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Titel: Schloß Gottorp
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aus: Die Gartenlaube, Heft 13, S. 204–206
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1864
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[204]
Aus den Landen des verlassenen Bruderstammes.
5. Schloß Gottorp.

Es war ein ungewöhnlich stürmischer und kalter Maitag im Jahre 1849, wie man sie trotz des Nachtigallenschlages in den herrlichen Buchengehölzen nur auf der schmalen cimbrischen Halbinsel kennt, als ich allein in einer wenig comfortablen Postkutsche von Eckernförde aus mich zum ersten Male der uralten Schleistadt, dem historisch berühmten Schleswig, näherte. Wir hatten den Bustorfer Teich, den man auch See nennen könnte, erreicht, welcher sich vor der Vorstadt Friedrichsberg in die Schlei ergießt, da gewahrte ich gerade vor mir einen durch nichts Besonderes sich auszeichnenden Thurm von nur geringer Höhe.

„Schloß Gottorp!“ sagte der Postillon, ließ am Eingange der Stadt sein Horn erklingen und trieb die Pferde zu rascherem Laufe an. Zwischen den Häusern von Friedrichsberg verlor ich das berühmte Schloß, mit dessen Namen die Geschicke des Landes so eng verknüpft sind, schnell wieder aus den Augen, und bekam es erst in seiner vollen Ausdehnung auf dem breiten Dammwege zu Gesicht, welcher, Gottorp in kurzer Curve umgehend, nach der eigentlichen Stadt Schleswig führt.

Gottorp liegt auf einer Insel am äußersten Westende des Schleibusens, welcher durch den eben erwähnten Chausseedamm von dem eigentlichen Meerstrome abgeschnitten ist und nur einen kleinen, stillen, an manchen Stellen reich mit Schilf bewachsenen Teich oder See bildet. Der Bau des Schlosses fällt in die Mitte des zwölften Jahrhunderts. Architektonische Schönheiten wüßte ich demselben nicht nachzurühmen; es imponirt jedoch durch seinen gewaltigen Umfang wie durch seine Höhe und macht einen bedeutenden Eindruck. Daß man dem abseit von der Stadt gelegenen ernsten Bau zuerst und immer gern wieder von Neuem seine Blicke zuwendet, dazu mag für denjenigen, welcher geschichtlichen Sinn hat, sowohl die Vergangenheit des Schlosses selbst wie sein Name viel mit beitragen.

Ursprünglich war das Schloß Residenz des Bischofs von Schleswig, auf dessen Befehl es erbaut ward. Noch heute macht es den Eindruck einer fürstbischöflichen Hofhaltung, an welche besonders auch die verhältnismäßig geräumige Schloßkirche, in der Mitte des gewaltigen Vierecks gelegen, erinnert. Geistliches Eigenthum blieb indeß Gottorp nur reichlich hundert Jahre; denn schon 1268 erwarb es Herzog Friedrich II. durch Tausch und gestaltete es sofort zu einer Festung um, zu welcher es sich durch seine abgeschlossene Lage mitten in dem tiefen, schwer zugänglichen See vortrefflich eignete. Diesen Charakter, dem es in zahlreichen Kämpfen während des Mittelalters Ehre machte, hat es bis auf den heutigen Tag behalten, obwohl es schon seit dem Jahre 1544 zur Residenz für die Herzöge von Holstein-Gottorp durch den dänischen König Friedrich II. umgestaltet ward. Bis zum Jahre 1713 blieb es fortdauernd Residenz dieser Herzöge. Später verlegte man den Sitz der Regierung für Schleswig-Holstein, sowie das schleswig’sche Ober- und Landesgericht in die umfangreichen Baulichkeiten des Schlosses, wodurch leider die Mehrzahl seiner Gemächer ihr fürstliches Aussehen verloren. Noch in den ersten Jahren nach der Erhebung war es Sitz der Regierung der Herzogthümer, wie denn vorzugsweise in der Stadt Schleswig sich die Intelligenz des ganzen Landes concentrirte.

Nach Entwaffnung der Herzogthümer 1851 und dem darauf folgenden Wiedereinzug der Dänen in die ihnen verhaßte Schleistadt verwandelte man Gottorp in eine Caserne, die es bis auf die Gegenwart geblieben ist. Nur einige Zimmer wurden in wohnlichem Zustande erhalten, damit gelegentlich in Schleswig eintreffende und daselbst kurze Zeit sich aufhaltende fürstliche Personen ein ihrem Range angemessenes Unterkommen finden möchten. Oft freilich ward Schleswig dieser Ehre nicht theilhaftig. Der verstorbene König Friedrich VII. wußte zu gut, daß die braven Bewohner dieser Stadt ihm und seiner Regierung zu grollen das vollste Recht hatten. Er vermied es daher, Schleswig zu besuchen, wenn nicht gerade ein besonderer Anlaß dazu vorlag. Die Herzöge aber aus dem Hause Glücksburg lebten theils in Kopenhagen, theils in Kiel oder traten in auswärtige Kriegsdienste. Der einzige Glücksburger, welcher als Oberhaupt der ganzen Linie wohl gern in Gottorp Hof gehalten haben würde, Herzog Carl, ältester Bruder des jetzigen Königs Christian IX. von Dänemark, durfte dies schon aus Klugheit nicht thun, um sich nicht den unversöhnlichen Haß der ganzen dänischen Nation, den er ohnehin schon besaß, in noch höherem Grade zuzuziehen. Er lebte im Winter auf dem Schlosse in Kiel, während er Frühjahr und Sommer auf dem ihm gehörenden Schlosse Louisenlund an der Schlei zubrachte. Herzog Carl von Glücksburg kämpfte nämlich während der Erhebungsjahre in den Reihen der schleswig-holsteinischen Armee als guter Deutscher gegen Dänemark und mußte sich später als Amnestirter möglichst ruhig verhalten.

Schloß Gottorp, das mit seinen Mauern, welche geräumige Plätze umschließen, ein unregelmäßiges Viereck bildet, ließe sich gewiß mit Leichtigkeit zu einem respectabeln festen Platze machen, dem schwer beizukommen wäre. Da man jedoch neuerdings sich mit Belagerung und Berennung fester Plätze nur dann abgiebt, wenn sie den ferneren Kriegsoperationen durch ihre Lage hinderlich oder gar gefährlich werden können, so haben die Dänen wohl ganz recht daran gethan, daß sie von einer ernsthaften Befestigung des berühmten Fürstensitzes Abstand nahmen. Von den nahen Höhen des Thiergartens im Norden wäre das Schloß mit wenigen Bomben in Brand zu schießen, auch würde es sich leicht aushungern lassen. Jedenfalls lag es aber ursprünglich nicht in der Absicht der Dänen, Gottorp ohne vorhergegangenen Kampf in größter Eile zu räumen, sonst könnte die nächste Umgebung desselben unmöglich so aussehen, wie sie sich gegenwärtig darstellt.

Wie schon bemerkt, führt von der Südseite, welcher sich die Fronte des ehrwürdigen Schlosses zukehrt, nach dem geräumigen Schloßhofe, in dem sich eine ganz stattliche Streitmacht versammeln ließe, ein breiter Dammweg durch den See, den früher zu beiden Seiten prächtige alte Lindenbäume umsäumten.

Von diesen malerischen Bäumen ist gegenwärtig kaum noch eine Spur vorhanden. Die Dänen hatten sie alle, wahrscheinlich erst nach dem Vorrücken der österreichisch-preußischen Truppen, umgesägt, aber so mit Balken gestützt, daß sie noch beim Einzuge der Oesterreicher in die Stadt aufrecht standen. Ohne Zweifel also wollte man im Fall eines Durchbruches der Deutschen auf irgend einem Punkte der so weit ausgedehnten Danewerkstellung sich im Schlosse selbst noch eine Zeit lang zu halten suchen, um den Rückzug der Armee zu decken. Mittels der abgesägten Bäume war der Zugang zum Schlosse durch ein starkes Verhau leicht zu sperren, und unterhielten die Dänen aus den Fenstern Gottorps ein wohlgezieltes Musketenfeuer auf die ungestüm vordringenden Deutschen, so konnte es immerhin Blut genug kosten. Zwei Tage noch vor dem Abzuge der dänischen Armee aus dem so furchtbar verschanzten Danewerke hatte König Christian IX. sein Hoflager in dem uralten Schlosse seiner Väter aufgeschlagen. Der Aufenthalt kann für den arg bedrängten Monarchen, für welchen die Dänen kein Herz haben, weil er ein Deutscher ist und sie ihm nicht trauen, und den alle Schleswig-Holsteiner als den gefährlichsten Feind ihrer gerechten Sache betrachten müssen, nicht viel Anziehendes gehabt haben. Aus den Fenstern der von ihm bewohnten Zimmer erblickte er ebenso die von seiner Armee vertheidigten Schanzen des Danewerkes gerade da, wo die stärksten Befestigungen sich befanden, wie er das Aufblitzen der feindlichen Geschütze nach der Erstürmung des Königsberges bei Ober-Selk gewahren mußte. Bis nahe an das Schloß rollten die Granaten der Deutschen, und das Eis der Schlei war mit gesprungenen Hohlgeschossen bedeckt. Nur Flucht, schleunige Flucht, konnte den ungeliebten König vor größeren Gefahren schützen. . .

Den siegreich vorgehenden Oesterreichern blieb keine Zeit, auf dem Schloßhofe aufzuräumen, weshalb man denselben noch mehrere Tage später fast ganz in demselben Zustande antraf, den er zur Zeit des nächtlichen Rückzuges der Dänen gehabt haben mochte.

Da lagen neben einer Unmasse zerstampften Strohes ungeheure Stöße von Faschinen und Pfählen zu Palissaden, dort Schanzkörbe und jene abscheulichen spanischen Reiter, auf deren spitzen Eisenklingen bei nothwendig gewordenem und wirklich unternommenem Sturme auf die Schanzen mancher brave Soldat elendiglich seinen Tod gefunden haben würde. Kugeln endlich der verschiedensten Größe waren überall zu hohen Pyramiden aufgeschichtet.

Nachdem der Kriegsschauplatz weiter nach Norden verlegt wurde, trat in Schleswig wieder die alte Stille ein, die nur durch das

[205]

Oesterreichische Militärschenke im Keller von Schloß Gottorp.
Originalzeichnung unsers Specialartisten E. Wolperding.

[206] Kommen und Gehen von Truppen, welche der Armee nacheilten, unterbrochen ward. Einer starken Besatzung, damit nicht etwa die öffentliche Ruhe gestört werde, bedarf keine Stadt des Herzogthums weniger, als gerade Schleswig. Die Bevölkerung ist grunddeutsch; die verhaßten dänischen Beamten wurden schon in den ersten Tagen der Befreiung in aller Ruhe entfernt, und nach ungeordneten Zuständen, welche die furchtbar bedrückten und in Folge dessen auch etwas gedrückten Schleswiger zur Genüge kennen lernten, trägt Niemand Verlangen. Mit den Oesterreichern aber, die Jeder als Befreier ehrt, die man mit der größten Zuvorkommenheit pflegt, wie dies die vielen Kranken und Verwundeten aus dem überaus blutigen Treffen von Oeversee bezeugen können, mit diesen Oesterreichern, die gar nichts Abstoßendes, nichts Gemachtes oder gar Hochfahrendes haben, steht sich Jung und Alt gut.

Es ist aber auch wirklich ein harmloses, dabei fröhliches und originelles Volk, das der Krieg aus den verschiedenen Provinzen und Kronländern der gewaltigen österreichischen Monarchie hier zusammengeführt hat. Wohl Keiner von Allen ließ es sich vor wenigen Monaten träumen, daß er eines kalten Wintertages sein Roß an den Ufern der Schlei tummeln und nach dem Takt des feurigen Radetzkymarsches durch den Lollfuß marschiren werde!

Außer dem Dienste ist der österreichische Soldat, welcher Nationalität er auch angehören mag, ein munterer Geselle, und was sehr für die österreichische Armee-Einrichtung spricht, das ist das trauliche, ja herzliche Zusammenleben der Officiere mit den Soldaten, der durchaus zwanglose Verkehr, welcher unter allen Truppengattungen herrscht, wenn nach Strapazen und schwerem Dienst die Stunde der Ruhe und Erholung schlägt. Früher mag das anders gewesen sein; auch heute noch herrscht ohne Frage die strengste Mannszucht im österreichischen Heere, aber es weht doch ein eigenthümlich belebender Geist durch diese in so vielen verschiedenen Zungen sprechenden Bataillone. Möglich, daß dieser Geist und der ungenirte Verkehr zwischen Vorgesetzten und Untergebenen eine Folge ist der heißen Kämpfe in der Lombardei im Jahre 1859. Von den französischen Truppen haben die Oesterreicher bei Magenta und Solferino jedenfalls mehr gelernt, als durch theoretische Studien, durch Märsche und Manöver in zehn Friedensjahren.

Im Schlosse Gottorp, das gegenwärtig zu Allem dienen muß, wie eben die Umstände es erheischen, hat man der geselligen Unterhaltung wegen auch eine Schenke in einem Kellerlocale errichtet. Hier nun trifft man immer militärische Gesellschaft; denn der österreichische Soldat, tapfer, unermüdlich, mit Ungestüm den Feind angreifend und dann gewöhnlich auch werfend, pflegt nach gethaner Arbeit gern der Ruhe und ist ein ebenso tapferer Trinker als leidenschaftlicher Tabakraucher und Tänzer.

Ein Bekannter, welcher in Geschäften auf Gottorp zu thun hatte, bot mir an, ich möge ihn begleiten, um zu sehen, wie es jetzt in dem alten Fürstensitze zugehe. Es war ein rauhes, wildes Winterwetter. Der Oststurm jagte Wolken von Schnee und Hagel über die Schlei, deren brandende Wellen zischend ihre hochspritzenden Schaumkämme über den Chausseedamm peitschten. Aus dem Schloßhofe aber scholl uns Gelächter, Gesang, Gläserklang und Musik entgegen ... Wie furchtbar grell stellt sich doch das Heterogenste hart neben einander im Leben! Nie aber schlimmer, schreiender, als in kriegerischen Zeitläufen ... Gott weiß, wie Viele da oben auf ihrem Schmerzenslager seufzten, wie Manchem das Herz zitterte, wie die vom Todesengel schon berührte Lippe ein letztes Gebet sprach oder einen letzten Gruß der fern lebenden Mutter oder Geliebten sendete ... Unten im Keller bei Wein, Bier und Grog forderte das Leben sein ganzes, volles Recht, und in vollen Zügen genoß es Jeder, der sich noch ungeschwächter Kraft und guter Gesundheit erfreute.

Ein sonderbares Bild, diese österreichische Militärschenke, romantisch, fesselnd, zu Ernst und Wehmuth stimmend und doch wieder unwiderstehlich mit fortreißend zu fröhlichem Genießen! .. Da saßen und standen, lehnten und hockten in dem weitgespannten bombenfesten Gewölbe etwa dreißig Soldaten zusammen, fast alle ungarischen Regimentern angehörig, mit den enganliegenden blauen Beinkleidern und den niedrigen Schnürstiefeln, und rauchten und plauderten gemüthlich mit einander, als wenn es keinen nahen Kampf und keinen vielleicht eben so nahen Tod gäbe. Im Hintergrund hatte sich die Marketenderin postirt, eine stattliche, dralle Gestalt, und bemühte sich angelegentlich, den vor ihr sitzenden Officier, einen jungen Oberlieutenant, nach besten Kräften zu unterhalten. Als wir eintraten, fragte Keiner: wer ist’s, der da kommt, ohne vorgestellt zu werden? nein, drei, vier Hände auf einmal streckten sich uns entgegen, und der bei den Oesterreichern vielgehörte Gruß, aus Ungarn stammend, ward auch uns zu Theil. „Servus, Mischko!“ so klang es von links und rechts. Dann ward Platz gemacht, hier eine Cigarre, dort eine Pfeife angezündet, angestoßen mit vollen und halbvollen Gläsern, und „Hoch lebe der Kaiser!“ „Hoch Schleswig-Holstein!“ „Teremtete “ Dänemark!“ „Eljen Magyar!“ schwirrte und summte es durcheinander, daß an ein verständliches Gespräch zuvörderst nicht zu denken war.

Später theilte wohl der Eine und Andere etwas von den persönlichen Erlebnissen der jüngst vergangenen Tage mit, nie aber in bramarbasirendem Tone. Als könne es gar nicht anders sein, so ward das Erlebte erzählt, unter Lachen und Scherzen besprochen. Es ist das Geschäft, die Pflicht des Soldaten, wenn der Befehl an ihn ergeht, sich in Kampf und Tod zu stürzen! .. Die Frage: wofür? ob sie wohl Vielen sich aufdrängt? .. Einzelnen gewiß, der Mehrzahl aber, wenigstens in den Reihen der Oesterreicher, sicherlich nicht. Sie kämpfen und sterben zunächst für ihren Kaiser, nicht für eine Idee! Und daß diese ungarischen Husaren von den Pusten der Theiß, diese dunkeläugigen Polen und Czechen die schleswig-holsteinische Frage, welche Lord Palmerston elend und langweilig nennt, weil er sie nicht verstehen will, studiren sollten, ist auch wirklich nicht zu verlangen. Es liegt einem aber nahe, diese Frage gerade an den Soldaten zu richten, der sein Blut dafür verspritzt, seine Gesundheit dafür opfert. Sollten diese herrlichen Güter des Lebens für ein leeres Nichts, für ein Phantom, für eine lockende Fata Morgana, die ein Windhauch verwehen kann, dahingegeben werden? Es warf sie jedoch Keiner auf, auch nicht die Schleswiger, welche schweigsam, lächelnd und mit Blicken des Dankes dies lustige Treiben ihrer Befreier betrachteten.

Da rief ein gelenker Jüngling, muskelkräftig, aber nur von mittler Größe, den Schnurrbart sich streichend: „Csarda!“ (Czarda!). Augenblicklich wurden die Bänke zusammengerückt und es begann einer jener charakteristischen, leidenschaftlichen, das Blut erhitzenden und alle Zuschauer elektrisirenden Nationaltänze, an denen die Ungarn reicher sind, als jede andere Nation. Bald tanzte die Hälfte der Anwesenden in dem beschränkten Raume. Der Soldat, an Bequemlichkeiten nicht gewöhnt, weiß sich in Alles zu schicken. Aber der Reiz dieser Csardase mit ihren originellen Weisen, die von den ihrer Kundigen in raschem Tempo halb gesungen, halb geträllert werden, wirkt so ansteckend, daß Tanzlustige der Aufforderung, mit von der Partie zu sein, kaum widerstehen können. –

Es dunkelte schon, als ich den Rückweg über den Dammweg antrat. Eine Drehorgel leierte die bekannte Melodie: „O Tannebohm, o Tannebohm“ etc., die zu dem winterlichen Landschaftsbilde, das an die Weihnachtszeit erinnerte, wohl paßte. Als der Drehorgelmann aber seine Stimme erhob, war’s ein plattdeutsches Lied, funkelnagelneu, das mit gutem, derbem niedersächsischen Humor die Flucht der Dänen aus Schleswig geißelt. Zum Ergötzen vieler Ihrer Leser mögen die bezeichnendsten Verse dieses holsteinischen Volksliedes, dessen Verfasser sich bezeichnend Peter Klooksnuut nennt, diese Skizze schließen.

O Hannemann, Du Hampelmann, wat hest Du veel to seggen,
Denn Schleswig-Holstein büst Du quitt, dat mußt Du überleggen;
Denn ohne dat da büst Du nix, se bind die bannig op de Büx;
O Hannemann, Du Hampelmann, wat hast Du veel to seggen.

O Hannemann, Du Hampelmann, Du dacht’st noch veel to kriegen,
Nu sünd de Bundestruppen da, de Rest vor di is swiegen;
Denn Schleswig Holstein smekt so nett, un maakt di ook ganz bannig fett.
O Hannemann, Du Hampelmann, Du dacht’st noch veel to kriegen,

O Hannemann, Du Hampelmann, un gift dat smale Happen (Bissen),
De Magen, glöf mi, ward di bald, as wie de Tüffeln (Pantoffeln) klappen:
Mien gode Jung, lop Du man to na Dänemark op holten Schoh (Holzschuh);
O Hannemann, Du Hampelmann, un gift dat smale Happen.

O Hannemann, Du Hampelmann, un büst Du bald im Buddel,
Du schreest un blaarst as wie een Göhr (Kind) bie düssen Kuddelmuddel.
Drum kratz man unt, man höger rep (höher hinauf) un hol di jo un jo nich op.
O Hannemann, Du Hampelmann, nu büst Du bald im Buddel.
O Hannemann, Du Hampelmann, nu büst Du bald imE. W.