Schiller’s Räuber auf ihrer ersten Bühne
An einem Sonntage des Sommers 1778 begab sich in Stuttgart am Thor der Militär-Akademie das Ungewöhnliche, daß bereits am frühen Morgen eine große Zahl Eleven hinausmarschirte. Sie waren schon in der sonntäglich blanken Montirung, die Degen an der Seite, wohlfrisirt unter ihren Uniformhütchen; sie mußten also dispensirt sein sowohl von dem Rangiren der Abtheilungen zum Frühstück, der Toilette-Revision und Stellung nach demselben, als auch vom Kirchgange. Sie gingen paarweise in gleichem Tritt, mit Aufsehern und Dienern zur Seite, auch der führende Hauptmann fehlte nicht, aber an ihren belebten Mienen konnte man doch merken, daß sie diesmal nicht von der Dienstuhr in Gang gesetzt wurden. Auch nahm der Hauptmann den Weg nach der Weinsteig hinaus, und als sie auf dieser zwischen Baumgeländen und Weinbergen anwärts rückten, löste sich die Colonne in freiere Wandergruppen [630] auf. Sie genossen der frischen Morgenluft, der Aussichten über die Stadt und auf das liebliche Thal von Häslach, der ungezwungenen Bewegung und des Gesprächs nach Wahl und Laune. Denn dieser Auszug war ein Spaziergang, keiner der allgemeinen, zu welchen die Akademie bisweilen nach der Vesper in’s Freie geführt wurde, auch keine Excursion in Folge gnädigster Einladung des Herzogs, um eine seiner großen Jagden mit anzusehen, aber ebensowenig ein Spaziergang, wie ihn gewöhnliche Menschenkinder sich in einer freien Stunde erlauben, sondern ein – ärztlich verordneter Spaziergang.
In die Karlsschule war eine epidemische Krankheit eingedrungen und hatte nach und nach die Mehrzahl der Schüler ergriffen. Nun das Uebel endlich besiegt war, zog die letzte Abtheilung der in der Genesung begriffenen Karlsschüler aus, um die ihnen vom Hofmedicus Reuß verordnete Waldpromenade abzumachen.
Unter diesen Reconvalescenten waren auch die beiden Eleven von Hoven und Schiller, welche in diesem dritten Jahr ihres Studiums der Medicin schon einigen Theil an der praktischen Behandlung von Patienten, die nach ihnen von der Epidemie befallen worden waren, genommen hatten. Vier andere Eleven aus verschiedenen Abtheilungen, welche aber in der letzten Zeit sich mit Schiller und von Hoven im Krankenzimmer vereint gefunden, hielten sich auch jetzt bei dem gemächlichen Ansteigen und fröhlichen Gewimmel des Trupps meistens in der Nähe dieser beiden Freunde.
Die einzelnen Glieder dieser Jünglingsgruppe müssen wir uns näher betrachten, ehe wir sie zu ihrem heutigen geheimen Ziel weiter verfolgen. Einige von ihnen hob der Glücksstern ihres Lebens hoch genug, um ihre Namen in das Ehrenbuch der Nation zu schreiben. Nicht blos im Widerschein von Schiller’s Ruhm glänzen die drei Künstler unter ihnen: Dannecker, der große Bildhauer, der einer der fruchtbarsten Künstler seines Fachs wurde, dem wir die gefeierte Kolossalbüste Schiller’s und die bekannte Ariadne im Bethmann’schen Garten zu Frankfurt a. M. verdanken und der, nachdem er bis 1839 die Stuttgarter Kunstschule geleitet, 1841 als Dreiundachtzigjähriger starb; ferner Victor Peter Heideloff, der Stuttgarter, der sich als Bildhauer, Maler und Architekt auszeichnete und besonders die Theaterdecorationsmalerei zu einer gepriesenen Kunst erhob; er ist schon 1816 gestorben, hat aber in seinem Sohne Karl Alexander einen Träger seines Namens hinterlassen, der auch den des Vaters nie vergessen läßt; endlich Jacob Schlotterbeck, gestorben um 1820, als Kupferstecher und Maler einer der geachtetsten Künstler seiner Zeit. Von den beiden Anderen der fünf Krankenzimmer- und Waldgenossen des „Eleven Schiller“ erreichte Friedrich Wilhelm von Hoven, der 1838 als Ober-Medicinalrath zu Nürnberg gestorben ist, als akademischer Lehrer (in Würzburg) und als Schriftsteller seines Fachs s. Z. hohen Ruf; der fünfte der Jünglinge, der „Chevalier“ Kapf, wird in allen Erinnerungen aus der Karlsschule als „nachheriger Lieutenant“ bezeichnet.
Eilen wir nun der hoffnungsreichen Schaar nach. Wir sehen, wie von den Fünfen eben Heinrich Dannecker, dermalen Schüler der Académie des Arts, der, vor sieben Jahren vom Herzog zum Tänzer bestimmt, bald jedoch den Professoren der bildenden Kunst sein Talent zur Plastik verrathen und rasch entwickelt hatte, mit seinen offenen blauen Augen an Schiller’s Lippen hing, den er zu Bemerkungen aus dem Bereich seiner anatomischen Auffassung des menschlichen Körpers veranlaßt hatte, und so angeregt aufmerksam war, daß er kaum die zustimmenden Worte hörte, die von seiner andern Seite Jakob Schlotterbeck dazwischen warf.
Nach der auch gedankenspringlustigen Weise der Jugend hatten die erregten Geister der Kunstjünger sich plötzlich im Lobe ihres Lieblingslehrers, des Professor Guibal, festgehakt. Dies veranlaßte wieder den Maler-Eleven Heideloff die hohe Mission der Nadel des Stechers zu preisen, der für die Verbindung der Künste wirke und deren durch Zeit und Ort getrennte Leistungen in reiche Uebersicht sammle – und ebenso rasch sprang er auf die nothwendige Verbindung der Poesie und der Malerei über und war eben daran, erst recht in’s Feuer zu kommen, als er von einem Zeichen, das ihm Hoven gab, plötzlich verstummte: die zwanglosen Gruppen zogen sich wieder in eine knappere Ordnung und gleichen Takt der Schritte zusammen, denn der Hauptmann ließ defiliren, während die Aufseher zur Wendung von der Steig in das Gehölz des Bopsers lenkten. Die Einrückenden begrüßten den Wald mit freudigen Blicken und Lauten, die der Hauptmann mit wohlwollendem Lächeln bemerkte, und indem er nun wieder voran durch die Gebüsche ging, folgten die Gefährten in ihrer Bewegung und Zueinandergesellung auf’s Neue der Bequemlichkeit und Neigung.
Die drei Kunst-Eleven umgaben mit sichtlicher Anhänglichkeit den still hinschreitenden Schiller, der in Gedanken verloren schien. Hoven zog den Chevalier Kapf heran, weil er Heideloff gar aushören müsse. Unter Schiller’s Cameraden war Victor Heideloff derjenige, der auf Schiller bei seinem ersten dramatischen Versuche bezüglich der theatralisch-technischen Gestaltung desselben vorzugsweise einwirkte. Es muß hier nachgeholt werden, daß Schiller während seines dreiwöchentlichen Krankenlagers – gegen das ausdrückliche strenge Verbot jeder geistigen Arbeit im Krankenzimmer – so oft als möglich unter der Bettdecke an seinen „Räubern“ schrieb. Das Verbot fand später einige Milderung in der Nachsicht eines Krankenwärters, der aus Rücksicht für Heideloff, in dessen elterlichem Hause er bekannt war, Schiller’s Arbeiten stillschweigend gestattete, weil die Freunde sie für medicinische ausgaben. – Heideloff, Schiller’s Bettnachbar im Krankenzimmer, war damals Schüler der Theater- und Dekorationsmalerei und der Theaterbaukunst und in seiner Ausbildung soweit fortgeschritten, daß nicht nur der Herzog ihn häufig bei seinen prachtvollen Theatervorstellungen in Anspruch nahm, sondern auch die Cameraden ihm die Besorgung des theatralischen Theils ihrer dramatischen Aufführungen in der Karlsschule ausschließlich übergaben. Dagegen benutzte Heideloff ebenso eifrig die ausgezeichnete Dichtergabe seines Freunds Schiller, er munterte ihn auf, sein Talent dem akademischen Theater zuzuwenden, Prologe, Monologe, Epiloge dafür zu fertigen und selbst vorzutragen, und als von Beiden das erste deutsche Schauspiel in der Karlsschule eingeführt wurde, darin die Hauptrolle selbst zu übernehmen. – Es war daher sehr natürlich, daß Schiller sich auch enger an Heideloff anschloß und ihn bei seinen Kunstschöpfungen stets zu Rathe zog. Auch die übrigen Vier nahmen oft an diesen Unterhaltungen, die meist die „Räuber“ betrafen, Theil. Da jedoch solche ästhetische Besprechungen im Krankenzimmer zu beschränkt und kärglich waren, so beschloß Schiller, die Gelegenheit des nächsten Genesungs-Spaziergangs zu benutzen, um an einem ruhigen und ungestörten Orte sein Stück zur Beurtheilung und zum Genuß, wie er es so gern that, vorzutragen.
Dieser Augenblick stand den Jünglingen bevor, das wußte Heideloff, und darum zielte er schon in dem Gespräche darauf hin, zu welchem Kapf und Hoven ihn, auf Guibal’s Wirksamkeit für das Kunstleben der Karlsschule zurückkommend, von Neuem angeregt hatten. „Was,“ rief er – „was würde man hier mit all dem Aufwand für Musik und Ballet in der Oper ausrichten, was würden die Verse unsers gekrönten Poeten Haug helfen, wenn nicht Guibal mit Costümen und Attributen und mit seinen Decorationen die unmittelbaren Reize und Contraste der Darstellung, die Scenen und Tempel der festlichen Handlungen erschüfe? Er wird auch wieder für das Festspiel, das Haug schon jetzt auf den Januar zur Geburtsfeier der Frau Reichsgräfin von Hohenheim vorbereitet, den zauberisch geschmückten Schloßsaal und für den Schluß der Vorstellung den brillanten Parnaß mit seiner Phantasie ausstatten. Für die Decoration des mittleren Acts hab’ ich gestern die Baumflur bei dem neuen Dorfe und Perspective auf Schloß Hohenheim an Ort und Stelle aufgenommen. Und Schlotterbeck wird fleißig sein, Euch Akademisten zu Bauern und Cyklopen, Schäfern und Göttern harmonisch bunt herauszustaffiren und die Demoiselles von der Ecole als Musen und Nymphen idealisch zu drapiren. Seht, das ist das Feld, wo wir zusammengehören, Ihr Studirenden und wir Kunstschüler, wo wir einander helfen und im Schönen uns höher heben sollen: ein Theater, wo die geistige Bildung durch den Verein aller Künste mit hinreißender Macht sich offenbart und die ganze Gesellschaft begeistert.“
„Läßt sich aushalten,“ versetzte Kapf trocken, „mit der geistigen Bildung bei diesen Maskeraden. Für den Augenblick kann der Spectakel unterhalten, wenn die Beleuchtung glänzend ist, hübsche Gesichter darunter sind und die Schminke nicht zu grob aufgetragen ist auf den Backen und in den Versen. Aber es ist doch Jahr aus Jahr ein dieselbe Garderobe von ländlichen und olympischen Figuranten und dieselbe alte Leier von überhimmlischer Herablassung und Tugend wie Heu.“
[631] Ein Lachen ließ rechts und links sich hören in dem Gedränge der Freunde, die auf dem Waldpfade nicht ohne Mühe mit Umgehung von Wurzeln, Sträuchern, Stämmen einander nahe blieben. „Ei, erfreut Dich dieser Rasen und das Laubgehölz nicht?“ fragte Heideloff, „weil sie Jahr für Jahr immer wieder dieselben sind? So sind die Ideale der Kunst freilich alt, aber unsterblich. Nur muß es ein Frühling, ein jugendwarmer Geist sein, der sie zum Blühen hervorruft. Sind Euch die hergebrachten Schauspiele nicht geistreich genug, bietet Euer eigenes Feuer auf, Ihr beredten, witzigen Denker. Nichts ist so sympathetisch, als neuentstehende Poesie! Wenn ich eine Schulaufgabe bekomme, eine Art Ornament auszuzeichnen oder einen Gartenplan, da hängt der Alltagsgeist über meinem Reißbret. Hör’ ich aber den Entwurf einer dramatischen Dichtung, wie unlängst von Dir, Schiller, das Scenar des ‚Jahrmarkts‘, der ein Vorspiel werden soll für das Geburtsfest des Herzogs, gleich sind meine Sinne in Bewegung, Vor- und Hintergründe steigen mir auf, ich sehe Figuren und Gruppen mit einem Leben der Motive und einer Kraft der Farben, die durch das Mitgefühl mit der Bildungslust des Dichters, durch den Reiz der Erwartung, ich kann nicht sagen wie, gehoben sind!“
„Glaubt mir,“ rief Schlotterbeck, „die Tage vorigen Monats auf dem Krankenzimmer waren die glücklichsten, seit ich hier bin.
Was helfen uns alle Mittel, zu zeichnen, zu schraffiren, zu malen, wenn unsere Empfindung nicht erregt ist? Die quillt auf, wenn uns der Dichter die Welt interessant macht. Als ich im Bett zu hören bekam, woran Schiller schrieb und was er unter der Decke hielt, wenn der Inspector hereinkam, war’s mir nicht anders, als wüchs’ ich inwendig und auswendig und säh’ über die Berge in neue Länder. Nun verstand ich, warum Dannecker zu ihm springt, so oft er kann. Und Hoven mußte ich glücklich preisen, der seit Jahren solche keimende und steigende Phantasieen mit Schiller theilt. Diesen neuesten großen Stoff – nicht wahr, Du, Hoven, hast ihn auf die Idee gebracht? Wir hören doch bald mehr davon …?“
Da Hoven’s Augen dem Fragenden Geduld winkten, ergriff wieder Heideloff das Wort: „Nein, sage selbst, Schiller, hab’ ich nicht Recht, daß das erst eine Akademie wird, wenn wir so zusammen, Ihr Dichter voran, große Gebilde zur Reife bringen, nicht verschnörkelte Recepte, sondern wahre Pflanzungen der schönen Kunst, daß wirklich Griechenland in Deutschland neu wird, Poesie und Geschmack in unserm Schwabenland heimisch werden und es verherrlichen!“
„Aber seht,“ rief Hoven, „hier ist’s prächtig, hier wird’s gut!“
Man war auf einem freieren Platz des Wäldchens angekommen, wo zwischen den Bäumen die Aussicht auf jenseitige Hügel sich öffnete und der lehne Rasen unter den Büschen, erwärmt von der steigenden Sonne, angenehme Ruheplätze bot. Der Hauptmann lud ein, sich hier zu lagern und die leichten Erfrischungen zu genießen, die von den Bedienten gereicht wurden. Er selbst machte sich’s in der Mitte des Kreises bequem, etwas erhöht an einer kleinen Böschung, von wo er alle übersehen konnte. Seine Blicke waren jedoch so wenig gespannt, daß sich merken ließ, er wollte die jungen Leute in ihren Unterhaltungen ungestört gewähren lassen. Sie saßen, lagen und schwatzten denn auch nach Herzenslust in verschiedenen kleinen Cirkeln umher.
Schiller’s Freunde hatten sich am äußersten Ende des Platzes um einen Buchenstamm gesetzt, und man konnte erkennen, daß der Hauptmann dieses Grüppchen mit etwas mehr Freiheit begünstigte, als die anderen. Hier hielt endlich Heideloff sich nicht länger. „Nun heraus damit, Schiller! Ich brenne darauf schon den ganzen Weg her! Ich hoffe, Du hast Dein Versprechen nicht vergessen.“
„Ich dachte mir auch schon,“ sagte Dannecker mit herzlichem Ton, „daß Du es bei Dir hast.“
Schlotterbeck sah bittend, Kapf erwartend her, und Hoven bemerkte: „Höre, Fritz, der Augenblick ist wirklich geschickt dazu. Da drüben spielen Einige Fangens, Andere botanisiren in der Nähe herum, die Aufseher trinken; der Hauptmann läßt uns Zeit, ein wenig tiefer in’s Dickicht zu gehen und in Ruhe Dich lesen zu hören.“
„Wenn Ihr mögt –“ sagte Schiller, sich rasch erhebend, indem eine Röthe seine Wangen überflog.
Sie bogen ein in den Wald und schweigend gingen sie dem Holzweg eine Strecke’ nach. Unter einer Buchengruppe machte Schiller Halt. Er lehnte sich stehend an einen mächtigen Stamm und zog sofort das Manuskript seiner Räuber hervor. Rechts vor ihm stellte sich Dannecker vor einen anderen Baum, an dessen Seite sich Hoven und neben diesem Heideloff niederließ. Zur Linken von Schiller stimmte sich Schlotterbeck hinter ihm gegen denselben breiten Stamm, der des Dichters Rückenwand machte, und weiter vorn saß hier Kapf auf den Wurzeln einer Fichte, gegenüber von Heideloff.
Augenblicks war dieser Kreis geschlossen, und Schiller begann ruhig mit Erinnerung an das, was er den Cameraden schon mitgetheilt und theilweise vorgelesen. Dann trug er weitere Scenen vor, zwischen welchen er wieder Manches kurz erzählend ergänzte, das noch nicht ausgeführt war. Die Freunde folgten der Darstellung mit solcher Begierde, daß kein Laut sie unterbrach, wo nicht etwa Kapf sich von einem kühnen Witz oder einem drastischen Auftritt einen kurzen Ausruf entlocken ließ. Im Fortschritt zum vierten Act nahm Schiller’s Feuer im Lesen und die Spannung der Hörer zu. Es kam zu der nächtlichen Scene, wo Räuber Moor den Alten aus dem Gefängniß des Thurms hervorzieht und in dem schauerlichen Greis den todtgeglaubten Vater erkennt. Als Schiller die Anrede an ihn, die sich aus der furchtbar aufgewühlten Brust des Sohnes hervorkämpft, mit leidenschaftlicher Gewalt über seine glühenden Lippen dröhnen ließ, da zuckte unglaubliche Erschütterung durch die hingerissenen Freunde, und nach einem Augenblick des Entsetzens brachen unaufhaltsam die Ergüsse ihrer Bewunderung los.
„Kerl,“ rief Kapf, „Du hast in Deinem Papier Orkane, die einen umwerfen.“
„Aber,“ fuhr Hoven darein, „wie im Sturm der Blitz mit eins die ganze Landschaft in Gründen und Kanten erhellt, so flackt in diesen erschreckenden Handlungen eine hohe Schärfe der Wahrheit auf.“
„Ja,“ stammelte Dannecker, „groß, unwiderstehlich groß!“
Schiller stand anscheinend ruhig da, aber das Hämmern in seiner Brust verrieth die kochende Aufregung, in die sein eigenes Werk ihn hineingerissen. Gewiß labte sich sein Herz am Anblick der erschütterten Freunde, und wer weiß, ob je wieder ein Dichterlohn ihn so hoch erhoben, als der in diesem Waldwinkel. Dennoch war er der Erste, der vom herrlichen Augenblick der göttlichen Freude zum raschen Abschied rief. „Aber nun, Freunde, leise zurück,“ sagte er, „damit nicht auch Andere, als der Hauptmann, uns vermissen.“
„Da hab’ ich wahrhaftig,“ rief Schlotterbeck, „ganz vergessen, wo ich bin, und ich werde wie im Traum zurückkommen. Aber Du, Victor, hast Dein Taschenbuch auf dem Kniee gehabt. Hast Dir wohl Notizen gemacht für die Scene und skizzirst schon eine Dekoration?“
„Doch nicht,“ antwortete Heideloff, indem er sich vom Wurzelboden erhob; „denn so viel hab’ ich gemerkt: Das läßt sich mit keiner Decoratwn von Guibal, Scotti und Colomba in’s kleine Komödienhaus des Herzogs hineinbringen, es würde Wände und Decken, Bühne und Baldachinloge auseinandersprengen wie eine Bombe. Um so weniger kann ich diese Vorstellung im Walde, unsern engen schmelzend heißen Ring in dieser großen freien Scene vergessen, und darum hab’ ich mir geschwind mit zitternder Hand diesen Platz und Schiller in unserer Mitte stehend hier skizzirt.“
Alle, auch Schiller mit blinzenden Augen, steckten die erhitzten Köpfe über dem Blatt zusammen, über demselben Blatte, das jetzt vor den Augen unserer Leser liegt. Es ist eine theure Reliquie des Mannes, der damals als Jüngling für die Verbindung der Poesie und der Malerei schwärmte. Es ward mit rührender Pietät als ein Heiligthum bewahrt vom glücklichen Sohne eines solchen Vaters; es wird nicht entweiht dadurch, daß es endlich durch die Gartenlaube ein Eigenthum und ein Erinnerungsblatt an die stille kleine Wiege unserer großen Literatur für die ganze deutsche Nation wird.