Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Pretzschendorf

Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Pretzschendorf
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aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 108–110
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: [1856]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Pretzschendorf.


Pretzschendorf liegt 3 Stunden östlich von Freiberg, 2½ Stunden westlich von Dippoldiswalde, in einer für diese höhere Gebirgsgegend ungewöhnlichen, überraschenden Ebene, woher auch der Name kommen mag. Pritzsch in der wendischen Sprache bedeutet so viel als eben, gerade.

Eigentlich wird Pretzschendorf in Ober-, Nieder- und Kleinpretzschendorf getheilt und gehörte zusammen 3 Jahrhunderte hindurch der Familie von Hartitzsch. Im Jahre 1364 einen Nicol von Hartitzsch. Später besassen es 3 Brüder, Johann, Dietrich und Hans Adolph, und deshalb wurde es in Ober- und Niederpretzschendorf getheilt. Es geschah [109] dies im Jahre 1638. Das Collaturrecht über Kirche und Schule wurde wechselseitig vollzogen und Ober- und Nieder-Pretzschendorf wurden als zwei besondere Güter und Dörfer angesehen.

Auf dem oberen Rittergute folgten sich dann als Besitzer, Adam Dietrich von Hartitzsch, Georg Caspar, Adam Friedrich, Wolf Reinhardt von Hartitzsch. Dann kam dieses Gut an einen Caspar von Poick.

Auf dem niedern Rittergute war Hans Wolf von Hartitzsch, von welchem es an Georg Friedrich von Knobelsdorf überging. Von diesem kam es an Margaretha Reichbrodin von Schrenkendorf, die es an Hans Georg von Kannwurf abtrat, von welchem es Anna Helena Vitzthum von Eckstädt annahm. Ihr Gemahl, Hartmann Vitzthum von Eckstädt kaufte 1736 vom obigen Herrn von Poick das obere Gut. Von dieser Zeit an haben das wieder vereinigte Gut besessen, und zwar nach der von Eckstädtschen Familie, Adolph Franz Dietrich von Geissmar, Churfürst. Gothaisch. Kammerjunker; dann Dorothea Friederike von Schönberg, weil. Karl Alexander von Schönberg, Churfürstl. Sächs. Kammerherrn und Oberberghauptmanns Wittwe, welche 1763 mit Tode abging, worauf mit beiden Gütern der Königl. Preuss. Generalmajor Friedrich Wilhelm Gottfried Arndt von Kleist beliehen wurde. Nach dessen Ableben im Jahre 1767 fielen diese Güter nach unserm Lehnrechte an den regierenden Churfürsten. Von diesem wurde, unter der Administration des Prinzen Xaverius, der Major Christoph August von Seifert 1790 damit beschenkt und belehnt. Nach dessen Tode 1790 erbte diese Güter dessen Schwester Charlotte Dorothea von Seifert. Diese überliess solche käuflich dem Geheimen Rathe, Johann Georg August, Freiherrn von Spillner. Von diesem kamen die Güter an seinen Sohn, den Oberlieutenant Georg Christoph August, Freiherrn von Spillner im Jahre 1811, welcher solche im Jahre 1837 an den gegenwärtigen Besitzer, Herrn Karl Julius Klette verkaufte.

Das Rittergut erhielt als vereinigtes Gut erst im Jahre 1756 die Schriftsässigkeit.

Das Schloss selbst gewährt wegen seiner herrlichen Lage ein liebliches Bild, wie dies in den beiliegenden Prospecte zu sehen ist. Frohnen hatte es vor der Ablösung sehr wenig und die Schaafhuthungsgerechtigkeit durfte hier gar nicht exercirt werden.

Der Boden trägt hier alle edlen Feld- und Gartenfrüchte. Nächst dem Brodbedarf wird der Flachs, der hier sehr vorzüglich ist und in grosser Menge abgesetzt wird, am stärksten producirt.

Die Viehzucht bei Stallfütterung wird hier mit grossem Fleisse und Nutzen betrieben. Daher ein starker Handel mit Butter und Käse bei der musterhaften Reinlichkeit der hiesigen Wirthinnen und dem in jedem Bauerhofe fliessenden reinen und kalten Röhrwasser von anerkannten Vorzügen. Spinnen, Leinwand weben und Leinwand bleichen ist hier das Thun und Treiben in den Häusern der Reichen und Armen.

Ein gewisser Illger war der Erfinder der allgemein gangbaren Flachsbrechmaschinen, welche durch den noch lebenden Sohn, den Glasermeister Illger, nebst einem andern Glasermeister Fischer, besonders verbessert wurden und wegen ihrer Einfachheit und Billigkeit vorzüglich gesucht werden; auch fertigen genannte Meister noch andere besonders höchst vervollkommnete Getreidereinmach-Maschinen.

Auch zwei Kramer sind im Orte, von denen der eine, Namens Zimmermann, einer Concession zum fast ganz unbeschränkten Handel mit Material- und Schnittwaaren sich erfreut.

Eine zum Dorfe gehörende, an der Weiseritz gelegene, sowie drei noch andere kleinere, im Dorfe selbst befindliche, und zwei jenseits der Weiseritz gelegene Mühlen, sorgen nicht allein für den Mehl- und Oelbedarf des Orts, sondern führen auch alljährlich eine namhafte Quantität hier geschnittener Bretter und Latten zum Verkauf der andern Gegenden Sachsens, vorzüglich aber Dresden zu.

Ausserdem findet man hier alle unentbehrliche Handwerksleute; auch eine Schönfärberei, eine Zwirnfabrik von grossem Umfange.

Unter den Einwohnern giebt es 61 Bauern, 51 Gärtner, 57 Häusler.

Prinz Heinrich von Preussen fand die Höhe diesseits der wilden Weiseritz allhier zu einer militärischen Position vorzüglich geeignet und besetzte solche im 7jährigen Kriege 1762 mit dem unter seinem Commando stehenden Truppen, und die Oesterreicher erlitten dadurch grossen Verlust. Es war dies in demselben Jahre, wo Friedrich des Grossen Schicksal durch den Tod der Kaiserin Elisabeth von Russland sich wendete, da Peter III. ihr Thronfolger, Friedrichs Bewunderer war und vom Kampfplatze zurücktrat.

Der Friede kam auch noch im nämlichen Jahre zu Stande und endete den unseligen Streit.

[110] Pretzschendorf ist auch bekannt durch einen seiner Geistlichen, durch M. Samuel Adami genannt Misander als Schriftsteller. Er war in 59 Jahren nicht eine Stunde krank gewesen und auch die Pest im Jahre 1680 konnte ihm nichts anhaben, so sehr sie auch im Dorfe wüthete. Seine hinterlassenen Schriften tragen freilich den Geschmack seiner Zeit. Er ist Verfasser des Kirchenliedes: „Welt tobe, wie du wilt und wüthe“.

Die Kirche zu Pretzschendorf, eine der schönsten auf dem Lande, wurde vor 122 Jahren errichtet, wozu der Pfarrer Güttner einen zum hiessigen Pfarrgute gehörigen freiern und schicklichern Platz einräumte, als worauf die alte Kirche bisher gestanden hatte.

Der hiesige Kirchhof, mit seinem von hohen Mauern und Bäumen eingeschlossenen sehr grossen Raume, zeichnet sich durch ungewöhnlich viele und zum Theil ins Auge fallende Denkmäler aus, die sich in der neuern Zeit durch die Kunstfertigkeit des obgedachten Glasermeisters Illger sehr vermehrt haben und welche dem sie betrachtenden Wanderer als Opfer kindlicher und ehelicher Liebe, Herz und Gemüth tief ergreifen.

Die Pfarrgebäude sind wohlgehalten und freundlich. Die Kirche steht unter der Inspection Freiberg, und wie schon erwähnt, unter der Collatur des hiesigen Ritterguts.

Vor der Reformation stand das Dorf unter der geistlichen Gerichtsbarkeit des Meissner Domprobstes und deren Freiberger Bezirk.

Eingepfarrt sind die Dörfer:

Röthenbach ½ Stunde von Pretzschendorf dürfte bei einer Meereshöhe von 1700 Pariser Fuss als einer der höchsten Puncte in der Umgegend zu betrachten sein. Oestlich vom Dorfe, in dem romantisch schönen, starkbewaldeten Weiseritzthale liegen jenseits von Weiseritz 2 Mühlen, wovon die eine, die Thalmühle, nach Beerwalde, die andere nach Reichstädt gehört; wogegen die diesseits der Weiseritz mit Schneidemühle verbundene Mahlmühle nach Röthenbach gehört.

Ueber Röthenbach stand im Jahre 1336 dem Burggraf von Meissen das Vasallenrecht zu und der Ort selbst gehörte zur Herrschaft Frauenstein.

In den Jahren von 1465–1515 ist Röthenbach aus dem Besitze der Burggrafen an das Rittergut Pretzschendorf übergegangen. Im 15. Jahrhundert kam es an das Rittergut Weissenborn, bis Johann Georg I. dasselbe 1615 einem von Hartitzsch abkaufte und zum Amte Dippoldiswalde zog.

Der sogenannte Röthenbacher Berg erhebt sich nahe dem Orte und es ist sein mit Tannen und Fichten bewachsener Gipfel weithin sichtbar, so wie man auch von demselben herab, vorzüglich nach Dresden hin, eine Aussicht hat, welche wohl keinen seiner Besucher unbefriedigt herabsteigen lässt.

Die Form dieses Berges hat viel Aehnliches mit der des Burgberges und des Thürmerig im frühern Amte Frauenstein.

Der zweite Ort, der nach Pretzschendorf gepfarrt ist, liegt 1 Stunde nördlich von Frauenstein und heisst Friedersdorf Die sogenannte Butterstrasse führt durch dieses Dorf und zieht dem alten berühmten Gasthofe und der nahe dabei liegenden Schenke manchen Besuch zu.

Pretzschendorf, mit Einschluss von Ober-, Nieder - und Kleinpretzschendorf, hat 177 bewohnte Gebäude mit 253 Familienhaushaltungen und 1372 Einwohner. Es gehört jetzt zum Gerichtsamte Frauenstein, zum Bezirksgericht Freiberg, zur Amtshauptmannschaft Freiberg, zum Regierungsbezirk Dresden. Röthenbach und Friedersdorf, ersteres mit 58 bewohnten Gebäuden, mit 79 Familienhaushaltungen und 418 Bewohnern; letzteres mit 52 bewohnten Gebäuden, mit 83 Familienhaushaltungen und 441 Einwohnern, gehören unter dieselben Behörden, wie Pretzschendorf.

Die einige Kalköfen in sich schliessenden Fluren des fast 1 Stunde langen Pretzschendorfs rainen mit Röthenbach, Friedersdorf, Oberbobritzsch, Sora, Colmnitz, Cunnersdorf und Beerwalde.

M. G.