Sage von der Erbauung der Kirche zu Oberhelmsdorf

Textdaten
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Autor: Friedrich Bernhard Störzner
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Titel: Sage von der Erbauung der Kirche zu Oberhelmsdorf
Untertitel:
aus: Was die Heimat erzählt. Sagen, geschichtliche Bilder und denkwürdige Begebenheiten aus Sachsen, S. 209–213
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Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Arwed Strauch
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Digitalisat der SLUB Dresden und bei Wikimedia Commons
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93. Sage von der Erbauung der Kirche zu Oberhelmsdorf.

Eine halbe Stunde westlich von der weithin sichtbaren Bergstadt Stolpen liegt unten im Tale der Wesenitz das Kirchdorf Helmsdorf, bestehend aus den beiden Ortsteilen Ober- und Niederhelmsdorf. Das uralte Gotteshaus dieser Kirchgemeinde steht auffallenderweise nicht, wie das doch gewöhnlich der Fall ist, in der Mitte des Dorfes, sondern außerhalb desselben und zwar am östlichen Ende des Ortes. Ueber die Ursache dieses außergewöhnlichen Standortes der Kirche zu Oberhelmsdorf weiß nun die Sage folgendes zu erzählen:

Helmsdorf um das Jahr 1830.

Ursprünglich hatte man geplant, das Gotteshaus in der Mitte des Dorfes zu errichten, der Bauplatz war bereits bestimmt und zwar in Uebereinstimmung mit allen Ortsbewohnern. Steine und Holz wurden nun angefahren, aber merkwürdig, was an Baumaterial im Laufe des Tages an Ort und Stelle gebracht worden war, das lag jedesmal am anderen Morgen am östlichen Ausgange des Dorfes und zwar da, wo heute die Helmsdorfer Kirche steht. Niemand wußte, wie das zugegangen war. Einige wollten während der Nacht weiße Rosse an jenem Platze bemerkt haben. Als dieser rätselhafte Vorgang einige Male sich wiederholt hatte, da stellte die Gemeinde das Anfahren von Baumaterial ein und beratschlagte, was nun zu tun sei. Man hielt das wunderbare Ereignis für einen Wink vom Himmel, das künftige Gotteshaus da aufzubauen, wohin während der Nacht von unsichtbaren Mächten Steine und Holz gebracht worden waren. So wurde nunmehr die Helmsdorfer Kirche da erbaut, wo sie heute noch steht.

Diese Sage greift entschieden in die heidnische Vorzeit zurück; denn die in der Sage erwähnten weißen Rosse erinnern wohl an das Roß Wodans. Wo heute die Helmsdorfer Kirche steht, befand sich einst ein altheidnischer Opferplatz. An denselben erinnert die Hussitenschanze, von der noch ein Teil vorhanden ist und zwar ein bebuschter, dammartiger Hügel zwischen der [210] Kirche und der Bahnlinie Dürröhrsdorf–Stolpen. Diese alte Schanze, welche im Jahre 1429 den Hussiten bei der Belagerung der Burg Stolpen und des von ihnen später zerstörten Städtchens Jockrim als Lagerplatz und Festung diente, war sehr umfangreich. Der Altertumsforscher Preusker beschreibt dieselbe in seinem Werke: „Blicke in die vaterländische Vorzeit“[WS 1] wie folgt:

„Die Schwedenschanze bei Helmsdorf östlich von Stolpen, am Katharinen-Wasser und der Wesenitz mit sumpfigen Wiesen gelegen, ward von den Hussiten allerdings benutzt, doch bei ihren flüchtigen Heereszügen wohl ebenso wenig als andere fälschlich Schwedenschanzen genannte heidnische Ringwälle erbaut und kann längst vorher ein solcher gewesen sein, zumal da die Ueberreste jenen ähnlich scheinen. Die Helmsdorfer Schanze hat rundliche Form und über 800 Schritte Umfang, der Wall ist 17 Schritte breit, 10 Schritte hoch und der Graben 7 Schritte breit.“ –

Kirche zu Helmsdorf im Jahre 1904.

Der größte Teil der Helmsdorfer Schanze ist heute in Acker- und Wiesenland umgewandelt worden. Den ehemaligen Wallgraben erkennt man deutlich an einem kleinen Wiesengrunde, der sich hinab in das Wesenitztal senkt und durch den ein grabenähnliches Bächlein, das Sankt Katharinenwasser genannt, murmelnd zieht. Der Platz, welchen heute die Helmsdorfer Kirche und der sie umgebende Friedhof einnehmen, ist einst ebenfalls ein Teil der alten Schanze gewesen und war ursprünglich vom Walle mit eingeschlossen. – Die Gründung der Helmsdorfer Kirche fällt in eine sehr frühe Zeit. Man vermutet, daß der Meißnische Bischof Sankt Benno ihr Gründer gewesen sei, der hier eine Kapelle, die der Sankt Katharina geweiht war, gegründet habe. Doch es soll schon vor Bischof Benno an dieser Stätte ein Gotteshaus gewesen sein. (Vergl. „Neue Sächs. Kirchengalerie“, Band Ephorie Pirna, Seite 555 und 556[WS 2]) – Die Helmsdorfer Kirche führt von altersher den Namen Sankt Katharinenkirche. Das am

[211]

Ansicht von Helmsdorf.


Blick von N auf die Hussitenschanze.

[213] Kirchhofe vorüberfließende Bächlein nennt man das Sankt Katharinenwasser. – In der Nähe des Kirchhofes stand einst auch eine Säule, wahrscheinlich eine Betsäule, die ebenfalls der Sankt Katharina geweiht war und deren Namen trug. (Vergl. „Alte Sächs. Kirchengalerie“ 1839; 7. Band, Seite 14.[WS 3]) – Jedenfalls ist die Helmsdorfer Kirche in weitester Umgegend von Stolpen die älteste, und sie war ursprünglich wohl eine Wallfahrtsstätte.

Als das Christentum seinen Einzug in unserer Heimat allmählich hielt, errichteten die christlichen Priester die christlichen Gebetsstätten und Gotteshäuser nicht selten auf altheidnischen Opferplätzen, weil dem Volke solche Orte von altersher lieb und teuer waren, und so erleichterten die christlichen Sendboten unsern heidnischen Vorfahren die Annahme des Christentums; denn nun konnten diese ja hier auch noch beten und hierher wallfahrten. So geht man gewiß nicht fehl, anzunehmen, daß auch die Helmsdorfer Kirche auf einer altheidnischen Opferstätte einst errichtet worden ist, und daß dieser Ort schon vor Jahrhunderten den Umwohnern ein geweihter Platz, ein heiliges Land war. Für diese Annahme spricht die Helmsdorfer Schanze, nicht minder aber auch jene Sage von der Erbauung des Gotteshauses zu Helmsdorf; denn die altheidnischen Schanzen dienten bekanntlich nicht bloß zum Schutze der Bevölkerung, zur Verteidigung, sondern sie waren auch nebenbei Kultus- und Begräbnisplätze der frühesten Bewohner unseres Vaterlandes. Daß die Hussitenschanze bei Helmsdorf einst auch eine Kultusstätte war, das beweisen die früher hier gemachten Urnenfunde. –

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Siehe Karl Preusker: Blicke in die vaterländische Vorzeit., Leipzig 1843, Band 2, S. 233 Google
  2. Siehe SLUB Dresden
  3. Siehe SLUB Dresden