Rothe Nasen – eine Folge des Brillentragens

Textdaten
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Autor: F.
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Titel: Rothe Nasen – eine Folge des Brillentragens
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 665–666
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Rothe Nasen – eine Folge des Brillentragens.

Die Brillen unserer Vorfahren, wie wir sie aus den Abbildungen des 16. und 17. Jahrhunderts und aus einigen Originalen kennen, wie sie besonders im Germanischen Museum zu Nürnberg aufbewahrt sind, zeichneten sich keineswegs durch eine elegante Form aus. Sie waren vielmehr auf so plumpe Weise in Holz und Leder gefaßt und mit Riemen hinter dem Ohr zusammengebunden, daß sie, namentlich bei der malerischen Tracht der früheren Jahrhunderte, aus Schönheitsrücksichten nicht gut außerhalb des Hauses getragen werden konnten[;] auch die Klemmer, die gleich mit den Brillen in die Mode kamen, waren unbequem, da sie schwer federten und leicht fallen mußten. Erst die neuere Zeit hat den Brillen die leichte und bequeme Form verliehen, die nicht wenig dazu beigetragen hat, sie so allgemein in Gebrauch zu bringen.

Ist nun die gegenwärtig übliche Form der Brillen eine vollkommene? Viele Brillenträger dürften die Frage verneinend beantworten, und ihre Klagen richten sich vor allem gegen die Einrichtung des Nasensteges, der häufig einen unerträglichen Druck auf den Nasenrücken ausübt und in die Haut einschneidet. Der gewöhnliche Quersteg der Brillen kann aber noch eine andre unangenehme Wirkung hervorrufen, die bisher von den Aerzten und den Fabrikanten der Brillengestelle nicht genügend berücksichtigt wurde. Wenn man Leute mit Brillen mustert, so findet man, daß eine verhältnißmäßig große Zahl unter ihnen an einer mehr oder minder starken Röthe der Nasenhaut leidet. Das ist gewiß peinlich, denn das große Publikum bringt die rothe Nase stets mit dem übermäßigen Genuß von geistigen Getränken in Verbindung, obgleich unzählige Male darauf hingewiesen wurde, daß die Röthung der Nase auch bei den nüchternsten Menschen auftreten, daß sie durch verschiedene Erkrankungen der Nase verursacht werden kann. Mancher wird deshalb erleichtert aufathmen, wenn er hört, daß die bisher unerklärliche Röthe seiner Nase vom Brillentragen herrührt und weiter, daß sie vermieden werden kann. Einen überzeugenden Nachweis hierfür hat Fritz Lueddeckens durch einen Artikel im „Archiv für Augenheilkunde“ beigebracht. Er führt uns ein anatomisches Bildchen der Nase vor, das an Klarheit nichts zu wünschen übrig läßt.

Unsere Leser kennen gewiß die Art, wie das Blut im Körper kreist. Aus dem Herzen wird es in die Arterien getrieben, die immer feiner und feiner werden, und aus den feinsten Arterien ergießt es sich in die noch feineren Haargefäße, welche wie ein Netzwerk alle Körperorgane durchziehen. Von hier fließt es in die kleinsten Venen, die es den größeren zuführen, durch die es zum Herzen zurückgeleitet wird. Drücken wir nun eine Vene zusammen, so wird durch sie kein Blut zurückströmen können, es wird infolgedessen der betreffende Körpertheil mit Blut überfüllt: eine Hyperämie, eine Blutstauung, tritt ein.

Fig. 1.0 Venensystem der Nase.

Soweit ist die Sache ohne weiteres klar. Nun wollen wir einen Blick auf das untenstehende Bildchen (Fig. 1) werfen, welches die Vertheilung der Venen auf dem Nasenrücken darstellt. Wir sehen, daß die Venen wie ein Flußsystem von der Nasenspitze und den Nasenflügeln nach oben gehen und sich am Nasenrücken bei b in die Quervene c c₁ ergießen; von dieser erst wird das Blut, welches die Nase durchströmt hat, nach den Wangen weitergeführt.

Wenn wir nun die gewöhnliche Brille auf die Nase setzen, so geschieht es sehr oft, daß der Nasensteg gerade auf die Quervene drückt und hier in größerem oder geringerem Grade den Blutabfluß hemmt. Die Folge davon wird eine Blutstauung in der Nase sein, die sich durch eine entsprechende Röthung der Nasenhaut nach außen kenntlich macht. Diese Blutstauung läßt sich in der That, namentlich bei älteren Leuten, beim Tragen der Brille deutlich nachweisen; sie schwindet ganz oder theilweise, wenn die Brille abgenommen wird.

Aber, wird man wohl [666] einwenden, nicht alle Brillenträger haben rothe oder geröthete Nasen! Das erklärt sich ohne Schwierigkeit; die Lage der Blutgefäße ist nicht bei jedem Menschen genau die gleiche und ebenso ist der Bau der Nase ein verschiedener. Oft liegen die Venen so günstig zwischen den Nasenbeinen, daß sie von dem Brillensteg nicht gedrückt werden. oder es sind in dem Venensystem der Nase Seitenkanäle vorhanden, durch welche das Blut trotz des Druckes auf die Quervene ungehemmt seinen Abfluß nach den Wangen nehmen kann. In der Regel jedoch sind brillentragende Menschen dem Uebelstande ausgesetzt, daß ihre Nase mit Blut überfüllt ist.

Diese Blutstauung allein kann schon eine Röthung der Nase verursachen und zu dauernder Erweiterung der Blutgefäße führen, die dann als rothe Adern durch die Haut schimmern. Außerdem aber muß man noch in Erwägung ziehen, daß eine solche Nase gegen äußere, namentlich gegen entzündliche Reize empfindlicher ist als die, welche durch keine Brille belästigt ist und einen ungehemmten Blutabfluß hat. Die Brille begünstigt ferner die Blutstauung besonders bei kaltem Wetter. Die Kälte wirkt auf die Blutgefäße zusammenziehend; tragen wir nun bei Frostwetter eine Brille, so kühlt sich der metallene Brillensteg am meisten ab und entzieht der nächsten Umgebung von ihrer Wärme. Die Kälte dringt auf solche Weise unter die Haut des Nasenrückens ein und wirkt auf die Quervene zusammenziehend, diese wird eng und der Blutabfluß aus der Nase noch mehr erschwert. Das wissen viele aus eigener Erfahrung, und es giebt Leute auf dem Lande, welche beim Frostwetter den metallenen Nasensteg der Brille mit Watte oder Zwirn, also mit schlechten Wärmeleitern, umwickeln.

Fig. 2.

Fig. 3.

Das sind einige der unangenehmen Wechselbeziehungen zwischen der Nase und der Brille. Um sie zu verhüten, hat Fritz Lueddeckens einen neuen Brillensteg hergestellt, der den Nasenrücken entlastet, den sogenannten „Normalsteg“. Seine Anordnung ist aus den beiden nachstehenden Abbildungen zu entnehmen, von denen Fig. 2 die Ansicht von vorn, Fig. 3 die von der Seite wiedergiebt. Um die Quervene zu schonen, ist die Stützfläche fast ganz vor die Ebene der Gläser gelegt, sie verläuft schräg nach vorn und unten und, wie Fig. 2 zeigt, zugleich etwas nach außen. Die Stützen endlich, welche die Gläserfassung tragen, stehen schräg nach oben, wodurch der Steg außerordentlich tragfähig wird.

„Die Befreiung des Nasenrückens von jeglichem Druck wird allein schon von vielen angenehm empfunden werden,“ meint Lueddeckens. „Außerdem wirken aber bei diesem Normalsteg die drückenden Flächen dadurch, daß sie vor die Gläser und seitlich gestellt sind, in den meisten Fällen auf die hier bestehenden Erhöhungen der Nasenbeine, eine Stelle, wo sich wegen der steten Reibung bei mimischen Bewegungen nur selten Gefäße und Nerven von einiger Bedeutung entwickeln dürften.“

In der That wird der Normalsteg gute Dienste leisten und hoffentlich die Zahl der rothen Nasen verringern. F.