Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Oberschaar

Textdaten
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Autor: O. M.
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Titel: Oberschaar
Untertitel:
aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 49–51
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: [1856]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Oberschaar
bei Freiberg.


Oberschaar, eine Meile von Freiberg gelegen, besteht aus einem Rittergute, dem Dorfe Oberschaar und einem von Gute abgebauten Dörfchen Neuoberschaar, auch die Haide genannt. Der Ort erstreckt sich, an dem Niederschönaer Bache hinlaufend, fast bis nach Niederschöna und zählt in zwei und funfzig Feuerstätten über dreihundert Bewohner. Hier sind viele schöne und starke Güter mit fruchtbaren Feldern, und drei Mühlen mit sechs Gängen, die zum Theil von der Bobritzsch getrieben werden, welche an dieser Stelle ein romantisch schönes Thal bildet. Die Fluren des Dorfes Oberschaar grenzen fast überall mit dem Gebiete des alten Erbamtes Meissen.

Man findet Oberschaar bisweilen auch fälschlich Ober-Schaar geschrieben, da es doch niemals ein Unter-Schaar gegeben hat und geben kann, indem „Schaar“ kein eigenthümlicher Name ist. Von Manchen wird behauptet, dass Schaar aus „Scheuer oder Scheune“ zusammen gezogen sei, während andere der Meinung sind dass der Name von Pflugschaar abzuleiten und auf die Fruchtbarkeit der hiesigen Felder zu beziehen sei; beide Ansichten vereinigen sich indessen darin, dass Oberschaar (Ueberschaar) soviel als ein Beigut, Vorwerk, isolirtes Areal, bedeuten solle. Uebrigens versteht man unter dem Ausdrucke Oberschaar auch das eingeschlossene Stück bergmännischen Feldes, welches zwischen zwei bereits vermessenen Zechen liegt, und nach bergmännischem Rechte gleichmässig an beide Zechen vertheilt wird; dass aber auf einer solchen Oberschaar ein Dorf erbaut werden konnte ist nicht anzunehmen. Dergleichen Oberschaaren finden sich bei Lippersdorf, bei Zethau (wo es ein untere und obere Oberschaar giebt) und bei Dorfchemnitz. – Nahe bei dem Dorfe Oberschaar mündet das Schönaer Wasser in die Bobritzsch; der Ort liegt neunhundert Pariser Fuss über Meereshöhe.

Die Gründung des Dorfes Oberschaar dürfte in das zwölfte Jahrhundert zu versetzen sein, wo die reichen Freibergischen Bergwerke Veranlassung zur Ansiedelung einer grossen Menge betriebsamer Leute gaben, denen die Entstehung der meisten Freiberg umgebenden Ortschaften zuzuschreiben ist. Im vierzehnten Jahrhundert gehörte Oberschaar den Burggrafen von Meissen. Im Jahre 1418 kaufte der Pfarrer Wilde zu Freiberg Nikol Weyharden zu Oberschaar einige Zinsen ab, zu gleicher Zeit eignete Burggraf Heinrich von Meissen einige Zinsen aus diesem Dorfe zu einer Frühmesse und einem salve regina im Dome zu Freiberg, und überliess sogar 1425 diesem Gotteshause zu demselben Zwecke das ganze Dorf, welche Schenkung Churfürst Friedrich der Streitbare, als Oberlehnsherr, noch in demselben Jahre bestätigte. Durch die Reformation kam Oberschaar in Besitz des Stadtrathes zu Freiberg, der das Gut 1555 für eine Summe von fünfhundertfunfzig Gulden an den damaligen Stadtrichter Peter Alnpeck verkaufte. Dieser starb im Jahre 1563 und fand seine Ruhestätte im Erbbegräbniss der Familie, im Freiberger Dome; Oberschaar aber wurde Eigenthum Valentin Alnpecks, der 1599 mit Tode abging, und dieses Gut dem Gemahle seiner Tochter, Hans von Molsdorf auf Steinbach hinterliess, der noch 1619 in dessen Besitze war. Der nächste Herr auf Oberschaar war nach Hans von Molsdorfs im Jahre 1641 erfolgtem Tode Dietrich von Molsdorf, dem Georg von Molsdorf folgte, welcher das Gut bis gegen 1695 besass worauf es an den um die Stadt Freiberg so hochverdienten Bürgermeister Horn gelangte, dessen Wittwe 1737 noch hier lebte und wahrscheinlich auch auf dem hiesigen Herrenhause gestorben ist. Von den späteren Besitzern wird die Familie Ludwig genannt, welche das Gut noch im Jahre 1820 besass, worauf es an Herrn Friedrich Gottlob Brendel gelangte.

Oberschaar hat vielfache Schicksale, namentlich manche durch die Nähe Freibergs veranlasste Kriegsplage ertragen müssen. Schon im Jahre 1296 wurde das Rittergut durch die Reiter Rudolphs von Nassau geplündert und angezündet, weil der Burgmann des Burggrafen von Meissen, welchem die Bewachung des Schlosses und Aufsicht über das Gut zustand, dem bedrohten Freiberg zu Hülfe gezogen war. Eine alte Chronik erzählt, dass der Anführer des kaiserlichen Kriegsvolkes nahe bei der Stadt ein erhöhtes Terrain besetzte und dasselbe durch eine aufgeworfene Verschanzung befestigen wollte; während dieser Arbeit aber zündeten die Freiberger Bergleute eine darunter angelegte Mine und sprengten dadurch [50] eine grosse Anzahl der Feinde in die Luft. Ob im Jahre 1296, wo dieser Vorfall sich ereignete, wirklich schon Schiesspulver gebraucht wurde ist noch zu ermitteln. – Auf den glücklichen Anfang der Vertheidigung folgten heftige Kämpfe, täglich stürmten die Kaiserlichen gegen die Mauern, welche endlich unter den heftigen Stössen der Mauerbrecher und der ungeheuren Wucht aus Schleudern geworfener Balken und Felsblöcke theilweise zusammenstürzten, aber von den rastlosen Vertheidigern sofort wieder mit Holz und erdegefüllten Fässern ausgebessert wurden, während die Greise, Frauen und Kinder in den Kirchen Gott um Rettung vor dem wüthenden Feinde anflehten. Der Kaiser sah dass durch die fruchtlosen Stürme sein Heer immer mehr zusammenschmolz, deshalb liess er die Stadt umzingeln und forderte noch einmal drohend zur Uebergabe auf, der tapfere Ritter von Haugwitz aber sowie die von ihm befehligten Edelleute der Umgegend und die Männer von Freiberg verhöhnten des Kaisers Antrag und schwuren nochmals treu zu bleiben ihren angestammten Fürsten, Friedrich dem Gebissenen und seinem Bruder Dietzmann. – Da führte nach sechszehn Monaten ritterlicher Vertheidigung ein Bube den Feind verrätherisch durch eine Schleusse der Münzbach in die Stadt und so heldenmüthig deren Besatzung sich auch den Eingedrungenen entgegen warf, mussten sie dennoch endlich der Uebermacht erliegen. Ein Theil der Kriegsleute hatte bei dem Verluste der Stadt sich auf die Burg zurückgezogen, deren Besatzung jede Aufforderung zur Uebergabe entrüstet zurückwies, bis endlich Markgraf Friedrich einen Boten von Meissen herbeisendete mit dem Befehle zur Erhaltung so wackerer Krieger den ungleichen Kampf einzustellen und das Schloss dem Kaiser zu übergeben. Adolf von Nassau hatte der Besatzung freien Abzug versprochen, als aber die Thore der Veste sich öffneten liess er deren Vertheidiger gefangen nehmen und drohte ihnen mit dem Tode wenn nicht ein bedeutendes Lösegeld herbeigeschafft würde. Der Hass des Kaisers ruhte namentlich auf den Edelleuten welche aus der Nachbarschaft zur Vertheidigung herbeigekommen waren, und da Viele derselben das verlangte Lösegeld nicht auftreiben konnten, liess der erbitterte Sieger sechszig adligen Männern die Köpfe abschlagen. Zu spät langte ein zweiter Bote Markgraf Friedrichs an, welcher dem Kaiser für das Leben der übrigen Edelleute die Städte Grimma, Rochlitz und Lausigk anbot.

Das Häuflein der übriggebliebenen Edelleute zog nach Meissen, wo Markgraf Friedrich sie mit thränenden Augen empfing, aber die tapferen Männer konnten ihrem Fürsten, der vom Kriegsglück verlassen, aller Geldmittel entblösst, ein armer, von hundert Gefahren bedrohter Flüchtling war, für jetzt nichts nützen, desshalb entliess sie Friedrich bis auf besser Zeit nach ihrer Heimath. Als er nach Jahren unerkannt in Freibergs Nähe herumstreifte, entdeckte er sich einem dieser treuen Männer, der eine grosse Quantität geschmolzenen Silbers für seinen Fürsten zusammenbrachte, so dass dieser neue Kriegsrüstungen beginnen konnte. Die Schlacht bei Lucka (1307) machte Friedrich den Gebissenen zum Herrn seiner angestammten Länder, und nun übte er auch an der kaiserlichen Besatzung zu Freiberg ein furchtbares Vergeltungsrecht, indem nach kurzer Belagerung die Stadt genommen und ihre Besatzung fast durchgängig niedergemetzelt wurde; mehrere Bürger aber die es mit dem Feinde gehalten, empfingen schwere Strafen.

Auch der dreissigjährige Krieg traf Oberschaar, wie überhaupt Freibergs Umgegend, ziemlich hart. So drang im October 1631 hier ein Haufen kaiserlicher Soldaten ein und verübte die abscheulichsten Excesse, raubte das Vieh, misshandelte die Einwohner und verbrannte mehrere Güter. Auch 1632 wo Freiberg durch den General Gallas belagert wurde, stellten sich oft fouragirende Detachements ein, die den armen Leuten häufig das letzte Brod entrissen. Als nach dem grossen Siege bei Leipzig Torstensohn mit seiner ganzen Macht vor Freiberg zog und die Stadt sieben Wochen lang von dem Feinde unaufhörlich bestürmt wurde, ohne dass eine Uebergabe bewerkstelligt werden konnte, begannen die Leiden der umwohnenden Landleute von Neuem, und namentlich hausten die Schweden auf den Dörfern um so unmenschlicher, weil eine grosse Anzahl der Dorfbewohner sich den Freibergern als Waffenbrüder beigesellt hatten. Der Abzug des Torstensohnschen Heeres von der „Hexenstadt“ befreite diese sammt ihrer Nachbarschaft auf lange Zeit von gefährlichen kriegerischen Gästen, denn erst als am 29. October 1763 das letzte Treffen des siebenjährigen Krieges in Freibergs Nähe geliefert wurde, erneute sich die Kriegsnoth. – Dass Oberschaar im sechszehnten und siebzehnten Jahrhundert verschiedene Male von Pestkrankheiten heimgesucht wurde war ein Loos welches es mit fast allen Dörfern seiner Umgebung theilte.

Die Kirche zu Oberschaar ist Filial von Krummenhennersdorf. Sie liegt auf einer Anhöhe ist von dem Friedhofe umgeben und trägt einen kleinen Thurm. Das Innere des kleinen anspruchslosen Gotteshauses ist schmucklos, doch verdient Erwähnung das vorhandene Altargemälde, Christi Kreuzigung darstellend, welches von tüchtiger Künstlerhand geschaffen wurde. Der Besitzer des hiesigen Rittergutes schenkte der Kirche im Jahre 1835 eine neue Kanzel- und Altarbekleidung, eine Wohlthat die bei dem geringen Vermögen derselben, das zweihundert Thaler beträgt, sehr anerkennungswerth ist. Bis zum Jahre 1833 wurde in der Kirche zu Oberschaar nur an jedem vierten Sonntage Frühpredigt abgehalten, [51] und um den ersten Feiertag hoher Feste, den Charfreitag, das Reformationsfest und die Busstage kirchlich zu begehen waren die Oberschaarer gezwungen sich nach Krummenhennersdorf zu wenden, wo sie in der Mutterkirche eine Anzahl Stände besassen; desshalb trafen beide Gemeinden im genannten Jahre einen Vergleich nach welchem der Frühgottesdienst in beiden Kirchen abwechselt, Oberschaar aber seine Ansprüche an die Krummenhennersdorfer Stände aufgegeben hat. Die Schule, welche unter Collatur des Rittergutes Oberschaar steht, besuchen durchschnittlich sechszig Kinder, wobei auch die des neuangebauten Oertchens Neuoberschaar befindlich sind. Am Ende eines zum Rittergute gehörigen Grundstücks, die Schenkhalbehufe genannt, hat der Hauslehrer des Gutsherrn mit seinen Zöglingen eine niedliche Anlage geschaffen, welche, natürlich in verkleinertem Maassstabe, das Bild der berühmten Bastei vergegenwärtigt und zu den hübschesten Punkten des Bobritzschthales gehört.

O. M.