Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Wiesenburg

Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Wiesenburg
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aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 145–146
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: [1856]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Wiesenburg.


war früher der Sitz eines nicht unbedeutenden Amtes, welches in dem uralten Schlosse sich befand. Die Lage des Letztern ist ungemein schön und deshalb hat sich solches auch sehr oft des Besuches von Naturfreunden zu erfreuen. Das breite Muldenthal, welches man von einem Platze ganz in der Nähe des Schlosses übersehen kann, gehört zu den reizendsten und sanftesten Thalparthien, wo die Mulde sich nördlich von Grünau und westlich nach Silberstrasse schlängelt.

Das Schloss selbst bietet von Norden her eine malerische Ansicht: Aber als Burg betrachtet hat es für den Alterthumsforscher nicht mehr das hohe Interesse, weil von derselben eigentlich nichts mehr übrig ist, als einiges Gemäuer (dessen Zwecke nicht mehr kenntlich sind), und ein ungeheuer runder Thurm mit 6½ Ellen starken Mauern. In letzterem konnte man sonst hinaufsteigen und fand oben einen Boden mit Brustlöcher, wo sich eine herrliche, eben so reiche als gefällig gruppirte Aussicht darbot, wo früher bisweilen sogar getanzt wurde: jetzt ist die Treppe sammt Eingang verschüttet. Letzterer befand sich in der Höhe, wie in andern runden Burgthürmen jenes Alters z. B. in Gnandstein, Scharfenstein, Kohren, Seida u. s. w.

In den Schlosshof führt das innere Burgthor unter einem Thurme hinweg, wogegen ein äusseres Thor schon vorher den Eingang in einen gartenähnlichen Hof öffnet, an dessen Ostseite sonst das eigentliche Herzoglich-Holstein-Wiesenburgische Residenzschloss stand, welches in Folge eines Brandes im vorigen Jahrhundert abgetragen werden musste.

Die Räume und Abhänge um das Schloss waren grösstentheils für das Amtspersonale in Gärten verwandelt worden.

Wer eigentlich der Erbauer des alten Schlosses war, lässt sich nicht mit Gewissheit ermitteln. So viel steht fest, dass es erst nach Vertreibung der Sorben-Wenden aus hiesiger Gegend erbaut worden ist. Der hiesige Bezirk gehörte zum Gau Zwickowe; aber das ganze Gebiet war zu den Zeiten der Sorben nur tiefer undurchdringlicher Wald. Der Name Wiesenburg selbst auch deutet auf deutschen Ursprung und mag der Ort selbst als Grenzfeste gegen die Sorben-Wenden ursprünglich gedient haben.

Die ersten bekannten Besitzer der spätern Herrschaft Wiesenburg waren die Herren von Planitz. Ums Jahr 1500 hatte es der Reichsritter von Planitz, welcher von 1494 bis 1513 Kreishauptmann und Gouverneur zu Zwickau war, vom Kaiser 1522 die erbliche Würde eines Edlen erhielt und 1530 in die Kirche zu Planitz begraben wurde. Von seinen Söhnen erbte es nicht der berühmte kaiserliche Orator Hans von der Planitz, sondern der Augsburger Rath Rudolph, welcher es noch 1572 besass.

Damals reichten die Planitzschen Besitzungen von der Schönecker bis in die Lössnitzer Gegend.

Nach den Herren von Planitz acquirirte die Herrschaft der Stadtrath zu Zwickau, von welchem solche 1618 Johann George I. erkaufte: Letzterer verpachtete die Besitzung an den reichen Stadtrichter Hans Schnorr in Schneeberg. Im Jahre 1662 wurde die ganze Herrschaft dem Herzog Philipp Ludwig zu Schleswig-Holstein Sonderburg überlassen, dessen Linie nunmehro sich die von Holstein-Wiesenburg nannte, gewöhnlich in Wiesenburg residirte und 1744 ausstarb, jedoch schon seit 1724 Wiesenburg nicht mehr besass. Herzog Leopold K. K. Rath verkaufte 1724 die Herrschaft an K. Friedrich August I., der mit Zuziehung noch einiger Orte ein Amt daraus bildete und die Besitzung selbst in ein Amtsvorwerk oder Kammergut verwandelte, was nun seit Einführung der Constitution in Sachsen Staatsgut geworden ist.

Die Lage des Orts, besonders des Schlosses ist ungemein schön, wozu das breite Muldenthal, mit den üppigsten Wiesen erfüllt, die der Fluss in grossen Bogen durchzieht, das meiste beiträgt. Von den herrlichen Wiesen scheint auch der Ort und die Burg den Namen erhalten zu haben, weil es weit und breit eine solche Wiesenfülle nicht mehr giebt. Am rechten Ufer der Mulde wird von derselben der Schönauer Bach aufgenommen, von welchem auch ein grosser Bewässerungsgraben [146] über den Fluss durch einen Aquäduct geleitet ist. Die Berge auf der Wiesenburger Seite sind niedriger aber steiler, als am rechten Ufer, wo in Nordost der 200 Ellen hohe Aschberg ansteigt, an dessen nordwestlichem Abhange jährlich das Schönauer Radschiessen gehalten wird. In Nordost stehen am linken Muldenufer durch eine Allee mit der Hölle verbunden, diejenigen 8 Häuser von Silberstrasse, welche eigentlich die arme Ruhe genannt wurden, später die alte Ruhe getauft worden sind. Die erwähnte Hölle ist ein Gasthaus unterm Schlossfelsen dicht an der Mulde, über welche hier die 70 bis 75 Ellen lange bedeckte Höllbrücke nach Schönau, so wie die Strasse von Kirchberg nach Wildenfels führt. Nach dem nahen unterm Ende von Weissbach führt längs der Mulde hinauf der Narrensteig und schliesst mit dieser zusammen die alte Wörth, eine schöne Wiese mit einem Teiche, ein; die Wiesen unter Schönau hingegen heissen die Auwiesen und auf ihnen soll der Volkssage nach ein Kloster gestanden haben; 2000 Schritt nördlich vom Schlosse im Oberhaselauer Gebirge sind noch Ruinen von einer Burg übrig, von welcher die Geschichte gänzlich schweigt. Vermuthlich ist solche schon zu Zeiten des Faustrechts zerstört und nicht wieder aufgebaut worden.

Durch die früheren und durch den jetzigen Domainenpachter ist die Oeconomie des Gutes von Wiesenburg fast in jeder Art verbessert worden.

Das gesammte Feld suchte man urbar zu machen, legte grosse Bewässerungsgräben an, bestimmte durch Rainsteine die Grenzen des Gutes, vermehrte und verbesserte die ganze Schäferei, so dass die hiesige Wirthschaft wirklich eine Musterwirthschaft geworden ist. Die neuen Wirthschaftsgebäude zeichnen sich mit Brauerei und Branntweinbrennerei vorzüglich aus, so wie auch eine ausgezeichnete Viehmastung existirt.

Der Ort Wiesenburg hat sich in neuern Zeiten sehr gehoben und an Einwohnern[WS 1] zugenommen. Es zählt jetzt 54 bewohnte Gebäude mit 459 Einwohnern. Im Orte befindet sich ein Gasthof, der als Vergnügungsort von Schneebergs Bewohnern, von Zwickauer Bürgern häufig besucht wird. Ein sehr schönes, 3 Etagen hohes, mit herrlichem Garten versehenes Gebäude bewohnte sonst Herr Amtshauptmann von Zeschwitz, welches später ein Kaufmann Krause besass, dem es Herr Medicinalrath D. Unger abkaufte. Zuletzt acquirirte dasselbe Herr Factor Kunz aus Wildenfels.

Der Ort selbst, welcher nach Einziehung des dasigen Amts und nach Errichtung eines besondern Landgerichts in Kirchberg, zu dem letzteren Orte gewiesen worden war, ist dem neuen Gerichtsamte Kirchberg einverleibt geblieben.

Hinsichtlich seiner kirchlichen Verrichtungen ist Wiesenburg nach Schönau verwiesen und der Diöces Zwickau zugetheilt.

Das Schloss Wiesenburg hatte zwar in frühern Zeiten seine eigene Schlosscapelle, in welcher der Pfarrer von Schönau aller 14 Tage Gottesdienst abhalten musste: Durch ein Rescript vom 13. April 1725 hörte diese Einrichtung auf, wurde aber auf eingeholte Königl. Erlaubniss den 30. Sept. 1748 wieder hergestellt. Im Jahre 1803 entdeckte man die Schadhaftigkeit dieser Schlosscapelle, weshalb solche nach angestellten Erörterungen abgetragen werden musste und der Gottesdienst in selbiger aufhörte. Von dieser Zeit an haben die Wiesenburger die Kirche in Schönau besucht.

Die Kirche in Schönau hat eine neue Orgel vom Orgelbauer Trampeli in Adorf. Für das frühere Amtspersonal, für den Rittergutsbesitzer in Silberstrasse und für einen Gutsbesitzer in Schönau sind Kapellen eingebaut.

Diese Kirche ist deshalb sehr merkwürdig, weil in derselben Dr. Luther gepredigt und den ersten protestantischen Geistlichen hier eingeführt haben soll.

M. G.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Finwohnern