Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Niederrabenstein

Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Niederrabenstein
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aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 193–194
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: [1856]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Niederrabenstein


mit den 2 eingepfarrten Dörfern Oberrabenstein und Rottluff, die an beiden Enden sich an das erstere anschliessen, liegt in einem sehr freundlichen und fruchtbaren Thale, welches sich mehr weit als tief, mit vielen Liebreiz von der 1 Stunde entfernten Stadt Chemnitz nach Westen hinzieht und von dem Rabensteiner Bache durchflossen wird. Der Name ist von der frühern alten Burg Stein zu entlehnen, nicht von der Ansiedelung der hiesigen Steinbrecher.

Nach der Zerstörung der alten Burg „Stein“ ist Niederrabenstein ein Vorwerk von der Herrschaft Rabenstein gewesen, mit welcher es an das Kloster bei Chemnitz kam.

Nach dessen Secularisation wurde es in ein Kammergut umgewandelt, bis es Churfürst Christian II. dem George von Carlowitz schenkte[WS 1], ein Geschenk, welches damals auf 4426 fl. geschätzt wurde.

Dieser Familie hat es lange gehört und manche Wohlthat für den Ort stammt von ihr.

Nach der Familie von Carlowitz kam es eine Zeit lang an das Geschlecht derer von Schönberg aus dem Hause Maxen. Von Anfang des 19. Jahrhunderts befand es sich in den Händen der Familien von Walther und von Mellenstein. Seit 1830 besitzt Herr Kaufmann Reinhold Esche in Limbach das Gut. Letztres zeichnet sich durch seine neuen, eben so grossartig als geschmackvoll und zweckmässig aufgeführten Wohn- und Wirthschaftsgebäude vortheilhaft aus und bietet die Herrschaftswohnung ein halb antikes ehrwürdiges Ansehen.

Die Oeconomie ist von grossem Umfange, Felder und Wiesen ergiebig und der bessern Bodenklasse angehörig verschafft dem Gute einen reichlichen Ertrag. Noch mehr Vortheile gewähren die dazu gehörigen Steinbrüche und die grosse Kalkbrennerei. Seit dem Jahre 1818 gehören auch zwei grosse Teiche zum Gute die früher königlich waren.

Der freundliche, wie in einem Garten gelegene und an ansehnlichen Gebäuden reiche Ort zählt 1477 Einwohner in 19 Gütern, 30 Gärten und 90 Häusern und in 2 Mühlen, von welchen die eine in der Mitte des Dorfes liegt, die andere am Onkritzbache.

Die Einwohner nähren sich grösstentheils von Strumpfwirkerei, doch gewähren auch die hiesigen Kalkbrüche mit den dazu gehörigen Kalköfen denn Orte viel Nahrung.

Im Dorfe selbst wohnen viele Factors, welche nach Chemnitz die gearbeiteten Waaren liefern.

Mit Niederrabenstein hängt nach Westen hin Oberrabenstein zusammen. Es liegt am Ende des oben beschriebenen Thals, welches hier seine Naturschönheiten concentrirt. Dieser Ort ist der alte Stammsitz der Herrschaft Rabenstein, von welchem der noch wohlerhaltene Thurm als Zeuge lang vergangener Zeiten dasteht, umrankt von dem Winter- und Sommergrünenden Epheu, welches ihn noch den späteren Geschlechtern zusammen bewahren zu wollen scheint. Rabenstein ist der spätere Name und bedeutet so viel wie Grafenstein.

Südlich von Rottluff und mit demselben Dorfe paralell geht der noch jetzt sogenannte Pfaffensteg von Chemnitz nach Niederrabenstein, auf welchem der Geistliche vom Kloster bei Chemnitz nach der Capelle zum Stein sich begab, um daselbst die Messe zu lesen.

[194] Beide Orte Rottluff und Oberrabenstein sind jetzt in die Kirche nach Niederrabenstein gepfarrt, wie wir oben schon erwähnt haben.

Die Kirche zu Niederrabenstein ist jetzt für die zahlreichen Kirchengänger bequem und neu erbaut. Zu derselben gehören 3 Todtenäcker.

Auf dem ältesten steht die Kirche. Der zweite mit dem erwähnenswerthen Begräbnissplatze der Familien des Herrn Obristlieutenant von Welk, frühern Besitzers von Oberrabenstein liegt, wie der an ihn stossende dritte, und erst neuerdings vom Pfarrfelde abgetretene Begräbnissplatz unmittelbar vor dem Dorfe nach Süden zu.

Die Pfarrwohnung ist ein räumliches, wohnliches Gebäude, die Schule ein recht stattliches zu nennen. Bis zum Jahre 1837 war auch Oberrabenstein verbunden, seine schulpflichtigen Kinder hierher zu schicken. Rottluff ist schon seit 1839 von Niederrabenstein ausgeschult.

Als Parochie betrachtet, hat Niederrabenstein vor andern verschiedene Vorzüge.

Dahin gehört, dass alle Festtage und bei der Communication der oberen und niederen Herrschaft eine besondere Kirchenmusik aufgeführt werden muss, zu deren Unterhaltung 2 Legate existiren, deren das eine von 200 Gülden auf dem niedern, das andere von 200 Thalern auf dem obern Rittergute haftet.

Die Intressen sind jährlich am Georgentage gefällig und werden unter die hiesigen Kirchenmusiker, den Pfarrer, Schullehrer und dem Organisten getheilt.

Der Pfarrer ist Inspector, der Schullehrer Direktor der Musik.

Der Urheber dieser Stiftung war der frühere hiesige Pfarrer M. Martin Löscher, (1635) welcher aus reiner Liebe zur Musik die Knaben seiner Parochie erst Klassenunterricht ertheilte und mit ihnen dann die Kirchenmusik aufführte.

In den 40ger Jahren entstand ein Prozess wegen dieser beiden Legate und es wurde eine Zeit lang nur von Oberrabenstein der Betrag bezahlt. Es ist aber später der Prozess zu Gunsten der Stiftung ausgefallen und so wird auch die Verpflichtung von Niederrabenstein fernerhin erfüllt.

Ein nennungswerthes Gebäude von Niederrabenstein ist die Schenke, früher das Gericht genannt, welches von der Gutsherrschaft eigends dazu im 18. Jahrhundert acquirirt worden ist.

Die nicht weit vom Dorfe gelegene Onkritz- oder Telzmühle von 2 Gängen, nahe Reichenbrand am Onkritzbache, war sonst ebenfalls herrschaftlich und ist erst im 18. Jahrhundert davon verkauft worden.

Der sogenannte Rabensteiner Wald bildet sich auf dem östlichen Flügel des Hohnsteiner Gebirgs zwischen hier, Pleissa, Wüstenbrand und Grüna aus, in einer Länge von 1¼ und in einer Breite von ¾ Stunden; an Grüna und Rabenstein stösst er fast an. Seine grösste Höhe bei Wüstenbrand erhebt sich gegen 1550 pariser Fuss über das Meer.

Es ist der grösste Wald im Gerichtsamte Chemnitz, gehört als Zubehör zu Grüna mit Reichenbrand, besteht meist aus Tannen und versorgt von allen andern Wäldern die Stadt Chemnitz mit Holz. Wegen seiner hohen Lage sieht man ihn auf den Thürmen in Leipzig sehr deutlich.

Er enthält über Obergrüna sowohl, als von Kändler herauf mehre Steinbrüche. Niederrabenstein, was vor der Einführung der neuen Gerichtsorganisation seine eigenen Gerichte hatte, gehört jetzt nun Gerichtsamte Chemnitz.

M. G.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: sehenkte