Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Erdmannsdorf

Textdaten
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Autor: Otto Moser
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Titel: Erdmannsdorf
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aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 22–23
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: [1856]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Erdmannsdorf.


Nicht weit von dem hochgelegenen Schlosse Augustusburg am Fusse dichtbewaldeter Höhen, liegt das Rittergut Erdmannsdorf, in der Volkssprache auch Erzdorf und Etzdorf genannt, bespühlt von den Wellen der Zschopau, die sich anmuthig und romantisch durch das herrliche kesselförmige Thal dahinwindet. Ueber den Fluss führt hier eine hölzerne Brücke nach Augustusburg, das auf dem Rücken des hohen Schellenberges die Umgegend meilenweit überschaut, und im Westen erhebt sich in einer Höhe von etwa zweihundert und dreissig Ellen über den Niveau der Zschopau ein Berg, die Erdmannsdorfer Höhe genannt, welcher herrliche Aussichten bietet, und nach seinen einzelnen Theilen auch noch andere Namen, wie zum Beispiel „Morgensterns-Hügel und Hösels Höhe“ führt. Ein wunderschöner Punkt ist auch der im Osten hinter dem Pfarrwalde in der Märbitz gelegene Cunnersstein, ein hoher steiler Felsen von geringem Umfange, jedoch zum Schutze des Besuchers mit sicherer Brustwehr umgeben, von wo man eine nicht zu beschreibende Aussicht geniesst, weshalb auch der Cunnersstein viel besucht wird. Der Fels erinnert den Besucher lebhaft an die in der Sächsischen Schweiz gelegene kleine Bastei.

Ueber die Entstehung des Dorfes und Rittergutes Erdmannsdorf fehlen alle Nachrichten, doch leitet man den Namen von „Ortmann“ dem altdeutschen Worte für „Richter“ ab, so dass demnach Ortmannsdorf soviel als „des Richters Dorf“ bedeuten würde. Im dreizehnten Jahrhundert gehörte das Rittergut sammt dem Dorfe einer adligen Familie von Erdmannsdorf, doch darf man dieselbe nicht mit der schlesischen Familie gleichen Namens verwechseln, welche einst das Rittergut Erdmannsdorf im Riesengebirge besass. Im Jahre 1250 wird urkundlich ein Werner von Erdmannsdorf genannt, und 1290 verkaufte ein Ritter von Erdmannsdorf den Ort Oberhermsdorf um zweiunddreissig Mark Silber an das Kloster zu Chemnitz. Peter von Erdmannsdorf war im Jahre 1365 Eigenthümer von Dorfchemnitz, Friedebach und Voigtsdorf, welche Güter noch 1418 einem Johann von Erdmannsdorf gehört zu haben scheinen. Heinrich von Erdmannsdorf, Amtshauptmann zum Hohnstein, muss aus dieser Familie der letzte[WS 1] Besitzer von Erdmannsdorf gewesen sein; er wird zuerst im Jahre 1470 als solcher genannt, 1484 aber gehörte das Gut mit Zubehör bereits dem Bürgermeister zu Chemnitz, Ulrich von Schütz, welcher durch die Schneeberger Silbergruben zu einem gewaltigen Reichthume gelangt war. Auch sein Sohn und Erbe sass auf dem Bürgermeisterstuhle des Rathes zu Chemnitz; ein Bürgermeister von Chemnitz war aber damals eine wichtige Person! – Die Familie Schütz besass Erdmannsdorf bis zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts, wo ein Amtshauptmann von Schütz auf Erdmannsdorf wohnte, später ging das Gut jedoch auf einen Herrn von Jagemann über, von dem es durch Kauf an den Rittmeister Hans Heinrich von Elterlein gelangte, der es wiederum 1824 Sr. Excellenz dem wirklichen Geheimenrathe und königl. Sächsischen Gesandten am französischen Hofe zu Paris, Herrn Hans Heinrich von Könneritz überliess, in dessen Besitz Erdmannsdorf sich noch jetzt befindet. Noch stand vor nicht gar langer Zeit ein uraltes aus gewaltigen Mauern zusammengefügtes Gebäu, welches das Steinhaus genannt wurde; es war die einstmalige Burg, in welcher viele Jahrhunderte hindurch die edlen Geschlechter hausten, welchen Erdmannsdorf gehörte. Als man es abtrug, fanden sich eine Menge Pfeilspitzen, Fussangeln und Waffentrümmer, als Beweise, dass in der Fehdezeit das Schloss feindliche Angriffe auszuhalten hatte. Die Wälle, Gräben und Mauern, welche einst das alte Ritterhaus schützten, sind verschwunden; aber die Sage erzählt noch von einem unterirdischen Gange, der nach der alten Schellenburg, einem gefürchteten Raubschlosse führte, an dessen Stelle Churfürst August zu Ende des sechszehnten Jahrhunderts die noch jetzt stehende Augustusburg erbaute. – Das Rittergut besitzt viele Waldungen, bedeutenden Wiesenwachs, eine Brauerei, Fischerei, treffliche Schafzucht, zwei Mahlmühlen, eine Oelmühle und zwei Schneidemühlen.

Das Dorf Erdmannsdorf zeichnet sich durch Fabrikthätigkeit aus, denn in ihm findet man drei Baumwollspinnereien und noch einige andere Fabriken, die sämmtlich mit Maschinenkraft arbeiten. Ausserdem hat der Ort eine Mühle mit vier Gängen, eine Bleiche, sowie einen bedeutenden Eisenhammer mit einer Schneidemühle, und einem Schlackenbade. Die Einwohnerschaft besteht aus zehn Bauern, vier Gärtnern, fünfunddreissig sogenannten Althäuslern, fünfundzwanzig Lehns- oder Rittergutshäuslern, einem Erbschenken, einem Gemeindeschmied und zwei Schenkwirthen unter den Lehnhäuslern. Bei der letzten Volkszählung fanden sich einhundert und achtundsechszig Familien vor, welche aus neunhundert und siebzig Seelen bestanden. Das Dorf hatte im dreissigjährigen, sowie im siebenjährigen Kriege von den schwärmenden Soldatenhaufen nicht wenig zu leiden, auch erfuhr es die Verwüstungen des Krieges im Jahre 1813, wo im October der König Mürat von Neapel von Dresden her gegen Augustusburg vordrang und am sechsten October auf diesem Schlosse sein Hauptquartier nahm. An genanntem Tage fand in Erdmannsdorf ein heftiges Gefecht zwischen den Franzosen und Oesterreichern statt, wobei das Dorf starke Plünderung erfuhr. Auf der Zschopau werden von hier viele Breter und Nutzhölzer bis nach Grimma geflösst, wodurch eine Anzahl Einwohner guten Erwerb finden. Bei dem Dorfe sind Dachschieferbrüche und Gruben mit trefflichem Thon, welcher sowohl zur Anfertigung von Gefässen, wie auch zum Walken dient.

Die Kirche zu Erdmannsdorf war in den ältesten Zeiten eine der heiligen Jungfrau gewidmete Kapelle, die später durch einen Anbau vergrössert wurde. Dem Besitzer des Rittergutes zu Erdmannsdorf gehört das Patronatsrecht über die Kirche und Schule, welche letztere im Jahre 1834 auf einen von dem Geheimenrath von Könneritz unentgeldlich dazu hergegebenen Platze neu und schön aufgebaut ist und dem Orte zu nicht geringer Zierde gereicht. Das Pfarrhaus war im dreissigjährigen Kriege von den Schweden eingeäschert worden und man hatte zwar dasselbe wieder aufgebaut, aber so enge und leicht, dass endlich keine Reparatur mehr möglich war. Deshalb entschloss man sich im Jahre 1812 zu einem Neubau, und Erdmannsdorf besitzt nunmehr ein Pfarrhaus, welches im Aeusseren und Inneren nichts zu wünschen übrig lässt. Beim Abtragen der alten Pfarrwohnung, fand man in der Erde ein Stück von einer goldenen Kette, woran ein Ring mit einer nicht zu entziffernden Inschrift befestigt war.

In die Kirche zu Erdmannsdorf sind die Augustusburger Amtsdörfer Bernsdorf und Cunnersdorf eingepfarrt, und in dem Chemnitzer Amtsdorfe, Dittmannsdorf bei Zschopau, befindet sich eine Tochterkirche. Durch diese [23] Tochterkirche, welche über eine Stunde von Erdmannsdorf entfernt liegt, wird das hiesige Pfarramt ein sehr beschwerliches und sogar gefährliches, indem nach Dittmannsdorf ein an der Zschopau hinführender Weg, der Leichenweg genannt, der nur wenig befahren wird, über Berg und Thal sich hinzieht und im Winter bei starkem Schneefall, sowie im Frühjahr beim Eisgange der Zschopau oft gar nicht zu passiren ist, so dass der Pfarrer sich oft durch alle denklichen Mittel Bahn brechen muss.

Die Kirche zu Dittmannsdorf ist ein kleines altes Gebäude, mit einem hübschen Altargemälde, welches für einen Lucas Cranach gehalten wird. Ob der Ort, wie man sagt, früher einen eigenen Pfarrer gehabt habe, lässt sich urkundlich nicht beweisen, obgleich ein Bauergut neben der Kirche für das ehemalige Pfarrgut gilt. Dittmannsdorf hat etwa achtzig Häuser, mit ziemlich neunhundert Einwohnern.

Otto Moser, Redact.     




Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: letze