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Oberschaar
bei Freiberg.


Oberschaar, eine Meile von Freiberg gelegen, besteht aus einem Rittergute, dem Dorfe Oberschaar und einem von Gute abgebauten Dörfchen Neuoberschaar, auch die Haide genannt. Der Ort erstreckt sich, an dem Niederschönaer Bache hinlaufend, fast bis nach Niederschöna und zählt in zwei und funfzig Feuerstätten über dreihundert Bewohner. Hier sind viele schöne und starke Güter mit fruchtbaren Feldern, und drei Mühlen mit sechs Gängen, die zum Theil von der Bobritzsch getrieben werden, welche an dieser Stelle ein romantisch schönes Thal bildet. Die Fluren des Dorfes Oberschaar grenzen fast überall mit dem Gebiete des alten Erbamtes Meissen.

Man findet Oberschaar bisweilen auch fälschlich Ober-Schaar geschrieben, da es doch niemals ein Unter-Schaar gegeben hat und geben kann, indem „Schaar“ kein eigenthümlicher Name ist. Von Manchen wird behauptet, dass Schaar aus „Scheuer oder Scheune“ zusammen gezogen sei, während andere der Meinung sind dass der Name von Pflugschaar abzuleiten und auf die Fruchtbarkeit der hiesigen Felder zu beziehen sei; beide Ansichten vereinigen sich indessen darin, dass Oberschaar (Ueberschaar) soviel als ein Beigut, Vorwerk, isolirtes Areal, bedeuten solle. Uebrigens versteht man unter dem Ausdrucke Oberschaar auch das eingeschlossene Stück bergmännischen Feldes, welches zwischen zwei bereits vermessenen Zechen liegt, und nach bergmännischem Rechte gleichmässig an beide Zechen vertheilt wird; dass aber auf einer solchen Oberschaar ein Dorf erbaut werden konnte ist nicht anzunehmen. Dergleichen Oberschaaren finden sich bei Lippersdorf, bei Zethau (wo es ein untere und obere Oberschaar giebt) und bei Dorfchemnitz. – Nahe bei dem Dorfe Oberschaar mündet das Schönaer Wasser in die Bobritzsch; der Ort liegt neunhundert Pariser Fuss über Meereshöhe.

Die Gründung des Dorfes Oberschaar dürfte in das zwölfte Jahrhundert zu versetzen sein, wo die reichen Freibergischen Bergwerke Veranlassung zur Ansiedelung einer grossen Menge betriebsamer Leute gaben, denen die Entstehung der meisten Freiberg umgebenden Ortschaften zuzuschreiben ist. Im vierzehnten Jahrhundert gehörte Oberschaar den Burggrafen von Meissen. Im Jahre 1418 kaufte der Pfarrer Wilde zu Freiberg Nikol Weyharden zu Oberschaar einige Zinsen ab, zu gleicher Zeit eignete Burggraf Heinrich von Meissen einige Zinsen aus diesem Dorfe zu einer Frühmesse und einem salve regina im Dome zu Freiberg, und überliess sogar 1425 diesem Gotteshause zu demselben Zwecke das ganze Dorf, welche Schenkung Churfürst Friedrich der Streitbare, als Oberlehnsherr, noch in demselben Jahre bestätigte. Durch die Reformation kam Oberschaar in Besitz des Stadtrathes zu Freiberg, der das Gut 1555 für eine Summe von fünfhundertfunfzig Gulden an den damaligen Stadtrichter Peter Alnpeck verkaufte. Dieser starb im Jahre 1563 und fand seine Ruhestätte im Erbbegräbniss der Familie, im Freiberger Dome; Oberschaar aber wurde Eigenthum Valentin Alnpecks, der 1599 mit Tode abging, und dieses Gut dem Gemahle seiner Tochter, Hans von Molsdorf auf Steinbach hinterliess, der noch 1619 in dessen Besitze war. Der nächste Herr auf Oberschaar war nach Hans von Molsdorfs im Jahre 1641 erfolgtem Tode Dietrich von Molsdorf, dem Georg von Molsdorf folgte, welcher das Gut bis gegen 1695 besass worauf es an den um die Stadt Freiberg so hochverdienten Bürgermeister Horn gelangte, dessen Wittwe 1737 noch hier lebte und wahrscheinlich auch auf dem hiesigen Herrenhause gestorben ist. Von den späteren Besitzern wird die Familie Ludwig genannt, welche das Gut noch im Jahre 1820 besass, worauf es an Herrn Friedrich Gottlob Brendel gelangte.

Oberschaar hat vielfache Schicksale, namentlich manche durch die Nähe Freibergs veranlasste Kriegsplage ertragen müssen. Schon im Jahre 1296 wurde das Rittergut durch die Reiter Rudolphs von Nassau geplündert und angezündet, weil der Burgmann des Burggrafen von Meissen, welchem die Bewachung des Schlosses und Aufsicht über das Gut zustand, dem bedrohten Freiberg zu Hülfe gezogen war. Eine alte Chronik erzählt, dass der Anführer des kaiserlichen Kriegsvolkes nahe bei der Stadt ein erhöhtes Terrain besetzte und dasselbe durch eine aufgeworfene Verschanzung befestigen wollte; während dieser Arbeit aber zündeten die Freiberger Bergleute eine darunter angelegte Mine und sprengten dadurch

     Erzgebirgischer Kreis, 7tes Heft, oder 34stes der ganzen Folge.

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Adolf Pönicke (Hrsg.): Album der Schlösser und Rittergüter im Königreiche Sachsen IV. Section. Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins, Leipzig 1856, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Album_der_Schl%C3%B6sser_und_Ritterg%C3%BCter_im_K%C3%B6nigreiche_Sachsen_IV.djvu/083&oldid=- (Version vom 21.5.2017)