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XVI.
2. April.
Theodosia.


 Eine unter Tausenden, die deshalb nicht weniger Theilnahme von uns ärnten soll, weil sie nicht einsam in der Welt steht, da die Treue, welche sie mit so vielen theilt, unsere Treue nur um so mehr stärken und befestigen soll. Es ist ja nicht die Absicht dieser Blätter, unter jedem Namen etwas Neues und Unerhörtes darzubieten, sondern dafür zu sorgen, daß die Zeugenwolke Jesu dem Geschlechts jetziger Jungfrauen im schönen Morgenrothe der Ewigkeit recht einladend vor Augen trete und den Sinn der Nachfolge erwecke. – Zu Cäsarea in Palästina hatte der Landpfleger Urbanus in den ersten Jahren des vierten Jahrhunderts alle Mittel aufgeboten, den christlichen Namen aus den Gegenden auszutilgen, welchen er vorstand. Da warteten auch einmal vor seinem Palaste eine Anzahl von Bekennern in Feßeln und Banden auf ihr Verhör;| Theodosia aber, eine achtzehnjährige Jungfrau aus Tyrus, die sich eben in Cäsarea aufhielt, nahte sich den Bekennern, deren Verhöre beizuwohnen sie zum Palaste gekommen war, wünschte ihnen Glück zu ihrem Loose, ermahnte sie zur Beständigkeit bis ans Ende und empfahl sich ihrem Andenken und Gebete, wenn sie nun in der Herrlichkeit des HErrn daheim sein würden. Die Wachen, welche ihren Gesprächen zuhörten, hielten es für ihre Pflicht, die Jungfrau zu greifen, welche ihrerseits denselben mit aller Freudigkeit vor den Richtstuhl folgte. So fröhlich angethan war sie von der unverhofften Ehre, für Jesum Christum leiden zu dürfen, daß der Landpfleger in ihrer Freudigkeit nur Hohn sah und sie deshalb der Folter übergab, wo ihr die Schergen mit eisernen Krallen die Seiten aufrißen und ihr endlich die Brüste abschnitten. „Deine Grausamkeit, sagte die Gepeinigte zum Richter mit großer Heiterkeit, bringt mich zu einer ewigen Glückseligkeit. Ich freue mich des Rufes zur Märtyrerkrone, der an mich ergeht, und danke Gott für seine große Gnade.“ Theodosia verlangte sehr nach dem Glücke der Ewigkeit und trug ihr Leid ohne alles Seufzen, aber sie war dabei einer zähen Lebenskraft und der Richter ließ sie deshalb, um der Sache| ein Ende zu machen, ins Meer werfen, wo sie ihren Leib dem Waßer überließ, mit der Seele aber triumphirend zur Ruhe Gottes eingieng. Das geschah nach der Ueberlieferung am 2ten April 308. Die Jungfrau war also nicht umsonst von Tyrus nach Cäsarea gereist, sondern der HErr hatte ihr Reisen zu Herzen genommen und brachte sie auf dem Wege des Lammes Gottes durch Unterliegen zum Sieg. So hatte sie am fremden Ort eine Himmelspforte gefunden und auf den webenden Wellen des unwirthbaren Meeres einen seligen und preiswürdigen Tod, wie ihn tausende auf ihren sicheren und stillen Sterbebetten nicht finden.

 Jüngerin, die du das liesest und überlegst, würdest du nicht den Fuß zurückziehen, wenn du eine Reise antreten solltest, an deren Ende die Krone der Blutzeugen läge? Im Falle du meinen solltest, daß es nicht nöthig sei, so eifrig zum Tode zu gehen, wie Theodosia, hättest du denn Fahrwind genug, wenn du ohne dein Zuthun und bei aller Vorsicht berufen würdest, dem HErrn zu sterben? Richtest du etwa Theodosia wie die Leute, denen man zurufen muß: „Tadeln ist leichter als beßermachen“?




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