Schloss Burgk im Reussenlande
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Durch die Wechsel der Zeiten, des Schicksals auch und der Herrschaft,
Ungebrochen und fast jugendlich noch stehst du da.
So das Geschlecht, von dem, wenn die Sage nicht trügt, du bie Wieg’ warst;
Während viel tausend verdorrt, blühet es kraftvoll noch fort.
Würde die Frage aufgeworfen: Welcher Theil des schönen Thüringer Landes ist der schönste? so würde die Antwort seyn: Den Saalgegenden gebührt der Preis. Von der fränkischen Grenze an, bis zur Elbebene hin, bei einer Länge, welche, die Krümmungen eingerechnet, fast dreißig deutsche Meilen beträgt, hat das Saalthal keine Strecke von nur einer halben Stunde, der man Naturschönheit absprechen könnte, und ich kenne keinen einzigen Strom ähnlicher Größe, dessen Landschaften mehr Reiz und Abwechselung böten. Bald durchzieht er enge und schauerliche Schluchten, ausgestattet mit den Reizen der Felsennatur; bald dunkle Waldthäler; bald sind’s fette Triften, welche er durchschlängelt; bald weite und fruchtbare Auen, mit Dörfern und Städten besäet, und umsäumt von bald näher, bald ferner gerückten Gebirgen. Viel tragen zum Schmucke der Saalgegenden die Rittervesten bei, die man, zuweilen auf den steilen Felsuferwänden, häufiger auf den fernern Höhen, erblickt, größtentheils in Ruinen, mitunter auch noch bewohnt und erhalten.
Unter die letztern gehört die im Stahlstiche vorgestellte Veste. Der erhaltene Theil (viele der Gebäude sind längst bis auf geringe Spuren verschwunden) ist zwar nicht von bedeutendem Umfang, und ihre ehemalige Pracht und Herrlichkeit lebt nur noch in der Sage fort; aber ihre Lage macht sie zu einer köstlichen Perle in unsers Saalthals malerischem Schatze. Sie krönt (zwischen Saalfeld und Schleitz) den Gipfel eines mäßig hohen Berges, an den sich Hochwald bis zum Scheitel hinanzieht. Graues Sagendunkel umhüllt der Burg Entstehen; eine Urkunde aus dem 12ten Jahrhundert nennt sie einen Stammsitz des uralten Reuß’schen Geschlechts, zu dessen Quelle die ältesten geschichtlichen Monumente nicht hinreichen. Schon um das Jahr 1000 beherrschten Reuße das ganze Voigtland. Heinrich der Reiche – reich durch glücklichen Bergbau – theilte um 1106 sein Land unter vier [26] Söhne, deren Nachkommenschaft als Greizische, Geraische, Weidaische und Plauensche Linien einige Jahrhunderte lang fortblüheten. Allmählich erloschen solche bis auf die letztere, aus welcher, 1535, durch eine neue Theilung unter drei Brüder, die ältere, mittlere und jüngere Linie entstanden. Die mittlere dauerte nur bis 1616; die andern beiden aber bis 1824, wo auch die ältere im Mannsstamme ausging, so daß blos die jüngere in zwei Zweigen, als Schleizische und Ebersdorfs-Lobensteinische, noch gegenwärtig fortlebt. In den ältesten Zeiten führte dieses Fürstengeschlecht den prunklosen Namen: Reuß, Voigt und Herr zu Plauen, obschon es sich einerlei Ursprungs mit dem Luxemburgischen Hause rühmte, das dem Reiche in Heinrich VII., Karl IV., Wenzel und Sigismund Kaiser gab. Als ein Zweig der Familie, 1426, zur sächsischen Churfürstenwürde gelangte, in der er sich bis zu seinem Absterben, 1572, behauptete, kam der Familie die Reichsfürstenwürde zu; sie sprach sie aber nicht an. Erst lange nachher legte sie sich den Grafentitel bei, wurde durch Reichstagsbeschluß 1790 in den Fürstenstand erhoben, 1807, mit vollem Genuß der Souverainität, in den Rheinbund aufgenommen, und seit 1815 reiht sie sich den deutschen Bundesfürsten an, in deren engerm Rathe das Gesammthaus, mit Hohenzollern, Lichtenstein, Waldeck, Lippe-Detmold und Schaumburg-Lippe die 16te Stimme repräsentirt. Zufolge eines 8 Jahrhunderte lang aufrecht erhaltenen Gebrauchs führen alle männlichen Glieder der Familie den Namen Heinrich, und zum Unterscheidungszeichen erhält jedes, nach der Zeitfolge seiner Geburt, eine Nummer, welche bis hundert fortgesetzt wird. Man fängt dann mit 1 von neuem zu zählen an.
Die Reußischen Lande machen gegenwärtig nur etwa die Hälfte des alten Voigtlandes aus, weil dessen andere Hälfte mit der Gelangung zur Churfürstenwürde an Sachsen kam, und auch nach Aussterben der Churlinie bei diesem Staate verblieb. Es ist ein gebirgiger Landstrich, der zum Theil der thüringer, theils der erzgebirgischen Kette angehört, aber reich ist an gut angebauten Thälern, welche durch schöne Holzungen eingeschlossen werden; daher hat das Land Ueberfluß an Viehzucht und an Waldprodukten. Der Bergbau beschränkt sich größtentheils auf Eisen. Er ist wenig beträchtlich, aber zu einer weit größern Ausdehnung und Kultur geschickt. – Hauptnahrungszweige der Einwohner sind die Fabriken: Wollen- und Bandwollenweberei, Strumpfwirkerei, Porzellainmanufaktur etc. In und um Gera ist ihr Hauptsitz. An glatten wollenen Zeugen allein führt letztgenannter Ort jährlich für 500,000 Thlr. aus. Den Ruhm geistiger Kultur theilen die Reußischen Lande mit der gemeinschaftlichen Mutter; –
Allen Nationen voran in der Gesittung rühmlichem Wettkampf
Streitet Germania.