Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Wurschen

Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Wurschen
Untertitel:
aus: Markgrafenthum Oberlausitz, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 3, Seite 157–159
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: 1854–1861
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
Kurzbeschreibung: Beschreibung der Herrschaft Wurschen
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Wurschen
Wurschen


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Wurschen


Wendisch Worzyn, 3 Stunden östlich von Bautzen, an der Hauptstrasse von dieser Stadt nach Görlitz, 2 Stunden südlich von Weissenberg, zwischen, Mechern, Drehsa, Belgern und Litten gelegen.

Wurschen ist ein sehr alter Ort, welcher schon im 11. und 12. Jahrhundert als zur Veste Gradiz oder Grädiz, jetzt Grödiz gehörig, vorkommt, und von der Familie von Gersdorf besessen wurde.

Im Jahre 1769 war dieses Rittergut im Besitze des Obristen Joh. Erdmann von Gersdorf, sowie Carl Aug. von Gersdorf. Zu Anfang dieses Jahrhunderts besass Wurschen und Grödiz der Obristlieutenant Job. Erdmann von Gersdorf.

Im Jahre 1820 kam Wurschen in die Hände des Kammerherrn Friedrich Erdmann von Thielau, zu gleicher Zeit wurde das Rittergut Grödiz von dem Oberlausitzer Landesältesten Ernst Gustav von Gersdorf erkauft.

Nach dem Tode des Herrn Kammerherrn von Thielau erbte Wurschen dessen Wittwe, geb. von Wurmgart, welche auf dem Kirchwege von Nechern nach Gröditz an denjenigen Stellen, wo bei hohem Wasserstand nicht zu Fuss fortzukommen war, eine schöne steinerne Brücke mit einem Kostenaufwande von 1500 Thlr. erbauen liess.

Die jetzige Besitzerin ist Frau Clara Maria Gräfin zu Solms-Sonnenwalde, geb. von Thielau.

In Wurschen ist ein prächtiges Herrenhaus und die dazu gehörige Oeconomie ist nicht unbedeutend.

Die an dem Schlosse eingemauerten Kanonenkugeln erinnern an das Jahr 1813 und die auch hier geschlagene Bautzner Schlacht.

Die Franzosen nannten deshalb auch die Ereignisse des 21. Mai 1813 „das Vorspiel des Kampfes von Wurschen.“

Dem Thronerschütterer unsers Jahrhunderts, dem grossen Napoleon, war es gelungen, in der Schlacht von Wurschen den linken Flügel des Feindes zu umgehen, so dass der rechte Flügel, der an das berühmte Hochkirch sich anlehnte, den vereinten Angriffen der beiden Corps der Marschälle Marmont und Macdonald nicht zu widerstehen vermochte.

Die Siege bei Klein-Bautzen und Wurschen gaben die Lausitz in Napoleon’s Hände; die Verbündeten zogen nach Schlesien, die Franzosen drangen bis Breslau vor. Im Norden aber nahmen sie Hamburg wieder. Ein Waffenstillstand zu Prischwitz geschlossen, unterbrach für 2½ Monat das schreckliche Schlachtgewühl.

Während des Waffenstillstandes ward ein Friedenscongress zu Prag [158] eröffnet, welcher jedoch ohne Erfolg blieb. Oestreich erklärte sich am 19. Aug. als Feind. Deutschland und halb Europa frohlockte über den Entschluss des Kaisers von Oestreich. Dreimalhunderttausend Gewaffnete mehr erschienen jetzt auf dem Kampfplatz.

Die aufgestellten Heermassen erschienen stark genug, eine Welt zu besiegen oder zu erdrücken. An 800,000 bewaffnete Krieger wurden auf der ungeheuren Linie von der Ostsee bis nach Italien dem französischen Heere gegenüber aufgestellt, welches aus 800,000 Streitern bestand.

Noch einmal traf Napoleon mit trefflich geführtem Schlag seine übermächtigen Feinde. Diese unter Schwarzenberg’s Führung mit grossen Massen aus Böhmen kommend, drangen bis Dresden und erlitten dort die ewig denkwürdige Niederlage durch den Kaiser der Franzosen. Vor und nach diesem Kampfe litt die hiesige Gegend ebenfalls vorzüglich durch die herumstreifenden Marodeurs.

Glücklich ist der zu preisen, der eine solche Zeit nicht mit verleben musste.

Wurschen ist mit Cortnitz Wuischke, Nechern, Belgern, Drehsa, Rackel, Briessnitz, Cannewitz, Weicha nach Gröditz eingepfarrt.

Die Collatur von Kirche, Pfarre und Schule ruht auf den beiden Rittergütern Nechern und Gröditz.

Die Kirche ist schon lange vor der Reformation erbaut und seit dem Jahre 1790 auf den alten Grundmauern völlig erneuert. Alterthümer und Denkmäler von geschichtlichem Werthe sind weder in der Kirche noch auf dem Kirchhofe vorhanden.

Seit dem Jahre 1826 befindet sich in der Parochie eine Nebenschule in Wurschen. Das von der damaligen Besitzerin des Ritterguts Wurschen, der Fr. Friederike Louise Christiane verw. Kammerherrin von Thielau überlassene Haus hat im Jahre 1838 und 1839 eine zweckmässigere Einrichtung erhalten.

Die Zahl der Schulkinder, welche hier unterrichtet werden, beträgt 150.

Die Collatur über die Schulstelle ist mit dem Besitze des Gutes Wurschen verbunden.

Eine andere Nebenschule dieser Parochie befindet sich zu Rackel.

Der Gottesdienst in Gröditz wird, da die Parochie aus Wenden und Deutschen bestehen, an jedem Sonn- und Festtage zuerst in wendischer und gleich darauf in deutscher Sprache gehalten.

Die ganze Kirchfahrt hat einen gemeinschaftlichen Begräbnissplatz, der die Kirche rings umgiebt und den Ruhestätten darauf durchgängig eine felsenfeste Grundlage gewährt.

In der Nähe von Gröditz befindet sich der berühmte Berg, Czernebog oder auch Frageberg genannt. Dieser Berg, wendisch Praschiza, Praschiwa Hora, auch Czerneboh genannt − ist nicht nur im Bereiche der Parochie, sondern auch in der Reihe der Berge, die rechts der Strasse von Bautzen nach Löbau liegen, der höchste Punkt und verdient sowohl wegen der schönen Aussicht, als auch deswegen erwähnt zu werden, weil er zu den Orten in der Lausitz gehört, wo die schauerlichen Mysterien der gefürchteten Nacht- und Todesgöttin – Czerneboh Pya – Statt fanden und von dieser wie von der Lebens- und Liebesgöttin – Ziea – durch Priester und Priesterinnen Orakelsprüche ertheilt wurden. Der Tradition zufolge fand sich vornehmlich eine Repräsentation und ein Orakel der Czerneboh Pya auf dem genannten Frageberge. Er ist zum Theil mit Holz bewachsen und mit vielen grösseren und kleineren Felsstücken bedeckt. Insonderheit zeichnen sich 5 grosse immer einige 100 Schritte von einander entfernte und gleichsam geschichtete Haufen Granitblöcke auf demselben aus. Der von Osten gegen Westen gerechnet erste Fels heisst mala Kaczka – kleine Ente, der andere wulka Kaczka – grosse Ente – der folgende dritte, vierte und fünfte Haufen aber führen den Namen des ersten, zweiten und dritten Fragebergs.

Nachdem bei der Einführung des Christentums auch hier die Arae Deorum Dearumgne zerstört und die zu den Symbolen der auf [159] dem oberlausitzischen Olymp aufgestellten Gottheiten führenden Felsengänge verschüttet worden sind, bemerkt man jetzt noch eine Oeffnung – die Teufelshöhle genannt – aus welcher die Götterworte durch einen im Felsen verborgenen Priester ertönten.

Wurschen wie Gröditz gehört jetzt zum Gerichtsamt Weissenberg, zum Bezirksgericht Löbau, zum Regierungsbezirk Bautzen.

Wurschen zählt jetzt in 33 bewohnten Gebäuden mit 48 Familienhaushaltungen 249 Einwohner.

M. G.