Schatten des dunklen Ostens/Gespenster der Revolution

Die Burlaken Schatten des dunklen Ostens von Ferdynand Antoni Ossendowski
Gespenster der Revolution
Das Ende der Romanow in der mystischen Bewegung
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Gespenster der Revolution.


Rußland, dieses unendlich große Reich mit seiner Heeresmasse von 150 Millionen halbwilder Menschen, mit seinem politischen Chaos, dem ewig erbitterten Kampfe zwischen Revolution und Reaktion und der Dumpfheit der Geister ist von jeher dem dunklen, zerstörenden Element reiche Ausbeute gewesen.

Die vollständige Demoral des Reiches mußte die unausbleibliche Folge werden.

Der Egoismus der Parteien steht heute vor der Leiche des Reiches.

Ein Pobiedonowcew, ein Kurlow, Rasputin, Pimen, Heliodor und wie sie alle heißen, konnten nur gedeihen zwischen den Schlachten der Konservativen mit der immer mächtiger werdenden Revolution.

Kerenski, Marinowskj, Boris Sawinkow und die markante Maria Spiridonowa waren mit dem Geist ihrer Revolution ebenso die Totengräber Rußlands wie die eben erwähnten Charlatane des Zarentums.

Der bekannte revolutionäre Publizist Burcew hatte seinerzeit in russischen wie in französischen Blättern die Verderblichkeit dieser einzelnen Revolutionsparteien mehr als gründlich beleuchtet und gebrandmarkt.

Da war der Oberprokurator des Synods, Konstantin Pobiedonowcew, einer der bösesten und schwärzesten Dämone Rußlands, ein Mensch, der den bürokratischen Gedanken der Regierung auf die äußerst reaktionärste Weise ausführte, in der Absicht, das Volk in geistiger Umnachtung, Knechtschaft und Unterwürfigkeit vor dem Zaren, der Kirche und Beamtenschaft festzuhalten.

Pobiedonowcew hat so manche Anregung, manchen gesunden, aufgeklärten Staatsgedanken zunichte gemacht, viele ungewöhnliche Menschen zugrunde gerichtet.

Pobiedonowcew nannte man nicht mit Unrecht den „Großinquisitor“.

Vor diesem Oberprokurator des Synods haben Metropoliten, Bischöfe und alle Prioren der Klöster gezittert. Er wußte die orthodoxe Kirche zu einer Kanzlei der Geheimpolizei zu verwandeln, dadurch den Einfluß der Kirche in Rußland zu vernichten und den Zorn des Volkes gegen Kirche und Geistlichkeit zu entflammen.

Diesem düsteren, schwarzen Großinquisitor steht die andere furchtbare Gestalt des Generals Kurlow, des Chefs des Gendarmeriekorps und Vizeministers des Innern würdig zur Seite. Er war Oberhaupt der politischen Geheimpolizei, der berüchtigten „Ochrana“.

Die Bestechungen revolutionärer Parteimänner, die gemeinsten Pressionen auf Persönlichkeiten, die den liberalen Strömungen huldigten, die Torturen für politische Häftlinge, die Pogromorganisationen gegen Polen, Letten, Finnen und Juden, die abertausend Todesurteile, die Spionagen aller Art, die Knebelung der Presse usw. usw., das waren alles die Heldentaten dieses Generals Kurlow.

Er schien unsterblich zu sein. Keine Veränderung in den Ministerien und in den inneren politischen Richtungen konnten Kurlow etwas anhaben, da er immer an der Spitze des Gendarmeriekorps stand, das die größte Macht in Rußland war und jeden beliebigen Minister zu stürzen vermochte.

In der Kanzlei der „Ochrana“ befand sich eine spezielle Abteilung für genaue Kontrolle über Worte und Taten der Minister und anderer Würdenträger, ja die Großfürsten sogar blieben von dieser Aufsicht nicht verschont. Die Ungnade, der die Familie des berühmten Dichters und Präsidenten der Akademie der Wissenschaften, des Großfürsten Konstantin Konstantinowitsch, verfiel, war ebenso das Werk von Kurlow und seiner Geheimpolizei wie der Sturz des berühmten Großfürsten Nikolaj Michajlowitsch.

Kurlow brachte es zuwege, die revolutionären Gruppen und Organisationen mit Hilfe der durch ihn bestochenen Spitzel auseinanderzureißen und ihrer Geheimdokumente Herr zu werden. Von diesem Augenblicke an waren die gedungenen Spitzel Spielpuppen in seinen Händen, die sich als Verräter von ihm nimmermehr befreien konnten. Ein solcher Verräter wurde mit jedem Jahre zu immer größeren Verbrechen gezwungen, da er wußte, daß, falls sein Verrat seiner Partei zu Ohren kommen sollte, er unausbleiblich durch das revolutionäre Gericht dem Tode verfiele.

Lopuchin, Direktor des Polizeidepartements, versuchte einigemale Kurlow zu überzeugen, daß diese provokatorische Politik zum Verderben führen müsse, da sie demoralisierend auf das ganze Regierungssystem wirke und keine Sicherheit gebe, daß die Polizei selbst einmal auf dieselbe Weise bestochen sein könnte. Er fürchtete auch das Bekanntwerden dieser Tätigkeit der Geheimpolizei, die, falls sie in die ausländische Presse käme, den schlimmsten Eindruck bei Verbündeten und Feinden hervorrufen müßte und dadurch auch die innere politische Lage Rußlands gefährden könnte.

Besonders war Lopuchin gegen die Beziehung Kurlows mit einem gewissen Azef, der, trotzdem er Agent im Dienste der Ochrana war, sich gleichzeitig zum hervorragenden und einflußreichen Mitgliede der revolutionären russischen und ausländischen Kreise herausbildete. Lopuchin fürchtete dadurch die Möglichkeit internationaler Verwicklungen, da sich die Tätigkeit Azefs auch auf politische ausländische Angelegenheiten erstreckte. Lopuchin wurde aber gezwungen, seine Demission einzureichen. Der bekannte Publizist Burcew machte darnach in der französischen und russisch-ausländischen Presse eine Reihe Revelationen über die Rolle, die Azef bis jetzt gespielt hatte. Der Skandal war betäubend, doch leider war er zu spät gekommen. Die revolutionären Parteien waren in Wirklichkeit schon bis zum Grund zerschlagen, sei es durch Arreststrafen, die infolge eines Hinweises von Azef verhängt worden sind, sei es durch das gegenseitige Mißtrauen, den herrschenden Verdacht und die allgemeine Demoralisation, an der alle Organisationen, die faktisch durch Azef geführt worden sind, gelitten haben.

Damals ist eine revolutionär-sozialistische Spaltung entstanden, die die innere Organisation änderte und nach ein paar Jahren auf der Weltbühne unter dem Namen Bolschewismus und dann Kommunismus aufgetreten ist.

Der bekannte Führer der Arbeiterschaft während der Revolutionszeit im Jahre 1903, der Pope Gapon, war auch ein Werkzeug der politischen Geheimpolizei gewesen und er war es, der die enthusiasmierte Menge, die den Zaren um Konstitution anflehte, vor das Winterpalais in Petersburg brachte, wo sie von den Regimentern des Generals Trepow auseinandergestampft worden ist.

Dieser Pope Gapon, dieser vergeistigte Prediger und Sozialist, das Idol der Arbeiterkreise, war eben ein solcher Agent des Generals Kurlow, der für Judaspfennige Hunderte ihm im Glauben ergebener und wehrloser Arbeiter in den Tod geführt hat. Die Ochrana hat ihm dann später geholfen, sich in Finnland im Verborgenen zu halten, bis das revolutionäre Gericht ihn dort gefunden hat und ihn in seinem einsamen Häuschen in Terjoki durch den Ingenieur Rutenberg erhängen ließ.

Neben diesen Gespenstern der Reaktion arbeiteten in denselben Kreisen viele andere Persönlichkeiten, die wiederum Agenten der Revolution waren.

Eine von ihnen war der alte Philosoph-Anarchist Solnzow, ein Skeptiker und Zyniker zugleich. Er wurde in einigen russischen belletristischen Büchern auf sehr sympathische Weise beschrieben. Solnzow hatte sich nie gefürchtet, seine äußerst freisinnigen Überzeugungen offen zu bekennen, da er es aber immer in so überschwenglicher Weise tat, so hat man ihn als Sonderling betrachtet und nie als politische Persönlichkeit ernst angesehen.

Ich habe Solnzow einigemale bei Zusammenkünften im Hause des Redakteurs der „Historischen Stimmen“, B. Glinskij, getroffen. Er hat damals so ausgesprochen anarchistische Anschauungen zum besten gegeben, hat so viel Zynismus in Gesellschafts- und Religionsfragen an den Tag gelegt, daß der Beiname „alter Sonderling, Diogenes“ vollständig berechtigt zu sein schien.

Wie war die Allgemeinheit in Staunen versetzt, als beim Ausbruche der Revolution im Jahre 1917 sich dieser „Diogenes“ als Führer einer ausgezeichnet organisierten anarchistisch-kommunistischen Armee entpuppte und als unter seiner Führung die Palais der Fürsten Leuchtenberg, der Balletteuse Kreschinski, das Palais Durnow im Sturme erobert wurden, wobei Polizei und Militär diesem Angriff machtlos gegenüberstanden. Im Dezember des Jahres 1918 hat derselbe Solnzow die Bolschewiken „Reaktionäre“ genannt und ihnen den Kampf angesagt. In Moskau haben tatsächlich Abteilungen von Anarchisten, die eine Artillerie besaßen, während zweier Tage die Herrschaft an sich gerissen, wurden aber gezwungen, ein Kompromiß zu schließen und sich mit Sowjet zu einigen.

Der richtige Name Solnzows ist — Bleidtmann.

Ein zweiter unbekannter Anhänger des Bolschewismus war der reiche, gebildete Verleger von Büchern aus der Soziologie, Geschichte und Psychologie, Herr W. Bonisch-Brujewitsch. Der Bruder dieses Revolutionisten, ein General des Generalstabes, war eine Zeit das Haupt der russischen Armee während der ersten revolutionären Regierung.

Bontsch-Brujewitsch war ein sehr gerne gesehener Gast in den besten Kreisen der Petersburger Gesellschaft, ebenso in den Zirkeln der höheren Petersburger Offiziere und in den Häusern der würdigsten russischen Intelligenz. Er kannte alle, wußte über alles Bescheid, da er als dazugehörend angesehen wurde als alter Edelmann, als Intelligenzler im vollsten Sinne des Wortes und eine äußerst einnehmende Persönlichkeit war. Währenddessen war er der geheime Anführer des extremen, dem Staate feindlichen Teiles des Sozialismus, der schon an den Anarchismus grenzte.

Bei Brujewitsch hielt sich während der Revolution im Jahre 1905 der jetzige Diktator Rußlands, Leon Trotzki-Braunstein, verborgen, als er damals Vizepräsident des Arbeiter- und Soldatenrates war. Brujewitsch leitete ungesehen und geheimnisvoll die Arbeiten des Krustalow-Nosari, des Präsidenten dieses Rates, schon damals in die Richtung des Maximalismus und bereitete dadurch die Bolschewikenpartei vor.

Der Herr des Hauses bewirtete im Smoking in seinem prunkvoll eingerichteten Herrenzimmer die Gäste mit Kaffee, Likör und Zigarren, während in den weiteren Zimmern eine graue, rachlustige Menge der späteren Diktatoren Beratungen abhielt und ihr System vorbereitete, um das zaristische, bürgerliche und später sozialistische Rußland zu vernichten.

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