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nach der mehr objektiven Seite Anbetung der göttlichen Trias, nach der mehr subjektiven Seite Hoffnungslehre, und dies zwar im spezifisch, im ächt christlichen Sinne, wonach Christus der Inhalt der Hoffnung ist (cf. Kol. 1, 27). Die Richtung Justin’s ist durchaus eine eschatologische; das eschatologische und christologische Element greift aber lebendig in einander. Die Hoffnung auf „den Lohn“ ist Hoffnung auf Christum selbst. Es muß deshalb gesagt werden, im Gegensatz zu der v. E.’schen Darstellung, daß Justin schon in den Apologien, sogleich wo er auf das Christenthum selbst zu sprechen kommt, das Spezifische desselben sehr bestimmt hervorhebt. Schon I, 8 ist wesentlich Bekenntniß christlicher Hoffnung; Dial. 35 wird das Christenthum wörtlich als Hoffnungslehre bezeichnet. Die ächt apostolisch lautenden Stellen kehren immer wieder, daß die Christen mit Freuden auch das Aeußerste dulden in der gewissen Hoffnung ewigen Lebens und ewiger Herrlichkeit (I, 11; I, 39; Dial. 48, 96). Die Christen sind die auf Christum hoffenden (I, 48; Dial. 16; I, 32); der Vorwurf des Juden Trypho ist, daß die Christen auf einen gekreuzigten Menschen ihre Hoffnung setzen (Dial. 10). Christus selbst ist die Hoffnung der Christen (Dial. 11, cf. Dial. 52). Es geht etwas zu weit, zielt aber auf das Richtige, wenn Weizsäcker sagt: „Der Glaube an Christus selbst ist nichts anderes, als die Hoffnung auf die messianischen Güter (a. a. O. S. 110).“ Es ist nun eine sich uns mit aller Entschiedenheit aufdrängende Wahrnehmung, daß Justin in den Apologien, zumal im Anfang der I. Apologie sich alle Mühe gibt, die Gegenstände christlichen Glaubens möglichst in der Sprache und Vorstellung seiner heidnischen Umgebung darzustellen, wodurch die Darstellung formell etwas eigenthümlich Gewundenes, Schwerfälliges, materiell einen starken ergistischen Zug erhält, welch letzterer gewiß im Ausdruck noch stärker lautet, als er der Sache nach gemeint ist, obwohl wir den gesetzlichen Zug im Christenthum Justin’s sonst nicht im Mindesten in Abrede stellen. Diese Wahrnehmung finden wir von Harnack bestätigt: es läßt sich nicht verkennen, daß Justin in der Apologie, wie besonders die ersten 12 Kap. zeigen, in Form und Ausdrucksweise so entgegenkommend als möglich ist (a. a. O. S. 635 f.). Die Hoffnung hat das Moment der Vergeltung in sich und es hat gar nichts Verwunderliches, wenn Justin als Folie für die christliche Hoffnungslehre eine Vergeltungslehre aufstellt und letztere auch im

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/16&oldid=- (Version vom 1.10.2017)