CCCVII. Peking Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band (1840) von Joseph Meyer
CCCVIII. Ruine Henneberg
CCCIX. Kissingen
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RUINE HENNEBERG

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CCCVIII. Ruine Henneberg.




Hennebergs Ruine liegt 2 Stunden südwestlich von Meiningen, auf der Spitze eines waldigen Bergkegels, dicht an der bayrisch-meiningenschen Grenze, hart über dem Dorfe, welchem die Burg ihren Namen gab. Die Urgeschichte jenes Stammhauses eines gefürsteten Grafengeschlechts umhüllt Fabelgewölk. Sicher ist, daß schon im siebenten Jahrhundert die Burg gestanden hat und der Henneberger Geschlecht dort hauste. Spätere Zeiten schwellten dessen Macht; aus dem kleinen Burg-Bezirke wurde allmählich – theils durch Schwertsgewalt, theils durch Heirath, theils durch der Kaiser Gunst, – ein weites Ländergebiet, und aus den einfachen Rittersleuten gefürstete Grafen des Reichs. Die Burg selbst wurde zum prächtigen Schloß, und wo jetzt die Eule haust, zogen die Kaiser oft als Gäste ein.

[88] Aber im Strome der Zeit verfloß Hennebergs Herrlichkeit. Als des großen Luthers mißverstandenes Wort der geketteten Bauern Joch zerbrach, und der Landmann Schaar und Sense gegen Ritter und Pfaffen erhob, schallte auch in Hennebergs Gauen, den dicht bevölkerten, Sturmglocken-Ruf von Dorf zu Dorf; wilde Schaaren brachen alle Burgen; auch des Stammes Haus ging in Flammen auf. Seitdem, seit 1525, ist es Trümmer.

Sechs und fünfzig Jahre später war ein Fürst Ernst Herr im Henneberger Lande. Diesem kam einst der Gedanke bei, seiner Ahnen alte Burg zu sehen, und er zog hinauf mit großer Schaar. Da ward’s dem Fürsten plötzlich weh in dem Gemäuer, krank brachten ihn die Diener in die Hütte unten an dem Berge, und im niedrigen Bauernhäuschen drückte ihm der Tod die Augen zu. Er war der letzte Sproß und kinderlos. So sind Burg und Geschlecht vergangen und das Henneberger Land fiel Fremden zu[1].

Von der Fürstenburg ragt jetzt nur noch ein Thurm zum Wald heraus; aber niedriges Mauerwerk, das einen großen Raum bedeckt, zeigt dem Forscher die einstige Größe an. Auch von einem Kirchlein steht noch Manches, so ein Bogen des Thors und zu sehen ist noch ein tiefer Brunnen, halb verschüttet, von dem die Chroniken melden, daß er durch den Leib des Berges bis unter des Thales Sohle reiche. Herrlich ist und von Wanderern viel genossen die Fernsicht von der Mauerzinne, und die Fürsten-Grafen pflegten ihren Gästen stolz zu sagen: „zweimal weiter als das Auge reicht, geht und schirmt der schwarzen Henne Flug.“ –




  1. Die 35 □Meilen großen ehemaligen Hennebergischen Länder haben jetzt folgende Besitzer: Preußen: der hennebergische Kreis mit Suhl und Schleußingen, 8¾ □M. mit 28,000 Einw.; Weimar: die Aemter Ilmenau, Ostheim, Kaltennordheim, 5¼□M. mit 9000 E.; Meiningen: fast das ganze Unterland, 11¾□M. mit 40,000 E.; Coburg-Gotha: 4½ □M. mit 10,000 E; Kurhessen: Schmalkalden, 5½□M. mit 22,000 E.; Stolberg-Werningerode: Schwarza mit 1000 E.