Romanzen vom Rosenkranz/Romanze VI: Pietro
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Pietro
Sieh, es schürzet Rosablanke
Sich ihr Röcklein vor dem Tore,
Rückt den Korb, daß er nicht wanke,
Sich bequemer auf dem Kopfe.
Und erfüllt mit neuer Sorge
Eilet durch das Feld die Schlanke
Wie auf traumbeschwingter Sohle.
Höret nicht den „Guten Abend“,
Und erwidert kaum das Amen
Auf ein: Jesus sei gelobet!
Aber an dem letzten Garten
Steht des Gärtners Fenster offen:
Ruft er ihr mit freudgem Tone.
„Willst du so vorüber wandeln?
Nimm vorlieb; hier sind Melonen,
Feigen, Ananas, Orangen,
Lange hab ich dein geharret;
Die mit dir zum Markte zogen,
Sind schon lang zurückgewandert.
Wo hast du so lang verzogen?“
„Bald hätt ich mein Wort gebrochen,
Aber lieber mirs erlasse,
Denn es sinket schon die Sonne!
Ängstlicher, als du geharret,
Sieh, wie lange schon die Schatten!
Wäre ich den Berg erst oben!
Sei Geleitsmann deinem Gaste,
Ich will deine Güte loben!“
Jener greift nach seinem Korbe,
Füllt ihn unten mit Orangen,
Legt die zarten Feigen oben,
Hängt zur Schulter ihn am Stabe,
Und er spricht zur Seite wandelnd:
„Zürnen hätt ich mit dir sollen,
Sehnlich hab ich dein geharret,
Und nun ist auch dies verloren!
Glaubt ich, wenn mein Herz so pochte,
Blickte ängstlich durch die Kammer
Ob auch alles sei geordnet.
Und wenn ich dann wieder dachte:
Fühlt das Herz ich lauter schlagen
Als den Tritt der leichten Sohlen.
Wer mir bot den guten Abend,
War an mir zum Lügner worden,
Boshaft still an meiner Pforte.“
Also sprach er. Tränen drangen
Ihm ins Aug, geheime Boten
Züchtger Flamme, die gefangen
Doch dies fühlt nicht Rosablanke.
Ungeschickt zu seinem Troste
Spricht sie: „Gib mir die Orangen,
Die du für mich abgebrochen!“
Mutiger spricht er: „O Holde,
Wolltest du mit gleichem Danke
Nehmen, was du selbst gebrochen!
Was vertraulich bei dem Mahle
Dieses Herz muß auf der Straße
Scheu und unstet ich dir opfern.
Mich ernähret wohl mein Garten;
Um Bologna aller Orten
Und so vorteilhaft geordnet.
Und, verzeih, ich muß es sagen;
Also hab ich ihn erzogen
In dem heimlichen Verlangen,
Wärst du mit hineingegangen,
Unter bunten Blumenkronen
Eine Königin, empfangen
Hätt ich dich mit dieser Krone!“
Auf das Haupt die Blumenkrone,
Die er in dem Korb bewahret,
Ruhend auf den Früchten oben.
Und die Jungfrau in Gedanken
Ihm zur Seite durch den Abend,
Gleichend einer stummen Flore.
Pietro aber spricht: „Dein Vater
Könnte dann bei uns auch wohnen,
Eines blieb ihm stets zum Troste.
Und an manchem schönen Abend
Kömmt mein Bruder Jacopone,
Der an Weisheit hochgeachtet,
Und zur Freundin wirst du haben
Rosarosen, seine fromme
Stille Gattin; dir gefallen
Wird mein Bruder auch, Meliore.“
Und der Jüngling spricht betroffen:
„Schweige nicht, o laß mich Armen
Nicht in zweifelhaftem Troste.
Seit als Gärtner deinem Vater
Trag ich heimlich, Rosablanke,
Weißer Rosen bittre Dornen.
Ich versetzte ihm im Garten
Weiße, rote, gelbe Rosen
Eine weiße mir zum Lohne.
Da gabst du von deinem Stamme
Mir ein Zweiglein, dicht in Moose
Hüllt ich’s, trug’s zu meinem Garten,
Schonend ist der Sonne Wagen
Über dieses Reis gezogen,
Segnend hat des Mondes Schale
Guten Tau zu ihm gegossen.
Rankt sie aus den grünen Wolken,
Deines Namens Sternbild strahle
Günstig meinem Horizonte!
Paradiesisch blüht der Garten,
Und ich gleich dem ersten Manne,
Eh das Weib geschaffen worden.“
Aber Rosablanke dachte
Nun des Traums von diesem Morgen,
Rankt um deinen Baum die Rose!
Und der Herr hat sie geschaffen
Aus der sehnsuchtvollen Woge
Seines Busens; des Entschlafnen
Die Orange wird zum Apfel,
Und der Apfel wird zum Tode,
Willst du schließen in die Arme,
Die dir in dem Herzen wohnet.
Grub er traurig bei den Rosen
Nach dem göttlichen Erbarmen,
Das er mit dem Weib verloren.
Und die bunte, böse Schlange
Doch Mariens Füße traten
Nieder diese Schuld des Todes.
Nimm zurücke die Orange,
Die du mir vom Baum gebrochen,
Weil der Herr um mich gestorben.“
Also redet Rosablanke.
Pietro schweigt, und tief betroffen
Legt der Jüngling die Orange
Schweigend gehn sie nun zusammen
Bis zu der Kapelle oben,
Und des Abends Zaubergarten
Schwankt vor ihrem Aug entrollet.
Und es betet schon die Sonne
Ihren Abendsegen, schwankend
Auf des Waldes goldnen Kronen.
Durch des Himmels Gründe wallen
In dem Abendmeere badend
Trinken sie die Purpurwoge.
Und zum Rosengarten wandelt
Sich zu baden nun die Sonne,
Ihr die Nacht aus grauem Flore.
Als sie schwebet ob dem Bade,
Gleicht es einem Feueropfer,
Sie dem Phönix, der mit Flammen
Aber rings aus Luft erstarren
Hohe Purpurburgen, golden
Wundervolle Inseln wachsen
Aus des Äthers glühnden Wogen.
Und die Burgen all Sankt George
Und der Sonne Strahlen Lanzen,
Gen die Drachen blank erhoben.
Aber ewig sich verwandelnd,
Ziehn sie eine Bucht kristallen
Um der Sonne Bad voll Rosen.
Wie ein Schäfer scheu und schmachtend,
Lauschend schleicht auf leichten Sohlen
Zieht der Mond schon hinter Wolken.
Nieder zuckt sie gleich Dianen;
Jungfräulich erglühnd im Zorne
Spritzt empor sie Goldkristalle,
Und der Mond, den Tropfen trafen,
Steht gehörnt gleich Aktäone,
Und zu Sternen rings erstarren
Um ihn her die goldnen Tropfen.
Vor des Unterganges Tore,
Und die Herzen fühlen alle,
Wer verloren, wer gewonnen.
Seine Schmerzen nicht mehr fassend,
Sonne, sind im Abendgarten
All verblutet an den Dornen.
Paris gab den goldnen Apfel
Liebend hin der Schaumgebornen,
Die Granate, scheu geboten!
Und die Sonne gleicht dem Apfel,
Paris gleicht dem Silbermonde,
Und das Meer des Unterganges
Aber ach, meine Granate
Gleicht den Äpfeln von Gomorrha,
Innen voll von giftger Asche,
Außen lustig und voll Wonne.
Todessichel dort des Mondes,
Wie in meinem armen Garten
Tödlich steht die weiße Rose!“ –
„Pietro!“ spricht nun Rosablanke,
Sahst du in den Abendflammen
Sodom und Gomorrha lodern.
Gab zurück ich dir den Apfel,
Denk getröstet meiner Worte:
Teil ich; Jesus ist gestorben!
Lasse sinken all dies Trachten,
Lasse sinken diese Sonne,
Lasse wachsen diese Schatten!
Sieh, die Kerne der Granate,
Die verglichen du der Sonne,
Sind als Sterne aufgegangen,
Leuchtend zu des Ewgen Lobe.
Wie gehütet von dem Monde
Sie wie Gottes Lämmer wandern,
Und du sollst nicht trauern wollen.
Trauern nicht um die Granate,
Trauern nicht um Rosablanke,
Die dem Himmel sich verlobet!“
Und nun nimmt sie die Gewande
Von Biondetten aus dem Korbe,
Steht sie eine weiße Nonne.
Pietro spricht: „Leb wohl, zum Garten
Kehre ich, die Hochzeitskrone
Pfleg ich dir, dir muß sie tragen
Und zur Erde kniet er jammernd,
Aus den dunklen Augen flossen
Tränen heiß, und seine Arme
Hielt er schmerzemporgehoben.
Und die Jungfrau spricht: „Es kommen
Meine Freunde, ausgegangen
Sind die Hirsche, mich zu holen.
Beten werd ich noch heut abend,
Diese Nacht dein Herz erlaben,
Und dich ruhig seh der Morgen.“
Pietro spricht: „Es wird die Flamme[1]
In der Nacht noch wilder lodern,
Sich ins falbe Haar Aurore!“
Doch sie schreitet zu dem Walde:
„Jesus Christus sei gelobet!“
Pietro spricht ein leises Amen,
Anmerkungen des Herausgebers
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