Rosen-Monate heiliger Frauen/Euphrosyna
« Scholastica | Wilhelm Löhe Rosen-Monate heiliger Frauen Alphabetisches Namensverzeichnis |
Eulalia » | |||
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
| |||||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|
|
VII.
11. Februar.
Euphrosyna,
Jungfrau.
.
Euphrosyna war die Tochter eines reichen, aber gottesfürchtigen Vaters, Paphnutius, dem sie auf sein inniges Gebet von seiner Gattin nach langer Unfruchtbarkeit geboren war. Sie hatte von Jugend auf die Sehnsucht, sich in die klösterliche Stille zurückzuziehen und an dem Thun und Laßen der Frauen, die in Familien leben, keinen Theil nehmen zu müßen. Ihr Vater aber war, nachdem sie herangewachsen, eines anderen Sinnes und wollte sie vermählen. Was that die Jungfrau? Sie verließ eigenmächtig ihres Vaters Haus und gieng in ein Kloster. Weil sie aber Grund hatte zu fürchten, daß ihr Vater sie in Frauenklöstern suchen und dann wohl auch finden möchte; so schnitt sie ihre Haare ab wie ein Mann, hüllte sich in Mannskleider und suchte unter dem Namen Smaragdus in einem Mannskloster um Aufnahme nach[.] Der arme Vater| suchte sie überall, fand sie nirgends, kam aber zuweilen um Trost zu suchen, auch zu dem Abte des Klosters, in welchem Euphrosyna lebte, und der Abt wußte nichts beßeres zu thun, als ihn um Trost zu dem jungen Bruder Smaragdus zu weisen, welcher voll Geistes und Lebens war. Welch eine Aufgabe für die Tochter, die ihren Vater bei der ersten Begegnung erkannte, und was für eine Tochter, die den gebeugten Vater oftmals sehen und statt sich ihm zu erkennen zu geben, ihn trösten und den vereinsamten Mann fortan durch ihre Worte auf der traurigen Bahn seiner verlaßenen alten Tage leiten konnte! Er solle, wiederholte sie ihm unter anderem, unter keiner Bedingung die Hoffnung aufgeben, seine Tochter noch einmal im Leben wieder zu finden. So lebte sie denn unter Handarbeiten, Werken der Abtödung und Uebungen der Gottseligkeit, in jeweiligem Umgange mit ihrem Vater, der sie nicht erkannte, acht und dreißig Jahre im Kloster dahin, bis ihr Todestag kam. Da gab sie sich ihrem Vater zu erkennen und starb in seinen Armen ungefähr im Jahre 470 nach Christo dem HErrn. Ihr Vater lebte von da an in der Zelle seiner Tochter, bis auch er nach zehn Tagen heimgieng. Wahrlich, wenn man Euphrosynen die| eigenmächtige Entfernung und den tiefen Jammer des doch gewiß öfters vor ihren Ohren sich ergießenden Vaters verzeihen kann; so muß man zugestehen, daß diese Beiden mit einander sterben lernten und einen Weg der Entsagung giengen, der, wenn auch nicht richtig, doch aber bei allem Irrthum erstaunlich ist und geeignet, ein Geschlecht zu strafen, welches in weichlicher Verwandtenliebe das höchste Lebensglück sucht und findet und vor lauter Familien-Freude und -Jammer unfähig wird, das Glück der Gottseligkeit zu suchen und zu genießen.
« Scholastica | Wilhelm Löhe Rosen-Monate heiliger Frauen |
Eulalia » | |||
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
|