Rossini und Schiller in einem französischen Kopfe
[606] Rossini und Schiller in einem französischen Kopfe. Im „Journal des Etrangers“ (Nr. 66) vom 28. Juli dieses Jahres spricht ein Pariser, welcher von einer Schweizerreise zurückkommt, über ein Denkmal für Rossini, welches nächstens in der Schweiz solle errichtet werden, nur wisse man noch nicht recht, wo es aufzustellen sei. Denn alle größeren Städte der Schweiz hätten Anspruch, dieses Denkmal auf einem ihrer öffentlichen Plätze zu haben, um so ihre Dankbarkeit gegenüber dem genialen Componisten des „Tell“ an den Tag zu legen. Besagter Franzose wüßte nun einen sehr passenden Platz für ein solches Denkmal. Im Vierwaldstättersee erhebt sich der Mythenstein mit seiner weithin leuchtenden Inschrift:
„Dem Sänger Tell’s, Friedrich Schiller, die Urcantone. 1859.“
Das ist auch der rechte Ort für eine Erinnerung an Rossini. „Ich schlage vor,“ sagt der Pariser, „daß eine ähnliche Inschrift gemacht werde zu Ehren Rossini’s, dessen Tell rühmlicher bekannt ist, als der von Schiller. Schiller kann nur geehrt werden durch die Nachbarschaft des erlauchten Componisten.“ – Diese Worte sind zu schön, als daß sie nicht auch im Originaltexte hier folgen sollten:
„Je propose, qu’une inscription sembable fût faite en l’honneur de Rossini, dont le Guillaume Tell est plus glorieusement connu que celui de Schiller. Schiller ne pourra qu’être honoré du voisinage de l’illustre compositeur.“ –
Für die Leser der Gartenlaube bedarf dieser Ausspruch des Pariser Correspondenten des „Journal des Etrangers“ keines Commentars. Nur die eine Bemerkung fügen wir bei, daß Niemand in der Schweiz daran denkt, Rossini ein Denkmal zu setzen, so daß die ganze Correspondenz wohl zurückzuführen ist auf die Gedanken, welche auf einer Fahrt am Mythenstein vorüber im Kopfe des Parisers rege wurden bei dem unerträglichen Anblick, wie der Name des deutschen Dichters über den schönsten See hinglänzt in unvergänglicher Glorie.