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„Obschon Justin Vernunft und Wille des Menschen hervorhebt, ist er doch im Geiste der Kirche von der Nothwendigkeit der Wiedergeburt und der göttlichen Gnade zur Heiligung überzeugt“, gut auch Böhringer, Die K. Christi u. ihre Zeugen, 2. Aufl. I, S. 257 f., besonders Luthardt, Just. d. M. u. das Joh. Ev. in Prot. u. K. 1856, II, S. 95).

 Justin ist schlechterdings kein Rationalist, wozu ihn v. E. fort und fort macht, Christus ist ihm, wie v. E. behauptet, durchaus nicht bloser Lehrer, er ist ihm wie der Schrift und der Kirche Prinzip und Ausgangspunkt eines neuen Geschlechts (ἀρχὴ ἄλλου γένους), welches wiedergeboren ist von ihm durch Wasser und Glaube und Holz (Dial. 138). Diese Stelle ist von um so größerer Bedeutung, als Justin voraussendet, er sei solches, weil er der Erstgeborene vor aller Kreatur ist. Die innerste Anschauung Justin’s, die Einheit seines dogmatischen und ethischen Standpunktes tritt hier zu Tage. v. E. behauptet mehr als einmal, daß Justin an die Gottheit Christi geglaubt habe, ohne in seiner religiös-sittlichen Anschauung vollen Grund dazu gehabt zu haben. Es paßt dies aber durchaus nicht auf den wirklichen Justin. Nur der Logos konnte Lehrer der absoluten Wahrheit sein; nur in ihm, dessen Wort Gottes Wort im absoluten Sinn ist (I, 63), konnte Gott geschaut und erkannt werden (vergl. Duncker a. a. O. S. 1145: Der Logos ist es, in welchem der absolut erhabene, namenlose etc. Gott uns nahe tritt und von uns erkannt und geschaut werden kann); nur derjenige, der vor aller Welt war und durch den die Welt geworden ist, konnte aber auch eine Welterlösung und Weltverneuerung zu Stande bringen, konnte innerhalb dieser von der Gewalt der Sünde und den Kräften der Finsterniß geknechteten Welt der Schöpfer eines neuen Geschlechts werden. Die Herrlichkeit einer neuen Schöpfung, die Justin wahrnimmt und die er an sich erfährt, verkündet ihm und fordert ihm die göttliche Herrlichkeit ihres Urhebers.

 Man klagt darüber, daß bei Justin so gar wenig von der mystischen Tiefe des Ev. Joh. und der Paulinischen Briefe sich finde (Landerer a. a. O. S. 524), nicht ganz mit Unrecht; er ist nicht unberührt von der so früh beginnenden Veräußerlichung und Vergesetzlichung evangelischer Begriffe. Aber manche seiner Kritiker wollen auch die Mystik aus seinen Schriften mit Aufbieten allen Scharfsinns eliminiren, die sich wirklich in ihm findet. Es geht aber doch

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/26&oldid=- (Version vom 1.10.2017)