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CCXXXXIII. Schloss Burgk im Reussenlande.




Durch die Wechsel der Zeiten, des Schicksals auch und der Herrschaft,
     Ungebrochen und fast jugendlich noch stehst du da.
So das Geschlecht, von dem, wenn die Sage nicht trügt, du bie Wieg’ warst;
     Während viel tausend verdorrt, blühet es kraftvoll noch fort.




Würde die Frage aufgeworfen: Welcher Theil des schönen Thüringer Landes ist der schönste? so würde die Antwort seyn: Den Saalgegenden gebührt der Preis. Von der fränkischen Grenze an, bis zur Elbebene hin, bei einer Länge, welche, die Krümmungen eingerechnet, fast dreißig deutsche Meilen beträgt, hat das Saalthal keine Strecke von nur einer halben Stunde, der man Naturschönheit absprechen könnte, und ich kenne keinen einzigen Strom ähnlicher Größe, dessen Landschaften mehr Reiz und Abwechselung böten. Bald durchzieht er enge und schauerliche Schluchten, ausgestattet mit den Reizen der Felsennatur; bald dunkle Waldthäler; bald sind’s fette Triften, welche er durchschlängelt; bald weite und fruchtbare Auen, mit Dörfern und Städten besäet, und umsäumt von bald näher, bald ferner gerückten Gebirgen. Viel tragen zum Schmucke der Saalgegenden die Rittervesten bei, die man, zuweilen auf den steilen Felsuferwänden, häufiger auf den fernern Höhen, erblickt, größtentheils in Ruinen, mitunter auch noch bewohnt und erhalten.

Unter die letztern gehört die im Stahlstiche vorgestellte Veste. Der erhaltene Theil (viele der Gebäude sind längst bis auf geringe Spuren verschwunden) ist zwar nicht von bedeutendem Umfang, und ihre ehemalige Pracht und Herrlichkeit lebt nur noch in der Sage fort; aber ihre Lage macht sie zu einer köstlichen Perle in unsers Saalthals malerischem Schatze. Sie krönt (zwischen Saalfeld und Schleitz) den Gipfel eines mäßig hohen Berges, an den sich Hochwald bis zum Scheitel hinanzieht. Graues Sagendunkel umhüllt der Burg Entstehen; eine Urkunde aus dem 12ten Jahrhundert nennt sie einen Stammsitz des uralten Reuß’schen Geschlechts, zu dessen Quelle die ältesten geschichtlichen Monumente nicht hinreichen. Schon um das Jahr 1000 beherrschten Reuße das ganze Voigtland. Heinrich der Reiche – reich durch glücklichen Bergbau – theilte um 1106 sein Land unter vier

Empfohlene Zitierweise:
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen, Amsterdam, Paris, Philadelphia 1839, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_6._Band_1839.djvu/47&oldid=- (Version vom 15.11.2024)