Schlafender Frosch
[408] Schlafender Frosch. (Mit Abbildung.) Es giebt eine Anzahl von Thieren, namentlich Lurchen und Insekten, die mit der Eigenschaft ausgestattet sind, an spiegelglatten senkrechten und überhängenden Flächen mit erstaunlicher Fertigkeit zu laufen und sogar in überhängender Körperlage zu ruhen. Sie thun es ohne irgend welche Anstrengung; denn die Natur hat diese geborenen Akrobaten mit besonderen Sohlen ausgestattet. Unter den Eidechsen bilden die „Haftzeher“ eine besondere Familie, so genannt, weil ihre Zehen und Sohlen mit wirklichen Haftwerkzeugen ausgestattet sind, mit Saugnäpfen, mit deren Hilfe sich die Thiere an die glatten Flächen ansaugen. Die Fliegen dagegen sondern an ihren Füßen einen Leim aus, mit dem sie sich an die glatten Flächen ankleben, und ebenso sind die Zehen der Baumfrösche, als deren bekanntester Vertreter unser Laubfrosch gelten mag, mit feinen Drüschen versehen, aus denen gleichfalls ein Leim austritt, welcher dem Frosche gestattet, die wunderbarsten Körperstellungen einzunehmen.
So dürfte auch die Lage, die der Frosch auf unserem Bilde für ein Nachmittagsschläfchen eingenommen hat, für seinesgleichen nicht besonders abenteuerlich sein. Daß er mit dem Kopfe nach unten über den Wassern schwebt, kann sogar als ein Zeichen seiner hygieinischen Weisheit gelten – hat doch vor einigen Jahren ein Arzt auch den Menschen empfohlen, mit dem Kopfe tiefer zu schlafen und zu diesem Zwecke das Fußende des Bettes zu erhöhen! Unser Frosch kann aber eines tiefen Schlummers sich nicht erfreuen; denn zum Entsetzen der Wasserjungfer, die auf demselben Aste sitzt, summen Fliegen heran, spazieren dem Frosche auf dem Kopfe, ja über das sonst so gefürchtete Maul hinweg. Solche „Reize“ stören den Schlaf und rufen Träume hervor, und vielleicht mag es sein, daß auch der Frosch auf dem Bilde von ungebratenen, aber desto zarteren Mücken, die einem in den Mund fliegen, träumt wie ein Menschenkind von gebratenen Tauben.
Ob auch Lurche träumen können? Wir müssen es der Phantasie unserer Leser und Leserinnen überlassen, die Thatsache und den Humor der Froschträume sich auszudenken. Wir wollen bei dieser Gelegenheit lieber von einer Schlafgewohnheit der Frösche berichten, die von einem trefflichen Naturkundigen, A. Franke, verbürgt wird. In seinem mustergültigen Terrarium in Stötteritz bei Leipzig hielt er auch Teichfrösche und da machte er die Wahrnehmung, daß jeder einzelne Frosch sein bestimmtes Nachtquartier bezieht, in dem er jedenfalls einen Theil der Nacht schlafend zubringt und das er am Tage nicht benutzt. Einem Freunde, der diese Thatsache bezweifelte, bezeichnete er genau die Stelle zwischen zwei Klettenblättern, die mit Eintritt der Dunkelheit von einem Frosche besetzt werden würde.
„Ich wußte schon im voraus,“ schreibt Franke, „daß der Frosch bei der geringsten Störung in zwei mächtigen Sätzen nach dem Bassin springen würde, und kannte den Fleck, von wo aus der zweite Sprung mit fast mathematischer Genauigkeit ausgeführt wurde. Um den Effekt zu erhöhen, setzte ich hierher ein weites, halb mit Wasser gefülltes Gefäß. Wir sahen im Halbdunkel den Frosch sich nähern und bemerkten an der Bewegung der Blätter, wie er sein Nachtquartier bezog. Eine halbe Stunde später wurde mit einem Stöckchen ein geringes Geräusch in der Nähe des Klettenbusches gemacht, so daß der beunruhigte Frosch mit seinem gewöhnlichen Sprunge hervorkam und jedenfalls zu seiner nicht geringen Verwunderung in das Wassergefäß patschte. Mein Freund wurde aus einem Saulus ein Paulus; der Frosch aber bezog sein altes Quartier nicht wieder.“