Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Bärenstein
mit seinem auf felsiger Höhe gelegenen Schlosse erinnert uns so recht deutlich an die Wohnungen der alten Ritter, an ihre Turniere, an ihre Gastmähler und ihre Abenteuer.
Das Aeussere des Schlosses verspricht zwar kein hohes Alter, weil es seit seinem Ursprunge einmal abgebrannt ist und dessen Aufbau nach dem neueren Style erfolgte. Doch die Lage des Schlosses selbst und die alten Grundmauern desselben lassen uns nicht vorüber gehen, ohne erst zu fragen, wie mag es hier sonst gewesen sein, wer mag hier sich seines Lebens erfreut oder in Seufzen und Wehklagen seine Tage verbracht haben? War hier eine Zufluchtsstätte der verfolgten Unschuld, war es ein Ort, wo dem Hülfesuchenden bereitwillig die Arme geöffnet wurden, oder war es ein Platz, von wo aus man des Nachts auf Beute auszog, von wo aus man den Reisenden und stillen Wanderer überfiel, um ihn seiner Habe zu berauben, von wo aus man den Vorüberziehenden ergriff und in das dunkle Burgverlies warf, um ihn auf ewig den Augen der Welt zu entziehen?
Frager, du erhältst eine beruhigende, eine freudige Antwort: Bärenstein war von seinem Beginnen bis auf die neuesten Zeiten eine Wohnung der Tugend, der Frömmigkeit.
Stolz können wir als Sachsen auf die ersten Erbauer des Schlosses von Bärenstein zurückschauen. Es waren keine anderen als die Herren von Bernstein, die nach dem Schlosse sich nannten und schon ums Jahr 1088 hier existirten. Von hier aus zog im Jahre 1165 Albrecht von Bernstein auf seine Unkosten zu einem Turniere nach Zürich, welches der Herzog von Baiern und König von Sardinien, Welphus Quartus, angestellt hatten. Diese Herren von Bernstein gelangten vermöge ihres Edelmuthes und ihrer Tapferkeit zu hoher Würde, zu grossem Ansehen, sowie auch zu grossem Reichthum. Ihr Gebiet wurde von Jahr zu Jahr erweitert und Bärenstein wurde in damaliger Zeit eine Herrschaft von Bedeutung. Vorzüglich gelangten diese Herren von Bernstein im 13., 14. und 15. Jahrhundert zu einer besondern Bedeutung in hiesiger Gegend durch ihre vielen Besitzungen, durch Anlegung der Orte Beerenburg, Bärenfels, Reinhardtsgrimma, Schmiedeberg, Trausbach, Hausdorf, Lochow (oder Lucha), Ottendorf, Röhrsdorf, Borthen und Gamigk.
Ritter Woltzig von Bernstein, Sohn vom Ritter Heinrich von Bernstein, erbaute Altenberg und legte das Bergwerk, welches durch seine Köhler entdeckt wurde, daselbst 1489 an.
Im Hussitenkriege haben die von Bernstein dem Lande erspriessliche Dienste geleistet. Das Schloss Bärenstein hielten sie zu dieser Zeit immer mit 130 Mann besetzt und alle Angriffe wurden abgeschlagen.
Woltzig von Bernstein starb 1489 und sein Schloss, nebst übrigen Gütern, fiel an dessen Vetter Carl von Bärenstein auf Ottendorf, welcher durch mehre Unglücksfälle genöthigt wurde, seine Besitzung mit Zubehör an den Herzog Albrecht zu verkaufen, welches im Jahre 1496 erfolgte. Seinem Sohne Christoph war aber das Glück vorbehalten, die väterlichen Besitzungen wieder zu erlangen. Dieser rettete bei einem Ausfall aus der von den Friesen belagerten Stadt Franken dem Herzog Heinrich das Leben und durch Vermittlung dieses Fürsten erhielt nach des Vaters Tode Christoph von Bernstein das Schloss Bärenstein wieder käuflich. Christoph von Bernstein vererbte es auf seine Nachkommen, welche es nur noch bis 1638 besassen; denn in diesem Jahre starb Damm von Bärenstein, der letzte des hiesigen Zweiges.
Die Ritter von Bernstein führten folgendes Wappen: ein in silbernem Schilde zum Streit gerüsteter aufrecht stehender schwarzer Bär, auf dem Schilde ruht ein mit einer goldnen Krone bedeckter offener Turnierhelm, aus welchem ein erhabner und zum Streit geschickter Bär hervorragt; die Helmdecken waren schwarz und silbern.
Nach dem letzten von Bernstein kam ihre Besitzung unter Sequestration, bis solche 1676 Siegfried von Lüttichau kaufte, bei welcher Familie der Besitz wahrscheinlich bis 1700 blieb, in welchem Jahre Bärenstein an Hans Heinrich von Schönberg kam, dessen Testament im Jahre 1711 den Grafen von Holzendorf zum Besitzer machte. Noch 1755 gehörte es Letzterem, von welchem es an das von Bünau’sche Geschlecht überging und von demselben bis 1807 behauptet wurde. Späterhin finden wir als Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn von Bärenstein, und zwar im Jahre 1817, den Kammerherrn von Lüttichau, bei welcher Familie diese Besitzung sich jetzt noch befindet.
Die zum Schlosse gehörigen herrschaftlichen Grundstücke betragen 360 Scheffel Feld, 110 Scheffel Wiesen und 421 Acker Holzboden.
Die Viehzucht und die Schäferei ist in der neuern Zeit noch bedeutend erweitert und vergrössert worden. Zur Schäferei wird der im Müglitzthale unterm Schlosse und Dorfe gelegene Hammer-Bärenklau, welcher aus einem herrschaftlichen Gute, einem Mühlengrundstück und 4 Gärtnern besteht. Wahrscheinlich stand in früherer Zeit ein Hammerwerk hier.
Unterhalb des Schlosses liegt das Städtchen Bärenstein und ganz nahe am Städtchen das Dorf Bärenstein, welches älter ist als das Städtchen.
Beide liegen in einer sehr angenehmen romantischen Gegend, ohnweit der böhmischen Grenze, in der Nähe des hohen Geisingsberges; bewaldete Berge, Felsenabhänge, tiefe Thäler und das von den Zinnwäschern roth gefärbte Wasser, die Müglitz, welche sich hier mit grossem Geräusch ergiesst, machen die Gegend malerisch reizend.
Beide Orte befinden sich in der Nähe vieler andern Städte und Dörfer indem sie im Centrum von Lauenstein, Geising, Altenberg, Schmiedeberg, Glashütte und Liebstadt liegen, von welchen Orten die ersteren meistens nur 1 Stunde, wie von Dresden (über Glashütte) 6 Stunden entfernt sind. Die Grenze von Böhmen liegt 2 Stunden entfernt und das so reizende Töplitz, wohin man auf [162] dem Fusswege über’s Mückenthürmchen, Graupen u. s. w. gelangen kann, liegt 4 Stunden von hier.
Das Stadtrecht erlangte Bärenstein im Jahre 1495 durch Vermittlung des Pater von Bernstein, welcher beim Herzog Georg in hohem Ansehen stand. Die Stadt befindet sich im Besitze von einem ansehnlichen Holze, der Gemeindewald genannt; ingleichen von Communfeldern, welche früher aller 3 Jahre verlost wurden, jetzt aber den Hausbesitzern eigenthümlich zugehören. Auch brachte in den frühern Jahren der Bergbau auf Zinn, noch früher auch auf Kupfer und Silber, dem Orte grossen Nutzen, welcher Bergbau gegen früher nicht mehr so schwunghaft betrieben wird.
Der Ort besass hierzu, wie schon seit mehreren Jahrhunderten bis auf die neueste Zeit, sein eignes Bergamt unter Anleitung und Oberherrschaft des Rittergutsherrn, da den früheren Herrn von Bernstein ausdrücklich das Recht verliehen worden war, ein eignes Bergamt aus einem Bergmeister, einem Geschwornen, einem Zostschreiber, einem Ausbeute- und Zubüssboten zu bestellen.
Ebenso steht auch der Gerichtsherrschaft das Collaturrecht über Kirche und Schule zu, welches so alt als das Schloss selbst ist. Denn der erste Erbauer desselben gedachte auch sofort daran, einen Tempel des Herrn anzulegen, um darinnen sowohl seine Privatandachten zu halten, als auch seinen Unterthanen Gelegenheit zu verschaffen, geistige Kost zu erlangen.
Alle Besitzer von Bärenstein haben sich als Freunde der Kirche und Schule bewiesen, wie dies auch jetzt noch der Fall ist. Unter den Besitzern von Bernstein, welche sich um Kirche und Schule durch Vermächtnisse und milde Stiftungen verdient gemacht haben, glänzen vorzüglich die Namen der Herren von Bernstein, von Schönberg, von Holzendorf und von Lüttichau. Das Kirchspiel wird unter solchen Händen auch des ferneren Schutzes nicht ermangeln.
Vor der Reformation gehörte Bärenstein in geistlichen Sachen unter den Briessnitzer Archidiacon des Hochstifts Meissen, in dessen Dippoldiswalder Sprengel es einbezirkt war. Nach der Reformation, welche hier 1540 erfolgte, kam es zur Superintendentur Pirna, wobei es bis ins Jahr 1838 verblieben und in diesem Jahre zur Ephoriestadt erhoben worden ist. Die Parochien, welche zu dieser Ephorie gehören, sind Altenberg, Bärenstein, Börnersdorf, Breitenau mit Filial Oelsen, Dittersdorf, Düben, Fürstenwalde mit Fürstenau, Geising, Lauterstein, Liebenau.
Die Parochie Bärenstein besteht aus dem Städtchen und Dorf Bärenstein und aus Hammer-Bärenklau.
Früher ist Geising nach Bärenklau eingepfarrt gewesen, daher noch eine Abgabe von da an den Pfarrer und Schullehrer in Bärenstein alljährlich entrichtet wird. Die ganze Parochie hat nur eine Schule in der Stadt.
Die Pfarre besitzt nicht unbedeutende Feldwirthschaft, auch Wald, welcher aber jetzt in Kapital verwandelt ist, so dass die Kapitalzinsen für das Holz an den Pfarrer entrichtet werden. Auch die Schule ist mit etwas Feld- und Grasland versehen, ihr Einkommen ist jedoch erst seit kurzer Zeit geordnet.
Durch die Stiftung des Ritters Hans Heinrich von Schönberg auf Bärenstein und Maxen empfangen Pfarrer und Schullehrer einige Zinsengelder. Das Bildniss des gedachten Herrn von Schönberg ist unter dem hohen Altargewölbe der Kirche in Lebensgrösse aufgestellt und stellt einen in Sandstein ausgehauenen geharnischten Ritter dar. Ebenso findet man die Bildnisse des Ehrenvest Caspar von Bernstein, des Woltzig von Bernstein und des Christoph von Bernstein, welche grosse Verdienste um die Kirche sich erworben haben, und deren Andenken heute noch geehrt wird.
Nach dem grossen Brande im Jahre 1738 hat sich vorzüglich der damalige Gerichtsherr, der Ober-Consistorial-Präsident, Kammerherr und Ober-Steuereinnehmer Gottlieb von Holzendorf ein unvergessliches Denkmal der Liebe und Hochherzigkeit dadurch gesetzt, dass er nicht allein einen grossen Saal im Schlosse zur Abhaltung des Gottesdienstes hergab, sondern auch durch seine Verwendung der Kirche, Pfarre und Schule zu deren Wiederaufbau die beträchtliche Summe von 3000 Thalern, 120 Stämme Bauholz und viele andere Baumaterialien zufliessen liess.
Bärenstein die Stadt mit Hammer-Bärenklau hat jetzt 67 bewohnte Gebäude mit 496 Einwohnern, worunter 44 Handwerker und darunter viele Fleischhauer sich befinden, welche seit Jahrhunderten wegen eines sich erworbenen Verdienstes die Gerechtsame haben, nach Dresden schlachten zu dürfen.
Das ganz am Städtchen angebaute Dorf Bärenstein besteht aus 39 Bauern, 33 Häuslern und überhaupt 453 Einwohnern, und besitzt ebenfalls, wie das Städtchen, einen grossen Gemeindewald, wie auch viele und zum Theil gut angebrachte Felder und fast alle noch besondere Waldung besitzen. Ueberhaupt ist der Ertrag des Feldbaues nicht zu den niedrigsten zu rechnen, indem hier allerhand Feld- und Gartenfrüchte, wie auch Obst, gedeihen, und überhaupt der Feldbau durch seine betriebsamen Einwohner immer noch mehr gewinnt. Die Gegend befindet sich demnach nicht in dem Zustande, unter welchem oft das rauhe Gebirge geschildert und verstanden wird.
Die ganze Gegend ist im wahren Sinne des Wortes romantisch zu nennen: Bewaldete Berge, Felsenabhänge, tiefe Thäler und das von den Zinnwäschern roth gefärbte Wasser, die Müglitz, welche sich hier mit grossem Geräusch ergiesst, geben der Gegend einen malerischen, reizenden Anstrich.
Bärenstein mit Stadt und Dorf gehören zum Gerichtsamt Lauenstein und zum Bezirksgericht Pirna.