Textdaten
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Autor: Lukian von Samosata
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Titel: Saturnalische Briefe
Untertitel:
aus: Lucian’s Werke, übersetzt von August Friedrich Pauly, Vierzehntes Bändchen, Seite 1677–1692
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 2. Jahrhundert
Erscheinungsdatum: 1831
Verlag: J. B. Metzler
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Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer: August Friedrich Pauly
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[1677]
Saturnalische Briefe.
1. Ich an den Saturn.
Meinen Gruß zuvor!

19. Schon früher habe ich dir in einem Briefe meine Lage geschildert, und dir berichtet, daß meine Armuth mich bedroht, an dem Feste, welches du angekündigt hattest, allein keinen Antheil nehmen zu können; auch erinnere ich mich noch recht wohl, dir vorgestellt zu haben, wie ungereimt es sey, daß Einige von uns Geld im Ueberflusse haben, und in Wohlleben schwelgen, ohne von ihrem Besitze den Aermeren mitzutheilen, während doch Diese vor Hunger zu Grunde gehen, und das im Angesichte der Saturnalien! Weil nun mein damaliger Brief ohne Antwort geblieben, so halte ich es nicht für überflüssig, dir denselben ins Gedächtniß zurückzurufen. – Du solltest doch wohl diese Ungleichheit aufheben, bester Saturn, und, bevor du zur Feier deines Festes aufforderst, den Reichthum zum Gemeingut Aller machen. Denn, wie die Sachen jetzt stehen, sind wir, mit dem Sprüchwort zu reden, entweder Ameise oder Kamel. Stelle dir einmal einen Schauspieler vor, der mit dem einen Fuße auf [1678] dem hohen tragischen Cothurn stände, und an dem andern nicht einmal einen Schuh hätte. Wenn er nun ginge, so müßte er bald hoch bald klein werden, je nachdem er auf den einen oder den andern Fuß träte. Siehst du, Dasselbe ist es mit der Ungleichheit in der Welt. Die Einen auf ihren Cothurnen, die ihnen das Glück gegeben, thun groß gegen uns, während wir Andern, die bei Weitem größere Mehrzahl, mit den bloßen Füßen auf der Erde wandeln, wiewohl wir vielleicht eben so gut die Großen spielen und hoch einherschreiten könnten, wenn man uns eben so, wie Jene, ausstaffirt hätte.

20. Wiewohl, ich höre von den Dichtern sagen, daß es vor Alters, als du noch die Alleinherrschaft hattest, anders gewesen sey unter den Menschen. Die Erde lieferte alles Gute die Fülle, und Jeder hatte, ohne zu pflügen und zu säen, seine reichliche Mahlzeit. Ganze Ströme floßen von Wein und von Milch, etliche sogar von Honig. Und was das Erstaunlichste ist, die Menschen sollen leibhaftig aus lauterem Golde gewesen seyn, und nie auch nur das Geringste von Armuth verspürt haben. Wir hingegen können wohl nicht einmal für Blei gelten, sondern stellen sogar noch etwas Schlechteres vor. Die Meisten können nur mit Mühe und Arbeit ihr Brod erlangen, und bei uns Armen ist Nichts zu finden als Hunger, Noth und Rathlosigkeit, und Nichts zu hören als Ach und Weh, und „Woher nehmen wir Brod?“ und „O des harten Schicksals!“ Wir würden uns über unseren Mangel weniger grämen, wenn wir nicht die Glückseligkeit mit ansehen müßten, in welcher die Reichen ihre Tage verleben, wenn wir nicht wüßten, [1679] wie viel Gold und Silber sie in ihre Kisten einsperren, wie viele kostbare Gewänder, Sclaven, Pferde, Dörfer und Landgüter sie haben. Und wiewohl sie dieses Alles im Ueberfluß besitzen, wollen sie gleichwohl uns nicht nur Nichts davon mittheilen, sondern würdigen die Meisten von uns nicht einmal eines Blickes.

21. Muß es uns nicht verdrießen, Saturn, muß es uns nicht ganz unerträglich seyn, daß der Eine das Recht haben soll, auf Purpurpolstern in allen Genüssen zu schwelgen, seinen Magen zu überladen, und von Jedermann glücklich gepriesen zu werden, daß er alle Tage Feiertag habe – daß hingegen ich und meines Gleichen auch im Traum mit nichts Anderem umgehen soll, als wo vier Obolen herkommen werden, um unseren Magen mit Brod oder Gerstengraupen, und zur Zukost mit etwas Kresse, Zwiebeln oder Quendelsalat zu beschwichtigen? Also eines von Beiden, Saturn! Entweder ändere diesen Zustand, und stelle die alte Gleichheit wieder her; oder gebiete wenigstens jenen reichen Herren, daß sie selbst aufhören, ihre Schätze allein genießen zu wollen, und von den vielen Scheffeln Goldes, welche sie haben, wenigstens ein Metzchen unter uns auswerfen, und von ihren vielen Kleidern wenigstens diejenigen an uns kommen lassen möchten, welche sonst die Motten zerfräßen, ohne daß sie sich darum bekümmerten. Es ist doch vernünftiger, Dinge, welche jedenfalls mit der Zeit verderben würden und zu Grunde gingen, uns zu schenken, als sie in ihren dumpfigen Kisten und Schränken vermodern zu lassen.

22. Auch befiehl ihnen, daß sie uns zu Tische ziehen, und daß Jeder immer wenigstens vier bis fünf Arme an seiner [1680] Tafel habe, aber nicht so, wie sie heut zu Tage gewöhnlich solche Gäste behandeln, sondern auf eine humanere Weise, so daß nämlich Alle gleiche Theile erhalten, und der Bediente nicht vor dem Herrn allein mit der Schüssel stehen bleibt, bis Dieser so viel eingeführt hat, daß er nicht mehr kann, dann aber an uns, die wir mit schon ausgestreckter Hand auf die Schüssel warten, mit der leeren vorübergeht oder uns das elende Restchen zeigt, das darin geblieben; auch nicht, daß, wenn ein Wildschwein aufgetragen wird, der Vorschneider gleich die ganze Hälfte sammt dem Kopfe dem Hausherrn vorlege, während an uns Andere ein Paar eingewickelte Knochen kommen. Und den Mundschenken wäre die Weisung zu geben, nicht zu warten, bis Jeder von uns siebenmal zu trinken verlangt hat, sondern gleich beim ersten Zeichen unverweilt einzuschenken und zwar in einen eben so großen Becher, wie dem Herren des Hauses selbst. Alle Gäste aber sollten ohne Ausnahme einen und denselben Wein bekommen: oder wo steht geschrieben, daß nur er von süß duftendem Rebensafte seine Räuschchen solle trinken dürfen, daß ich hingegen von gährender Säure die Eingeweide mir zerfressen lassen müsse?

23. Wirst du nun, o Saturn, diese Mißverhältnisse wieder ins Gleiche bringen, so wird das Leben erst wieder Leben, dein Fest erst wieder ein Fest werden. Wo nicht, nun so mögen sie ihre Saturnalien feiern: wir werden zu Hause sitzen, und wünschen, daß, wenn sie nach dem Bade zur Tafel kommen, der Bediente ihnen die große Amphora umwerfe und zerbreche, der Koch die beste Brühe anbrennen lasse, und aus Unachtsamkeit die Häringe in das Linsengericht [1681] werfe, der Hund in die Küche komme, und, während die Köche mit anderen Dingen beschäftigt sind, die ganze Wurst und die halbe Pastete auffresse, und daß das Wildschwein, der Hirsch und die Ferkel in währendem Braten es machen, wie Homer von den Sonnenrindern erzählt, und nicht nur davon kriechen, sondern sammt den Bratspießen spornstreichs ihren Wäldern zulaufen möchten; wie auch, daß die gemästeten Hühner, wiewohl schon gerupft und zugerichtet, gleichfalls auf und davon flögen, um nicht von diesen Mißgünstigen allein aufgespeist zu werden.

24. Und was sie am Meisten verdrießen wird, Ameisen von der Gattung der Indischen möchten in ihre Schatzkammern sich eingraben, und des Nachts ihr Gold auf die Straße heraustragen, und ihre Kleider aus Nachlässigkeit der Aufseher von den Mäusen so gänzlich durchgefressen werden, daß man sie für Siebe oder Fischernetze halten könne. Und endlich ihre blühenden schön gelockten Lustknaben, ihre Hyacinthe, Achille, Narcisse, wie sie sie nennen, sollen in demselben Augenblicke, wo sie ihnen den Becher reichen, plötzlich ihre üppigen Haare verlieren, und als häßliche Kahlköpfe vor ihnen stehen: dafür soll ihnen ein spitziger Bocksbart wachsen, wie die keilförmigen Bärte der komischen Masken, und struppicht und stechend bis an die Schläfe sich hinaufziehen, wo spärliche Haare die große nackte Glatze begränzen. Dieses und noch Aergeres werden wir ihnen wünschen, wenn sie sich nicht entschließen werden, ihrer unmäßigen Selbstsucht zu entsagen, und, indem sie auch uns einen billigen Antheil an ihrem Ueberflusse zukommen lassen, zum allgemeinen Besten reich zu seyn.

[1682]
2. Saturn an mich, „seinen Werthgeschätztesten.“

25. Welche sonderbare Grille, mein Freund, an mich wegen des dermaligen Zustandes auf der Erde zu schreiben, und eine gleiche Vertheilung der Güter von mir zu verlangen, was doch eines ganz Andern, nämlich des jetzigen Regenten, Sache wäre! Solltest du wirklich nicht wissen, daß ich zwar vorlängst König der Welt war, aber nach Vertheilung des Reiches unter meine Söhne mich in den Ruhestand versetzt habe, und daß es nun Jupiter ist, dem die Sorge für solche Dinge obliegt? Was mich angeht, beschränkt sich blos auf das Würfelspiel, das Schwärmen, Singen und Trinken, und auch dieses nur während sieben Tagen. Ueber jenes Wichtigere also, wovon du sprachst, nämlich über die Aufhebung aller Ungleichheit, und daß Alle entweder gleich arm oder gleich reich seyn sollten, darüber wird euch wohl Jupiter seinen Bescheid geben. Wofern aber Einer im Genusse des Festes beeinträchtigt oder verkürzt werden sollte, in solchem Falle kommt das Rechtsprechen mir zu. Auch erlasse ich gegenwärtig ein Schreiben an die Reichen wegen der Gastmähler, zu welchen sie euch während des Festes laden, und wegen des Metzen Gold und der Kleider, welche sie euch zuschicken sollen. Denn es ist allerdings, wie ihr sagt, recht und billig, daß sie solches thun; es wäre denn, daß sie eine gegründete Einwendung dagegen zu machen hätten.

26. Uebrigens sollt ihr wissen, ihr armen Leute, daß ihr euch sehr täuschet und die Lage der Reichen ganz nicht richtig beurtheilet, wenn ihr der Meinung seyd, daß dieselben [1683] nach allen Theilen glücklich, und die Einzigen seyen, welche ein angenehmes Leben führen, weil sie kostbare Tafeln halten, in lieblichen Weinen sich berauschen, blühende Knaben und Mädchen bei sich haben und weiche Kleider tragen können. Die wahre Beschaffenheit ihrer Lage kennet ihr nicht. Ihre Sorgen um aller dieser Dinge willen sind wahrlich nicht gering. Fürs Erste müssen sie Tag und Nacht die wachsamste Aufsicht über alles Einzelne führen, daß der Hausverwalter Nichts vernachlässige oder veruntreue, daß ihre Weine nicht abstehen, ihr Getreide sich nicht in Kornwürmer verwandle, daß kein Dieb ihre goldenen Becher hole, daß das Volk nicht der Verläumdung Glauben schenke, als ob sie seine Freiheit unterdrücken wollten. Und doch ist alles Dieses der bei Weitem kleinste Theil des Verdrießlichen, was sie plagt. Gewiß, wenn euch alle die Beängstigungen und Schrecknisse bekannt wären, welche im Gefolge der Reichthümer sind, ihr würdet weit davon fliehen!

27. Oder, wenn es eine so schöne Sache wäre, reich und mächtig zu seyn, glaubst du wohl, ich wäre je so verrückt gewesen, alles Dieses aufzugeben und Anderen zu überlassen, einem Höheren mich unterzuordnen und als bloßer Privatmann müßig zu sitzen? Nein, weil ich das viele Ungemach, welches mit Reichthum und Herrschaft unvermeidlich verbunden ist, zu gut kannte, habe ich meiner Regierung mich weislich begeben.

28. Und weil du dich darüber beschwertest, daß Jene sich mit Wildpret und Pasteten mästen, während ihr sogar an Festtagen Nichts zu nagen habt, als Kresse, Knoblauch und Zwiebeln, so laß dir sagen, wie sich’s damit verhält. [1684] Das Eine von Beiden[1] mag für den ersten Augenblick allerdings das Angenehmere und Behaglichere seyn; allein hintennach ist es gerade das Umgekehrte. Da stehet ihr des Morgens nicht mit schwerem Kopfe auf, wie Jene nach ausgeschlafenem Rausche, und seyd frei von den übelriechenden und ranzigten Dünsten, welche überfüllten Mägen entsteigen: das ist der Antheil der Reichen, die noch überdieß, indem sie den größten Theil der Nacht in allen den Wollüsten sich wälzen, zu welchen ihr geiler Kitzel sie treibt, Schwindsucht, Lungenentzündung oder Wassersucht durch das Uebermaß ihrer Genüsse sich zuziehen. Oder wo könntest du mir Einen von ihnen zeigen, der nicht eine wahre Leichenfarbe trüge? Der nicht, zu höheren Jahren gelangt, statt auf eigenen Füßen zu gehen, auf vier fremden sich fortschleppen lassen müßte? und der nicht, obwohl lauter Gold von außen, von innen wie die Kleider der Komödianten aus den armseligsten Lappen zusammengeflickt wäre? Ihr bekommt zwar keine kostbaren Fische zu kosten. Aber seht ihr nicht, daß ihr dafür auch nicht wisset, was Podagra, Brustleiden und andere dergleichen Dinge sind; sie müßten denn euch nur aus irgend einer sonstigen Ursache zustoßen? Und überdieß sind sie nicht einmal im Stande, jene Leckerbissen täglich und bis zur Uebersättigung zu sich zu nehmen; sondern man sieht sie bisweilen nach euren Zwiebeln und eurem derben Salat mit einer Begierde greifen, welcher die eurige nach Hasen und Wildschweinen nicht gleich kommt.

[1685] 29. Ich übergehe so vieles Andere, was ihnen Verdruß macht: bald ein ungerathener Sohn, bald die Gemahlin, die in einen Bedienten verliebt ist, bald ein Liebling, der mehr, weil er muß, als weil es ihm Freude macht, Gesellschaft leistet. Kurz es ist Dessen gar zu viel, was ihr nicht wisset; und so seht ihr nur ihr Gold, ihre Purpurkleider, und sperret die Mäuler auf und bückt euch voller Ehrfurcht, wenn sie mit ihren milchweißen Gespannen dahergefahren kommen. Würdet ihr dagegen thun, als ob ihr sie nicht sähet, und keinen Blick auf ihre versilberten Wagen werfen, auch nicht, während ihr mit ihnen sprechet, die Augen auf den großen Smaragd an ihrem Finger heften und die Feinheit und Weichheit ihres Gewandes anstaunen, sondern würdet ihr sie nur für sich allein reich seyn lassen: glaube mir, sie würden von selbst kommen und euch bitten, mit ihnen zu speisen, damit sie euch ihre Polster, ihre Tafeln und Geschirre zeigen könnten, deren Besitz ihnen Nichts nützte, wenn sie keine Zeugen hätten.

30. Ihr würdet finden, daß sie sich ihre Kostbarkeiten meist nur um euretwillen anschaffen, nicht um sie selbst zu genießen, sondern damit ihr sie bewundern möchtet. Dieses sage ich euch zum Troste, der ich die eine wie die andere Lebensart kenne, und fordere euch auf, das Fest mit dem Gedanken zu begehen, daß für Alle in Kurzem die Zeit kommen wird, aus der Welt zu gehen, für Jene, um ihren Reichthum, für euch, um eure Armuth zurückzulassen. Uebrigens werde ich, wie ich versprochen, auch an sie ein Schreiben absenden, und ich bin gewiß, daß sie den Inhalt desselben nicht unberücksichtigt lassen werden.

[1686]
3. Saturn an die Reichen.

31. Die Armen haben sich neulich in einem Schreiben an mich gewendet, worin sie sich über euch beschweren, daß ihr an euern Glücksgütern dieselben nicht Theil nehmen lasset, und am Ende von mir verlangen, Alles unter Alle gleichmäßig zu vertheilen, damit nicht, was höchst unbillig sey, der Eine zu viel von den Genüssen des Lebens, der Andere gar Nichts zu kosten kriege. Ich erwiederte ihnen, daß Jupiter hierüber am Besten zu erkennen wüßte. Was hingegen die gegenwärtige Festfeier und die Ungerechtigkeiten betrifft, welche sie dabei von euch zu erleiden glauben, so finde ich, daß darüber zu urtheilen mir zusteht und versprach daher, an euch deßwegen zu schreiben. Ihr Begehren ist bescheiden und billig, wie mir scheint. Wie sollen wir, sagen sie, von Hunger und heftiger Winterkälte, wie die gegenwärtige, geplagt, noch Lust haben, ein fröhliches Fest zu feiern? Wollte ich also, daß auch sie Antheil daran haben sollen, so möchte ich euch nöthigen, ihnen von euren Kleidungsstücken diejenigen zukommen zu lassen, welche euch etwa entbehrlich, oder zu gemein und grob für euch wären, auch mit eurem Ueberfluß an Geld sie etwas Weniges zu beträufeln. Würdet ihr dieß thun, so würden sie unterlassen, vor dem Richterstuhle des Jupiter eure Reichthümer euch streitig zu machen; wo nicht, so drohen sie, an dem nächsten Gerichtstage, welchen Jupiter ansagen lassen würde, auf eine gleichmäßige Vertheilung dringen zu wollen. Dieses Wenige nun von dem Vielen zu spenden, was ihr so glücklich seyd zu besitzen, kann euch wohl nicht schwer werden.

[1687] 32. Ueberdieß baten sie, ich möchte in meinem Schreiben auch eurer Schmäuse erwähnen, an welchen sie Theil zu nehmen wünschten, indem sie sich beklagen, daß ihr es euch bei verschlossenen Thüren wohl seyn lasset, und daß, wenn es euch je einmal gefällt, Einige von ihnen beizuziehen, für Diese des Verdrüßlichen mehr als des Angenehmen damit verbunden sey, indem sie meistens die demüthigendste Behandlung erfahren. Wie gemein ist es zum Beispiel, daß sie nicht von demselben Wein, den ihr trinket, bekommen sollen! Sie verdienen wahrlich scharfen Tadel, wenn sie nicht ohne Weiteres aufstehen und euch sammt eurer ganzen Mahlzeit sitzen lassen. Und nicht einmal genug zu trinken bekommen sie. Eure Mundschenken haben, wie die Gefährten des Ulysses, Wachs in den Ohren. Auch die ganze übrige Begegnung ist so schmählich, daß es mich anwidert, Alles anzuführen, worüber sie sich bei mir beschwert haben, z. B. die Art, wie es mit dem Vertheilen der Fleischportionen zugeht, das Benehmen der Aufwärter, die bei euch stehen bleiben, bis ihr euch über Gebühr angefüllt habt, bei ihnen hingegen schnell vorbeirennen, und was dergleichen Knausereien mehr sind, die am allerwenigsten Männern von guter Geburt anstehen. Die erste Bedingung geselliger Lust ist doch wohl, daß alle Gäste gleich geehrt seyen; und der Isodätes [Austheiler] führt ja deßwegen den Vorsitz bei euern Gelagen, damit Einer erhalte was der Andere.

33. Ihr habt also darauf zu sehen, daß sie in Zukunft diese Klagen nicht wieder gegen euch erheben, sondern daß ihr durch Mittheilung einer Kleinigkeit ihre Achtung und Liebe gewinnet. Denn während für euch ein solcher Aufwand [1688] nicht einmal fühlbar wäre, würde ihnen eine Gabe, im Augenblicke des Bedürfnisses empfangen, unvergeßlich seyn. Ihr seyd dazu um so mehr verpflichtet, da ihr ja keineswegs in euern Städten so viel gelten würdet, wenn ihr keine armen Mitbürger neben euch hättet, und wenn die Armen nicht so vielfältig für euer Vergnügen thätig wären. Und was hättet ihr für Bewunderer eures Reichthums, wenn ihr ihn nur für euch allein und im Dunkeln besitzen wolltet? Vielmehr recht Viele sollen eure Tafeln und euer Silbergeschirr sehen und bewundern, sollen beim Trinkgelage euch Bescheid thun, und unter dem Trinken den herrlichen Pocal anstaunen, seine Schwere wägen, und die Bedeutung der vielen künstlich eingelegten goldenen Bilder sich erzählen lassen. Dadurch erwerbet ihr euch das Lob, gute und menschenfreundliche Leute zu seyn, und sichert euch vor der Mißgunst. Denn Wer wird einem Manne, der gerne mittheilt, das Seinige nicht gönnen? Wer wird ihm nicht gerne das längste Leben im Genusse seiner Güter wünschen? Aber so, wie es jetzt ist, habt ihr keine Zeugen eures Glückes; euer Reichthum ist ein Gegenstand des Neides, und euer Leben ohne Lust.

34. Denn es ist doch wohl nicht der gleiche Genuß, ob man wie ein ungeselliges Raubthier so allein dasitzt und sich mästet, oder ob man artige Leute um sich hat, die Alles aufbieten, um sich gefällig zu machen, und dafür sorgen, daß keine langweilige Stille beim Gastmahl eintrete, sondern daß sie angemessene Tischreden, unschuldige Scherze, lustige Einfälle, kurz jene angenehme Art der Unterhaltung zur Hand haben, welcher Bacchus, Venus und die Grazien befreundet [1689] sind – und die am folgenden Tage aller Welt erzählen, wie gefällig und artig ihr seyd, und dadurch nicht wenig beitragen werden, euch überall beliebt zu machen. Wahrlich es sollte sich verlohnen, solche Leute um viel Geld zu erkaufen.

35. Gesetzt, die Armen gingen mit verschlossenen Augen an euch vorüber, gesteht, ob es euch nicht verdrießen würde, Niemanden zu haben, dem ihr eure purpurnen Kleider, eure zahlreiche Dienerschaft, eure großen und schweren Ringe zeigen könntet? Nicht zu gedenken, daß Haß und Nachstellungen von Seiten der Armen euch unvermeidlich treffen werden, wenn ihr alle Genüsse für euch allein behalten wolltet. Die Flüche, die sie über euch auszusprechen drohen, sind schrecklich, und es sey ferne, daß ihr sie nöthiget, sie wirklich auszusprechen! Denn alsdann würdet ihr weder Würste noch Pasteten zu kosten kriegen, außer was etwa der Hund übrig gelassen hätte. Das Linsengericht würde euch mit Häringslake versalzen werden: das Wildschwein und der Hirsch im währenden Braten aus der Küche wieder in ihren Forst laufen, und die Rebhühner, wiewohl schon gerupft, dennoch aufflattern und den armen Gesellen in die Hände fliegen. Und, was das Traurigste wäre, die blühendsten eurer Mundschenken würden in Einem Augenblicke zu häßlichen Kahlköpfen werden, und noch obendrein den größten Weinkrug zur Erde fallen lassen. Dieß ists, was ich euch zu bedenken gebe. Thut sonach, was an diesem meinem Feste sich geziemt, und was euch selbst das Zuträglichste ist. Erleichtert diesen Leuten ihre schwere Armuth, und ihr werdet mit geringem [1690] Aufwand an ihnen keine zu verachtende Freunde euch erwerben.

4. Die Reichen an Saturn.

36. Du glaubst also wirklich, Saturn, nur an dich allein wäre von den Armen ein solches Schreiben ergangen? Als ob sie nicht auch schon Jupitern die Ohren übertäubt hätten mit ihrem unaufhörlichen Geschrei um gleichmäßige Vertheilung, und mit ihren Klagen über das Schicksal, das so ungleich getheilt habe, und über uns, daß wir ihnen Nichts zukommen lassen wollen? Aber Jupiter weiß, eben weil er Jupiter ist, an Wem die Schuld liegt, und deßwegen gibt er ihnen kein Gehör. Weil du jedoch dermalen unser Gebieter bist, so wollen wir dir gebührend Rede stehen. In selbsteigenem Betracht alles Dessen, was du uns geschrieben, daß es schön und billig sey, mit unserem Ueberflusse den Bedürftigen zu Hülfe zu kommen, und daß es nur zu unserem Vergnügen gereichen könne, auch die Aermeren in unsere Gesellschaft zu ziehen, und an unseren Mahlzeiten Theil nehmen zu lassen, haben wir dieß jederzeit zu thun uns beflissen und haben eben deßwegen Isodäten aufgestellt, damit auch Derjenige keinen Grund zu klagen hätte, der aus ihrer Mitte über die Gleichheit zu wachen hat.

37. Allein diese Leute, die anfänglich nur gar wenig zu bedürfen vorgaben, haben, sobald wir ihnen unsere Thüren öffneten, nicht aufgehört, eine Forderung um die andere zu machen; und wenn sie nicht Alles sogleich und aufs erste Wort erhielten, wurden sie erbost und waren alsbald mit Lästerungen bei der Hand. Mochten sie jetzt noch so arg [1691] über uns lügen, man glaubte ihnen dennoch, weil man meinte, daß sie als unsere gewesenen Gesellschafter uns am Genauesten kennen müßten. Es blieb uns also nur die Wahl, entweder ihnen Nichts zu geben und sie dadurch zu unseren Feinden zu machen, oder ihnen Alles zu überlassen und in Kurzem selbst zu Bettlern zu werden.

38. Und nun vollends ihr Betragen an unseren Tafeln! Nicht zufrieden, den Wanst sich voll zu stopfen und über Genüge zu trinken, unterließen sie nicht, wenn irgend ein hübscher Junge ihnen den Becher reichte, ihm verstohlen die Hand zu drücken, oder gegen eine Gesellschafterin des Hausherrn oder gar gegen seine Gemahlin zudringlich zu werden. Am Ende spieen sie uns noch die ganze Tafel voll, und nichts desto weniger zogen sie des anderen Tages über uns los und schimpften, daß wir sie Hunger und Durst hätten leiden lassen. Solltest du etwa glauben, daß wir ihnen Unrecht thun, so erinnere dich nur an euern ehemaligen Tafelgenossen Irion, den saubern Gast, der zum Danke für die Ehre, mit euch an Einer Tafel sitzen zu dürfen, im Rausche einst der Juno zu Leibe wollte.

39. Diese und ähnliche Gründe sind es, die uns zu dem Entschlusse bestimmten, um unserer eigenen Sicherheit willen diesen Menschen unsere Wohnungen in Zukunft nicht mehr zu öffnen. Wollten sie jedoch während der Dauer deiner Herrschaft sich verbindlich machen, nur bescheidene Bitten, dergleichen sie jetzt vorbringen, zu thun, und keine Unarten an unseren Tischen sich zu erlauben, so mögen sie denn in des Himmels Namen kommen und unsere Gäste seyn. [1692] Auch Kleider wollen wir ihnen deiner Aufforderung gemäß, zusenden, und Geld, so viel als thunlich ist, hinzufügen, und es überhaupt in keiner Hinsicht an uns fehlen lassen. Sie hingegen sollen aufhören, aus dem Umgang mit uns eine betrügerische Kunst zu machen, und keine Schmeichler und Schmarotzer, sondern unsere Freunde seyn. Wenn nur sie ihre Schuldigkeit thun wollen, so sollst du in keiner Hinsicht Ursache haben, mit uns unzufrieden zu seyn.



  1. θἄτερον statt ἑκάτερον.