Reise von Lyon, nach der Perte du Rhone

« Der Tempel der Freundschaft Gedichte (Friederike Brun) Empfindung am Ufer »
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern) am linken Seitenrand.
Textdaten
Autor: Friederike Brun
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Reise von Lyon, nach der Perte du Rhone
Untertitel: An Matthisson, im Merz 1791
aus: Gedichte, S. 84–87
Herausgeber: Friedrich von Matthisson
Auflage:
Entstehungsdatum: 1791
Erscheinungsdatum: 1795
Verlag: Orell, Gessner, Füssli & Comp.
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Zürich
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scan auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
[[index:|Indexseite]]


[84]
Reise von Lyon, nach der Perte du Rhone.

   (An Matthisson, im Merz 1791).


Hier wo der Rhodan grünlich Silber rollt,
     Der nahen Höhen Schneegewand entschwindet –
Begrüß’ ich dich, o Lenz! der, friedlich hold,
     Mit warmem Hauch die Blütenzeit verkündet!

5
Bardale jubelt, hoch verschwebt in Luft,

     Und zartes Grün umkeimt des Wandrers Pfade;
Der Berge Höh’ umflort ein leichter Duft,
     Die Stelze sucht ihr Nest am Bachgestade.

[85] Doch schroff klimmt aus dem Thal der Pfad hinan,

10
     Wo Felsenstirnen grausend überhängen;

Und enger wird die wildverschlungne Bahn,
     Um die sich Trümmer riesenmässig drängen.

Still dämmernd ruht, im Abgrund eingesenkt,
     Cerdonens Thal, vom Abendroth bemahlet;

15
Vauclusen ähnlich, das mein Geist sich denkt,

     Mit wilder Anmut zauberisch bestralet.

Entschwunden, ach! entschwunden war mein Thal –
     Und nackte wilde Felsenzacken starrten
Auf kalter Höh’ empor im lezten Stral,

20
     Empor aus Nebeln die des Dunkels harrten.


Doch freundlich lacht, o Nantua! dein See,
     Vom Morgenlicht an Klippen übergüldet,
Das an des Fichtenberges heitrer Höh’
     Der Rosenknospe sanftes Roth gebildet.

25
[86] Am jähen Abhang schwebt jezt unser Weg,

     Wo schaurig tief die Varceline rauschet;
Doch schon empfängt uns ein umbluhter Steg,
     Den Liebe still, und Heimlichkeit umlauschet.

Wie sanft, wie schmeichelnd, wie so lieblich wallt

30
     Der Rhodan hier von grünen Höh’n hernieder!

Wie Silberthau auf frischer Wiese stralt;
     Melodisch, wie des Furrön Schwans Gefieder!

Wer stürzt dich wild in diese Kluft herab,
     Wie Donner stark, und schneller wie Gedanken,

35
Daß um dein tiefes schreckenvolles Grab,

     Erstaunt und bang, die Felsenmassen wanken?

Es brüllt die Flut tief in der Erde Schooß,
     Und schleudert Schaum hoch aus der schwarzen Hülle;
Drängt sich durch’s Trümmerchaos, reißt sich los,

40
     Und rauscht hervor mit angeborner Fülle.


[87] Allein noch bebt mein Herz sich unbewußt,
     Und meinem Blick entfliehet dies Gebilde;
Ich finde mich, erwacht zu neuer Lust,
     Auf weichem Moos, im lieblichsten Gefilde.

45
Hier dacht’ ich dein, du Liebling der Natur,

     Der ihr lobsingt in Nachtigallen-Tönen,
O Matthisson! der ihre leise Spur
     Entzückt verfolgt durch himmelvolle Szenen!

O folg’ auch hier! Es ruft dein Genius;

50
     Dir winkt dies Thal, der ew’gen Allmacht Tempel!

Nicht nur die Alpen wähle sich dein Fuß;
     Des Jura Saum trägt auch der Gottheit Stempel!