderer und höherer Art sei (S. 233); recht verstanden ist er ja aber dies wirklich (Joh. 17, 3); er tadelt es, daß der Glaube sich nicht auf den göttlichen Rathschluß beziehe; aber Dial. 7 ist ja zu lesen, daß die

Empfohlene Zitierweise:
Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/37&oldid=- (Version vom 1.10.2017)