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nicht. Den Irrthum hat Gott nicht gewollt. Aber Gott kann ihn, Gott konnte auch die so früh auftauchende gesetzliche Richtung im Zusammenhang mit seiner Wahrheit zu seinen Zwecken benutzen. Aus beiden erwuchs der alte Katholicismus mit seiner Festigkeit und Geschlossenheit als eine uneinnehmbare Burg der anstürmenden Welt gegenüber, die spätere mittelalterliche Kirche als eine bei all ihren Verirrungen großartige heilspädagogische Anstalt für die Völker des Abendlands, als eine providentielle Vorbereitungsstufe für eine neue Vertiefung und Verinnerung des christlichen Geistes, wie sie in der Reformation im Anschluß an das paulinische Evangelium zum Durchbruch kam.

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 Doch gehen wir zu dem Einzelnen über. Der Herr Verf. beginnt mit der Darstellung der Grundanschauung Justin’s vom Wesen des Christenthums nach der ersten Apologie und findet dasselbe in der „Anbetung des wahren Gottes und in tugendhaftem Leben im Glauben an den ewigen Lohn“, oder genauer „in einer, durch Christus vermittelten Erkenntniß des wahren Gottes und gerechtem Wandel in der Sehnsucht nach ewigem und vollkommenerem Leben mit Gott und in der bestimmten Erwartung dieses unvergänglichen Lohnes (S. 85. 89)“. Wir haben hingegen mancherlei einzuwenden. Wir schweigen davon, daß Justin eine eigentliche Definition des Christenthums nicht geben will, und daß nach anderen klaren Aeußerungen ihm das Christenthum im Glauben an Jesum als den Christ oder Sohn Gottes besteht. Mit jenem urchristlichen Schiboleth schließt der Dialog. Das müssen wir aber hervorheben, daß das specifisch Christliche in jenen Definitionen in Widerspruch mit Justin’s wirklichen Aeußerungen mit Unrecht zurücktritt. Wo Justin zuerst vom christlichen Glauben selbst redet (I, 5 u. 6), spricht er in höchst charakteristischer Weise zunächst mehr vorübergehend (c. 5) von der Menschwerdung des Logos und dann ausdrücklich im Gegensatz zu der Beschuldigung der Gottesleugnung von der Anbetung der göttlichen Trias. Allerdings reiht nun J. dem Sohne das Heer der guten Engel an; v. E. gibt aber selbst wenigstens S. 87 zu, daß daraus nicht eine Gleichstellung der Engel mit der Trias folge. Daß eine solche nicht gemeint sei, geht schon daraus hervor, daß so oft auch in den Apologien die göttliche Trias noch erwähnt wird, nie wieder die Engel eingefügt werden. Wenn Justin es an unserer Stelle thut, so geschieht es in dem naiven apologetischen Interesse,

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Adolf von Stählin: Justin der Märtyrer. Dörffling und Franke, Leipzig 1880, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Adolf_von_St%C3%A4hlin_-_Justin_der_M%C3%A4rtyrer.pdf/13&oldid=- (Version vom 1.10.2017)