Rosen-Monate heiliger Frauen/Pelagia
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LI.
8. Oktober.
Pelagia,
Büßerin.
.
An demselben Tage, an welchem man der Büßerin Pelagia gedenkt, gedenkt man auch einer andern, nämlich der Egypterin Thais. Obwohl in der christlichen Religion erzogen, war sie doch allmählich ein Auswurf der Menschheit und eine berüchtigte Buhldirne geworden. Paphnutius, ein ehrwürdiger Einsiedler in der Thebais, war durch ihre Versunkenheit nicht blos tief betrübt worden, sondern er betete und rang um ihre Rettung. Wie wenn er mit ihr Schande treiben wollte, verlangte er einmal mit ihr ein Gespräch in einem ganz abgelegenen Gemach. Die ausgeschämte Thais antwortete ihm, vor Menschen seien sie ohnehin verborgen, da wo sie seien, und dem Angesicht Gottes könne man nicht entfliehen. An dieser, ihm erwünschten Bemerkung knüpfte der ehrwürdige Mann an, um in der Sünderin das Andenken an die Allgegenwart ihres Richters zu stärken und sie vor| deßen flammende Augen zu stellen. Thais, die nun wohl merkte, daß sie sich in ihrem Besucher geirrt hatte, widerstand seinen mächtigen Worten nicht, und der HErr gab, daß für sie eine Zeit der Wendung und der Erneuerung eintrat. Fußfällig bat sie um fernere Leitung. Nur drei Stunden wollte sie haben, um ihre Angelegenheiten zu ordnen. Während derselben trug sie alles, was sie hatte, Hausgeräthe, Edelsteine, den ganzen Lohn ihrer Schande auf die Gaße, zündete es mit einander im Feuer an, und lud alle, die früher mit ihr gesündigt hatten, zur Nachahmung ihrer Wendung und Buße ein. Darauf gieng sie zu Paphnutius, der sie nun in ein Frauenkloster führte, und ihr eine einsame Zelle anweisen ließ, in welcher sie bei karger Nahrung Gott um Verzeihung ihrer Sünden anrufen sollte. Auf ihre Frage nach dem Gebete, welches sie gebrauchen sollte, verbot er ihr den Namen Gottes und daß sie ihre Hände zum Himmel emporhübe. Sie sei so unwürdig, sagte er, daß sie sich nur immer gen Aufgang wenden und betend die Worte wiederholen sollte: „Du hast mich geschaffen, erbarme dich meiner.“.
Darauf schloß er die Thür hinter ihr zu, und| drückte ein bleiernes Siegel darauf, wie auf eine Grabesthür. Nach drei Jahren besuchte Paphnutius den heiligen Einsiedler Antonius, um mit ihm zu berathen, ob Thais nun genug gebüßt hätte? Beide nahmen noch einen dritten, Paulus den Einfältigen, dazu, der denn auch wirklich eine Gewisheit und Zuversicht erlangte, den Ausschlag zu geben, und die andern zu überzeugen, daß Gott der Büßerin einen Platz in seinem Himmel bereitet habe. Da löste nun Paphnutius das Siegel und verkündigte der Armen, daß ihre Bußzeit vorüber sei, daß sie mit den übrigen Schwestern leben und zu Gottes Tische gehen dürfe. Bis dahin hatte Thais nur gebetet, was ihr Paphnutius gesagt hatte, und in dem Gebete eine Fülle bußfertiger, aber auch tröstlicher Gedanken gefunden. Sie versicherte, daß sie in den drei Jahren nicht aufgehört hätte, ihre Sünden zu beweinen, und daß ihr auch jetzt noch kein Gefühl lebendiger einwohnte, als ihre Verwerflichkeit und Unwürdigkeit. Sie wollte daher auch nicht aus ihrer Zelle gehen, nicht unter die übrigen Klosterfrauen treten, sondern lebenslänglich eingeschloßen bleiben und immerzu ihre Sünden beweinen. Paphnutius aber verkündigte ihr Gnade, und sie mußte nun, aus| ihrem Gefängnis entlaßen, sich zum gemeinschaftlichen Leben mit den Schwestern bequemen. Der HErr aber nahm sie bereits nach 14 Tagen aus der Welt..
Leserin, so büßt heutzutage keine Margaretha und keine Thais mehr. Große Sünden, namentlich gegen das sechste Gebot, pflegen alle Buße zu tödten; es scheint, wie wenn mit der Scham die Fähigkeit zur Buße erstürbe. Thut man auch Buße, so will man schnell zu Gnaden angenommen werden. Dienerinnen des Lasters, die viele Jahre lang der Lust gefröhnt haben, glauben empfindlich, ja trotzig sein zu dürfen, und halten sich für berechtigt zu Klagen und Vorwürfen, wenn ihnen nicht auf die erste laue Beichte eine schnelle und volle Absolution gesprochen wird. Ihre Buße ist kurzen Athems; kaum geboren muß man sorgen, sie ersterbe; schnell muß man trösten, wenn man trösten will. Thut man’s, so gibt es kein kräftiges Gewächs des Glaubens: unterläßt man’s, so wächst vielleicht gar nichts, und die winzige Bewegung im Inneren der Seele stirbt dahin, wie etwa ein schwächliches Kindlein jämmerlich geboren wird, ärmlich und kaum vernehmlich weint und wieder stirbt. Ach wir armen, schwächlichen Spätlinge, die wir Verstand| haben, eine Pelagia und Thais zu meistern, und doch vielleicht in der Waage der göttlichen Gerechtigkeit mit all unserm geistlichen Leben im Vergleich mit solchen Menschen weniger wägen, als die leere Schaale einer Nuß gegen die volle schwere, die vom gesunden Baume fällt. Manch erfahrner Seelsorger freut sich an Sterbebetten, wenn er nur einmal wieder einen kräftigen Todeskampf wahrnimmt: die Christen unserer Zeit sind auch zum Todeskampfe oft zu schwach und zu stumpf. Ebenso sind sie es auch zu einem Bußkampf, so daß man wahrlich versucht wird, zuweilen den Pietisten Recht zu geben, die am Dasein des Glaubens zweifeln, wenn sich kein Kampf der Buße eingestellt hat! – Der HErr gebe Israel beides, Buße und Vergebung der Sünden.
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