Sage von der weißen Frau bei der Tränke am westlichen Abhang des Kapellenberges

Textdaten
<<< >>>
Autor: Johann Georg Theodor Grässe
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Sage von der weißen Frau bei der Tränke am westlichen Abhang des Kapellenberges
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. S. 92
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Dresden
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[92]
701) Sage von der weißen Frau bei der Tränke am westlichen Abhang des Kapellenberges.
Bearbeitet von Julius Schanz; metrisch behandelt von Fr. Rödiger.

In dem Kloster auf dem Kapellenberg soll einst eine Nonne [93] gelebt haben, die ein schweres liebes Leid auf dem Herzen trug und oft bis zur Mitternacht vor dem Altar auf den Knieen lag, um Vergebung ihrer Sünden zu erflehen. Einst als sie auch im Gebete lag, flog ein Pfeil durch die Fenster, ihr zum Zeichen des Stelldichein. Sie konnte auch diesmal nicht widerstehen und schlich leise durch die Klosterpforte an den Teich hinaus, wohin sie so oft gewallt, und harrte dort des Buhlen, der sich bald durch die Zweige Bahn brach. Er fand die Nonne im glühendem Wahnsinn mit den Fluthen sprechen, in welche sie ihr Kind geworfen, und forderte sie auf, das Kloster endlich zu verlassen und sein Weib zu werden. „Tauche“, sprach er, „Deine Hände in das Wasser und wasche Dein Gesicht damit, so wird Dein Herz Ruhe finden. In des Teufels Namen, wasche Dich!“ –

Die Nonne that, wie ihr geheißen war. Sie kehrte nicht wieder zu dem Kloster zurück, sondern floh mit dem Geliebten in’s Fichtelgebirge auf die Luchsenburg, woselbst er haus’te, und lebte mit ihm dort ein gottvergessenes Leben. Als aber ihre Sterbestunde kam, hörte sie eine Stimme rufen: „Am Teich, in dem Dein Kindlein ruht, sollst Du Dich fort und fort in des Teufels Namen waschen, bis zum jüngsten Gerichte!“ – So geht denn ihr Geist noch um bis auf diesen Tag und Mancher hat in stiller Mitternachtsstunde die weiße Frau gesehen, wie sie am Teiche hinschreitet und gehört, wie sie in den Wellen plätschert und ihr Antlitz wäscht. Der Teich heißt gegenwärtig nur die Tränke, da die Bauern daselbst ihr Vieh zur Tränke führen, wenn sie auf den Feldern beschäftigt sind.