Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Crostewitz

Textdaten
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Autor: M.
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Titel: Crostewitz
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aus: Leipziger Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band I, Seite 46–47
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
Kurzbeschreibung:
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Crostewitz.


Crostewitz ist eines der anmuthig gelegenen Dörfer, welche auf einer Seite von der Pleissenaue, auf der andern aber von fruchtbaren Feldern und Fluren eingeschlossen sind. Der Ort liegt zwischen den Städten Leipzig und Rötha, an der vormals sehr lebhaften alten Bornaischen Strasse und enthält ausser einem bedeutenden Rittergut neun Güter und dreissig Häuser mit ungefähr dreihundert Einwohnern, welche bei der Nähe Leipzigs reichlichen Erwerb finden, zum Theil auch im Orte selbst sich mit Handarbeit, Aufsuchen nutzbarer Pflanzen und Kräuter und Verfertigung hölzerner Pantoffeln beschäftigen. Nahe beim Dorfe vereinigt sich der Göselbach, welcher an den südlich gelegenen Gärten und Wiesen vorüberfliesst, mit der Pleisse und richtet bei hohem Wasserstande durch seine Ueberfluthungen nicht selten bedeutende Verheerungen an.

Crostewitz lag in dem alten Sorbischen Gau oder Pagus Chutizi, welchen die ersten Sächsischen Kaiser im zehnten Jahrhundert nebst anderen Theilen des Slavengebietes mit Gewalt der Waffen unterwarfen. Nach der 968 durch Kaiser Otto I. stattgefundenen Gründung des Bisthums Merseburg wurde auch Crostewitz unter die geistliche Gewalt des ersten Bischofs, Boso, gestellt, und da man zur Belohnung für geleistete Kriegsdienste bewährten Kämpfern die Aufsicht über die Slavischen Ortschaften anvertraute, wofür sie von den Grundstücken gewisse Revenüen bezogen, so bauten diese Sassen zu ihrer Sicherheit feste mit Wall und Graben umgebene Häuser mit nahe daran liegenden Kapellen, auf welche Art auch das Rittergut Crostewitz entstand. Noch jetzt findet man in hiesiger Nähe bisweilen Urnen mit Asche, Gebeinen und kupfernen Geräthschaften als Ueberbleibsel der heidnischen Ureinwohner, die nur langsam und mit unendlicher Mühe zum Christenthume gezwungen werden konnten, wesshalb man auch womöglich die Kirchen in die schützenden Mauern der Burgen einschloss.

Wer die frühesten Besitzer von Crostewitz waren ist unbekannt, erst zu Ende des vierzehnten Jahrhunderts werden die Herren von Ztemen oder Zehmen als solche genannt. Diese Familie sass auf ihrem Stammhause, dem nahen Schlosse Zehmen, bis zum Jahre 1552 und befand sich im Besitze mehrerer in [47] der Umgegend gelegenen Rittergüter, darunter Kötzschwitz, Magdeborn und Debitz. Nach einer noch vorhandenen Lehnsurkunde vom Jahre 1420 erkauften die Gebrüder Nikolas und Hans von Zehmen vom Bischof Nikolas zu Merseburg in hiesiger Gegend verschiedene Güter, darunter sich auch Kötzschwitz befand, wofür sie zweihundert Meissnische Gülden bezahlten. Rudolf von Zehmen verkaufte Crostewitz um 1554 an den Doctor juris und Ordinarius Georg von Breitenbauch zu Leipzig, der 1571 starb und das Gut seinem Sohne Cäsar von Breitenbauch hinterliess, welcher am 19. April die Lehn empfing. Dieser starb 1590 und Hans Jobst von Breitenbauch, sein Sohn, besass das Gut bis 1640, wo es sein einziger männlicher Nachkomme, Cäsar von Breitenbauch, erbte, jedoch schon um das Jahr 1651 an Johann Jacob Panzer auf Cröbern, Gehren und Sestewitz, Kreisamtmann zu Leipzig, verkaufte. Der Kreisamtmann Panzer starb zu Leipzig 1673 und das Gut kam an Johann Rupert Sulzberger, während dessen Herrschaft die zu Sestewitz befindlichen sieben Bauergüter zusammengeschlagen und aus dem Areal das noch jetzt zu Crostewitz gehörige Vorwerk gebildet wurde. Nach Sulzbergers 1725 erfolgtem Tode kaufte Crostewitz Peter Hohmann, Senator, Baumeister und Kaufherr zu Leipzig, Besitzer der Güter Hohenpriessnitz, Sestewitz, Gross- und Kleindeuben, Gehren, Cröbern, Oberglaucha, Meckern, Wallendorf, Gross- und Kleinstädteln und Oetzsch. Ausserdem besass er ein grosses Haus am Markte zu Leipzig, ein zweites in der Peterstrasse – den sogenannten Hohenthalschen, früher Bräunickeschen Hof – und ein drittes in der Katharinenstrasse. In seiner Biographie wird gesagt: „er sei bei Königen, Fürsten und Herren bekannt und wohl gelitten gewesen, und seine ausnehmenden Verdienste hätten Se. Majestät den Kaiser Carl VI. veranlasst, ihn und seine Descendenten aus eigener Bewegniss in den Freiherrenstand zu erheben und den Namen „von Hohenthal“ beizulegen, welcher Würde er sich aber während seines Lebens für seine Person geäussert habe.“ Er starb am 2. Januar 1732 und von seinen sechs Söhnen bekam Crostewitz der Freiherr Theodor August von Hohenthal. Die Familie von Hohenthal wurde gegen Ende des vorigen Jahrhunderts in den Reichsgrafenstand erhoben. 1802 besass Crostewitz nebst Knauthain und Städteln der Graf Friedrich Wilhelm von Hohenthal, von dem ersteres an die Fabrikbesitzer Gebrüder Meinert in Oelsnitz verkauft wurde. Von ihnen kam Crostewitz in Besitz eines Herrn Fiedler, dessen Frau Wittwe, Marie Fiedler, geborne Hartz, es noch jetzt besitzt.

Ausser dem Dorfe Crostewitz gehört zu dem Rittergute ein Theil des Dorfes Cröbern, Gehren und das schon erwähnte Sestewitz, sowie die Collatur über Pfarre und Schule zu Cröbern.

Die Kirche zu Cröbern, wohin ausser Crostewitz auch die Schäferei Auenhain mit sieben Familien eingepfarrt ist, ist ein geräumiges, helles, schönes Gebäude, welches an der Stelle des alten baufälligen Gotteshauses durch Mitwirkung der Gerichtsherrschaften und der Gemeinde im Jahre 1750 begonnen und 1755 von Dr. Stemler als Vikar des bald darauf verstorbenen Superintendenten Deyling feierlich eingeweiht wurde. Sie liegt nebst dem Schulgebäude und den Häusern der sogenannten Kirchgasse auf einem sanft abdachenden Hügel, an dessen Fuss die Pfarrwohnung erbaut ist, zu welcher neununddreissig Acker an Feld, Wiesen und Holz gehören. Der Kirchenbau und die hohe Brandkassenversicherung erschöpften das vormals nicht unbeträchtliche Vermögen des Gotteshauses dergestalt, dass es nur noch aus einigen hundert Thalern besteht. Die Armuth der Kirche bestimmte den Gerichtsherrn, Geheimrath Friedrich Wilhelm Grafen von Hohenthal, ihr 1820 ein Capital von zweitausend Thalern zu schenken, dessen Jahreszinsen ohne jede Einmischung der weltlichen Behörde zu den nöthigsten Reparaturen der geistlichen Gebäude, mit Ausschluss aller Beiträge zur Brandkasse, verwendet werden sollen. Für den Fall, dass man nicht die ganze Summe der Zinsen zu dem genannten Zwecke verbrauchte, sind die Kirchväter zu Crostewitz und Cröbern verpflichtet, den Rest unter die würdigsten und bedürftigsten Armen des Crostewitzer Gebietes zu vertheilen; unter keinem Vorwande darf dieses Geld zu irgend einem andern Zwecke benutzt werden. Für die Verwaltung dieses Legates erhalten die Pfarrer und die Kirchväter zu Cröbern jeder fünf Thaler, und ebensoviel empfängt der Superintendent in Leipzig für Durchsicht und Prüfung der abzulegenden Jahresrechnung. Ausserdem besitzt die Kirche noch einige Legate aus den Jahren 1698, 1712 und 1719, deren Interessen theils dem Kirchenärar, theils dem Pfarrer und Schullehrer zufallen. Die Schule besitzt ein Capital von dreihundert Thalern, wodurch den Kindern armer Eltern die Wohlthat eines freien Schulunterrichts soweit gesichert wird, als die Zinsen ausreichen. – Eine Schwesterkirche von Cröbern ist die zu Wachau.

Die Tage der Völkerschlacht im Jahre 1813 waren, wie für die ganze Umgegend, auch für Crostewitz und Cröbern Tage des Schreckens und der Gefahr. Namentlich am 16. October bereiteten die Truppen der Verbündeten in der Nähe mehrere Evolutionen vor und von hier aus machten die Russischen Garden den siegreichen Angriff auf das von Franzosen besetzte Auenhain. Nachdem der grösste Theil der Gemeinde sich in die Kirche und Pfarre geflüchtet hatte, boten zuletzt auch diese Orte keine Sicherheit mehr, und auf den Rath Oesterreichischer Offiziere zogen die angsterfüllten Landleute unter Anführung ihres Pfarrers, Magister Palm, über die Gösel und Pleisse nach den Nachbardörfern Städteln und Gaschwitz, bis endlich durch Leipzigs Einnahme die grösste Gefahr beseitigt war. Auf dem Kirchhofe zu Cröbern befindet sich ein kleines verfallenes Denkmal, welches Soldaten des Preussischen zehnten Infanterieregiments zu Ehren ihrer in der Nähe gefallenen Kameraden errichteten.

M.