Textdaten
Autor: Jacob Grimm
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Titel: Sagen von Glocken
Untertitel:
aus: Zeitung für Einsiedler, Nr. 20, Sp. 156-158
Herausgeber: Achim von Arnim und Clemens Brentano
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 7. Juni 1808
Verlag: Mohr und Zimmer
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Erscheinungsort: Heidelberg
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Originalherkunft:
Quelle: UB Heidelberg, Kopie auf Commons
Kurzbeschreibung:
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Sagen von Glocken.

Es ist bekannt, in welcher heiligen Verehrung die Glocken im ganzen Mittelalter standen, und welche Feyerlichkeiten mit ihnen begangen wurden. So stellte man, wenn die Glocke getauft wurde, Gevattern, welche das Seil halten und auf alles, was der Priester die Glocke fragt, Amen sagen mußten. Alsdann bekleidete man sie mit einem neuen Rock, und beschwur sie zur Vertreibung des Teufels und Wohlfahrt der abgeschiednen Seelen. Auch sind die Glocken so heilig, daß man sie in einer gebannten Kirche und einem gebannten Volk nicht läuten darf.




Die große Glocke zu St. Maria Magdalena in Breslau, gehet fünfzig Schläg von selbst wenn man vorher fünfzig Schläg gezogen hat, und allen armen Sündern, wenn sie vom Rathhaus herunter kommen, wird damit geläutet. Davon ist folgende Sage:

Als der Gießer die Glocke gießen sollen, geschah es, daß er zuvor zum Essen gehen wollte, befahl aber dem Lehrjungen bey Leib und Leben, den Hahn am Schmelzkessel nicht anzurühren. Allein dieser konnte seinen Vorwitz nicht länger bezähmen und wollte versuchen, wie es aussähe, darüber fiel ihm der Hahn wider [157] Willen ganz heraus, so daß das Metall in die zubereitete Form gelaufen kam. Da nun der Jung in der größten Angst sich gar nicht zu helfen wußte, so wagte er es endlich doch und ging in die Stube, wo der Meister war, bekannte alles und bat um Gotteswillen um Verzeihung. Der Meister aber war voller Zorn und erstach den Jungen auf der Stelle, kam voll Jammers heraus, und als er nach der Verkühlung abgeraumet, siehe, so war die Glocke ganz vortrefflich ausgegossen, kehrte darum mit Freuden in die Stube und fand erst, was er für Uebels gethan, und daß der Lehrjung verstorben war.

Hierüber ist derselbe Meister eingezogen und zum Schwerdt verurtheilt worden. Da hat er, weil man die Glocke immittelst aufgezogen, gar flehentlich gebeten, er möchte ihren Resonans auch wohl hören, wenn er vor seinem letzten End die Ehr von den Herren haben könnte, welches ihm auch willfahret worden ist, und dem zufolge wird allen Malefizpersonen diese Glocke gezogen.




Zu Attendorn wohnte einmal eine Wittwe, die schickte ihren Sohn nach Holland, die Handlung zu lernen. Dieser Sohn stellete sich aber so wohl an, daß er alle Jahr seiner Mutter von dem Erwerb schicken konnte. Einsmals sendete er eine Platte von klarem Gold, aber schwarz angestrichen neben andern Waaren, so daß die Mutter von dem Werth dieses Geschenks unberichtet, dieselbe unter eine Bank in ihrem Laden stellte, allwo sie stehen blieb, bis ein Glockengießer ins Land kam, bey welchem die Attendorner eine Glocke zu gießen und[1] das Metall von der Bürgerschaft erbetteln zu lassen, beschlossen. Die, welche das Erz sammelten, bekamen verschiedentlich allerhand zerbrochene Häfen dazu geschenkt, und als sie vor der Wittwe Thür kamen, so gab sie ihnen ihres Sohnes Gold, weil sie es nicht kannte und sonst kein zerbrochen Geschirr hatte.

Der Glockengießer, der nach Arensberg verreist war, auch dort einige Glocken zu gießen, hatte einen Gesellen zu Attendorn hinterlassen mit Befehl, die Form zu fertigen und alle sonstige Anstalten zu treffen, mit dem Guß aber einzuhalten bis zu seiner Ankunft. Als aber der Meister lang ausblieb und der Gesell gern selbst eine Prob thun wollte, so fuhr er mit dem Guß fort, und verfertigte den Attendornern eine von Gestalt und Klang so angenehme Glocke, daß sie ihm solche bey seinem Abschied (denn er gedachte zu seinem Meister nach Arensberg, ihm die Zeitung von der glücklichen Verrichtung zu bringen) so lang nach läuten zu wollten, als er die Glocken hören könnte. Ueber das folgten ihm [158] etliche nach mit Kanten in den Händen und sprachen ihm mit dem Trunk zu. Als er nun in solcher Ehr und Fröhlichkeit bis auf die steinerne Brücke gelanget, welches halbweges ist, so begegnet ihm auf einmal sein Meister, welcher alsobald mit den Worten: Was hast du gethan du Bestia! ihm eine Kugel durch den Kopf jagte. Zu den Geleitsmännern aber sprach der Meister: Der Kerl hat die Glocke gegossen wie ein Schelm, er wäre erbietig solche umzugießen und der Stadt ein ganz ander Werk zu liefern. Ritt darauf hinein und wiederholte seine Reden, als ob er den Handel gar wohl ausgerichtet. Aber er wurde wegen der Mordthat ergriffen, und gefragt: was ihn doch dazu bewogen, da sie mit der Arbeit des Gesellen vollkommen zufrieden gewesen? Endlich bekannte er: wie er an dem Klang abgenommen, daß eine gute Quantität Gold bey der Glocke wäre, so er nicht dazu kommen lassen, sondern weggezwackt haben wollte, dafern sein Gesell befohlenermaßen mit dem Guß seine Ankunft abgewartet hätte, weswegen er ihm den Rest gegeben.

Hierauf wurde ihm der Kopf abgeschlagen, dem Gesell aber auf der Brücke, wo er sein End genommen, ein eisern Kreuz zum ewigen Gedächtniß aufgerichtet. Unterdessen konnte niemand ersinnen, woher das Gold zu der Glocke gekommen, bis der Wittwe Sohn mit Freuden und Reichthum beladen nach Haus kehrte und vergeblich betrauerte, daß sein Gold zwey ums Leben gebracht, einen schuldig und den andern unschuldig, gleichwohl hat er dieses Gold nicht wieder verlangt, weil ihn Gott anderwärts reich gesegnet.

Längst hernach trug es sich zu, daß das Wetter in den Kirchthurm geschlagen, und wie sonst alles verzehrt außer dem Gemäuer, auch die Glocken geschmelzt. Worauf in der Asche Metall gefunden worden ist, welches an gestalt den Goldgülden gleich gewesen, woraus man auch den Thurm wieder hergestellt und mit Bley hat decken lassen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: und und