Reise mit der Yacht Maria 1854 zu den Färöern/Kapitel V


KAPITEL V

Freitag und Samstag, 16. und 17. Juni. Da es uns nicht bestimmt war, in dieser Nacht unsere Betten zu sehen, behandelten wir diese beiden Tage als einen einzigen, durchgehenden.
   Den Morgen verbrachte die Crew mit Wasserfassen und wir mit dem Schreiben des unten Stehenden. Gegen Mittag verließen wir Waal und erreichten Thorshavn gegen vier Uhr Nachmittags nach einer ereignislosen Strecke.
   Kaum ankerten wir und verstauten gemächlich die Segel, fiel uns ein Mann auf, der in die Stadt lief, wo seine Ankunft große Aufregung hervorrief. Offensichtlich brachte er wichtige Nachrichten, die sich im Ort wie ein Lauffeuer zu verbreiten schienen. Denn wir sahen die Leute am Ufer hin und her laufen, während alle verfügbaren Boote hastig klar gemacht wurden.
   Mr. Müller wusste angesichts dieser Geschäftigkeit sofort, dass in einem der Fjorde Wale aufgetaucht sein müssen. Da es seine Aufgabe war, die Verteilung all jener, die in seinem Bezirk gefangen werden, zu beaufsichtigen, drängte er uns, nicht einen weiteren Moment mit dem Landgang zu vergeuden, sondern ihn vielmehr zum Ort des Geschehens zu begleiten.
   Unser Boot wurde doppelt schnell gefiert, denn wir hatten solch anschauliche Berichte vom Walfang auf den Färöern gelesen, dass das wir vor allen anderen Dingen sehen wollten. Diese Wale sind nicht die großen Grönlandwale, sondern ein kleinerer Fisch, ausgewachsen etwa vierundzwanzig Fuß lang und mit höchstens zwölf Fuß Körperumfang. Auf den Shetlandinseln sind sie als Caaing-Wal [Globicephala melas] bekannt.
   Obwohl sie üblicherweise als Wale bezeichnet werden, sind sie in Wirklichkeit eine Art riesiger Delphine. Sie folgen einem Leittier in großen Herden oder Schulen von fünfzig bis tausend Exemplaren. In der Folge wurden sie von Dr. Traill aus Edinburg als „Delphinus deductor“ getauft, während Cuvier ihnen aufgrund der runden Kopfform den Namen „Delphinus globioceps“ gab. Wenn beobachtet wird, dass sie sich einer irgendeiner Insel nähern, werden Boten entsendet und Strohfeuer auf den Hügeln entzündet, um Unterstützung herbeizuholen. Die Boote in ihrer Nähe treiben sie durch Rufe und Wasserklatschen in die nächstbeste Bucht und behalten sie dort, bis genügend weitere Männer eintreffen, um mit dem Schlachten zu beginnen.
   In diesem Fall sahen wird, dass die Wale in den Hafen von Westmannshaven gejagt wurden, einem Ort, der sechzehn Seemeilen entfernt ist. Um die lange Ruderstrecke um die Südostspitze Stromöes abzukürzen, durchkreuzten wir zwei Meilen sumpfiges Bergland nach Welberstadt und beschafften uns dort ein Boot für den Rest des Weges.
   Die ansonsten so ruhigen und einsamen Fjorde waren nun übersät mit Booten, die alle zu dem einen Punkt eilten. Ihre Crews rudern in erstklassiger Stimmung um die Wette, denn neben der Bedeutung des Walfleischs als wertvolle Nahrungszufuhr für den Winter, genießen die Färinger das Jagdfieber genauso, wie wir eine Fuchsjagd oder ein Pferderennen.
   Das Rudern von Welberstadt dauerte drei Stunden – eine Zeit großer Ungeduld für uns, dass die Wale nicht schon vor unserem Eintreffen getötet oder entkommen sein mögen. Sobald wir in die Bucht von Westmannshaven kamen, betrachteten wir sie sehnsüchtig, um uns zu vergewissern, dass wir nicht zu spät gekommen sind.
   Da erspähten wir sie zu unserer großen Freude gerade wahrnehmbar in der Entfernung, wie sie diverse Wasserfontänen ausstießen. Es war ein äußerst spannender Anblick und der Ort schien für einen Erfolg gut gewählt. Die Bucht ist etwa drei Meilen lang und eine dreiviertel Meile breit. Sie ist von steilen massiven Bergen umgeben, die im düstren Zwielicht besonders bedrückend aussahen.
   Zwischen den Walen und dem Ausgang zur See waren volle sechzig Boote zusammen gekommen, die mit Crews von je sechs bis acht Mann besetzt waren. Sie lagen entspannt in ihren Riemen, während etwa hundert Einheimische auf beiden Uferseiten damit beschäftigt waren, ein ungefähr fünfhundert Yard langes Netz aus Tauen am Ausgang der Bucht zu spannen. Dieses Netz wird nur in Westmannshaven verwendet, wo es kein Flachwasser gibt, in das die Wale getrieben werden könnten. Es soll jedenfalls nicht die Wale fangen, denn das würde das Netz nicht aushalten, sondern es ist dafür gedacht, ihre Flucht zur offenen See hinaus zu verhindern.
   Die Boote waren die ganz normalen des täglichen Gebrauchs mit dem einzigen augenscheinlichen Unterschied, dass sie nun mit hochgesteckten Lanzen ausgerüstet sind. Sie sehen wie Masten an Vorsteven und Achterschiff aus und sind an den Bänken mit diversen Brassen befestigt.
   Immer mehr Boote kamen nach uns an, sodass wir gegen elf Uhr bis zu neunzig zählten und dass inklusive der Männer am Ufer nicht weniger als achthundert Menschen vor Ort gewesen sein müssen. Sie trugen alle die landesüblichen rostbraunen Jacken und schwarzen Kniebundhosen – in genau der gleichen Uniformität wie ein Regiment Soldaten.
   Das Netz wurde immer weiter und weiter die Bucht hoch gezogen. Dabei wurde mit großer Sorgfalt darauf geachtet, die Wale nicht einzuschüchtern, die so ruhig davor schwammen oder zum Vergnügen herumtrollten. Offensichtlich waren sie sich der Gefahr absolut nicht bewusst.
   Als sich die Dinge zum kritischen Punkt hin entwickelten, teilte sich unsere Gruppe. Jeder von uns bestieg ein Boot und wir standen auf den Vorschiffen mit Lanzen in unseren Händen bereit zur Tat – und das Schlachtgewühl begann!

Erregendes Schauspiel

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Die Hälfte der Boote blieb außerhalb des Netzes, um seine Bojen zu unterstützen. Die etwa fünfzig anderen (inklusive unserem) umzingelten die Beute und trieben sie mit Rufen und Steinwürfen gegen das Ufer. Die Tiere fügten sich dem zahm, bis sie nahe genug dran waren. Dann machten sie offensichtlich in heller Panik kehrt und drückten uns entgegen. Sie sahen äußerst furchterregend aus und verursachten durch ihren Vorstoß eine große Welle.
   Wir Anfänger wussten nicht, wie sich die Boote verhalten werden und erwarteten den Angriff mit einer bösen Vorahnung unter einer vermeintlichen Atmosphäre großer Gelassenheit.
   Auf der anderen Seite waren die Einheimischen außer sich vor Erregung: Sie schrieen wie Verrückte, schlugen mit ihren Speeren auf das Wasser und schienen in ihren angestrengten Bemühen drauf und dran zu sein, selbst hereinzuspringen, um sie zurück zu schlagen.
   Allerdings waren alle ihre Bemühungen vergebens. Die gesamte Herde durchbrach unsere Reihen, obwohl sie dabei von den Speeren schwer getroffen wurde. Viele der Boote wurden bei den Kollisionen halb aus dem Wasser gehoben, wobei sich die Schreie der Bootsmänner mit dem lauten Prusten der Wale vermengten. Das ergab einen disharmonischen Chor, der die umgebenden Hügel durchdrang. Als sie sich von uns befreit hatten, strebten die Tiere im selben schnellen Tempo weiter und stießen auf das Netz, das sie, ebenso wie alle es unterstützenden Boote, um diverse Yards zurückdrängten. In ein paar Sekunden entkamen sie entweder unter dem Netz hindurch, oder auch mittendurch, wobei sich einige darin verhedderten. Diese peitschten bei ihren verzweifelten Befreiungsversuchen das Wasser bis zu zwanzig und dreißig Fuß hoch auf.
   Am Ende entkamen sie alle und schwammen eine halbe Meile raus ins Meer, wo sie abtauchten und fast eine Minute außer Sicht blieben. Wir pullten ihnen so schnell wir konnten hinterher. Die Szene erinnerte an eine riesige Regatta mit einer Walherde als Wendeboje. Mit Hilfe von Steinen und Rufen wurden sie zurück getrieben, wieder mit Speeren angegriffen, und wieder brachen sie durch die sich entgegenstellende Barriere
   Dieses Manöver wiederholte sich dreimal. Schließlich waren viele von ihnen verwundet und bedrängt und wurden in einen engeren Abschnitt der Bucht getrieben. Alle ihre Feinde drückten sich gleichzeitig um sie herum. Die Tiere, entweder wild vor Angst oder völlig fassungslos in Richtung Meer schauend, schmetterten gegen das Ufer und nahmen viele Boote im Eifer des Gefechts mit sich. An einem flacheren Strand wären sie alle auf einmal gestrandet. Dieser hier aber war so steil und felsig, dass nach zwei oder drei Minuten Tumult zwischen all den Booten und Walen in einer einzigen Welle des Kampfes nur ein Drittel von ihnen getötet wurde und die anderen wieder tiefes Wasser erreichten.
   Der eigentliche Sport war jedenfalls vorbei. Was jetzt folgte war bloß eine widerliche – wenngleich nützliche – Schlächterei an der wir nicht teilhatten. Diejenigen die nicht gefangen wurden, waren ohne Leittier und konnten sich nicht wieder vereinigen, sondern wälzten sich stöhnend in die Bucht. Im eigenen Blut völlig erblindet, wurden sie daher jeder für sich Opfer ihrer Verfolger.
   Wenn ein Wal verwundet und erschöpft genug ist, um gehandhabt werden zu können, kommt ein Boot längsseits und einer der Männer stößt einen Haken in den Walspeck, der an einem kräftigen Tau befestigt ist, an dem die restliche Crew das Boot festhält. Ein tiefer Messerstich in den Nacken beendet bald die Quälerei. Die anderen Männer am Ufer behaken und erledigen die gestrandeten Wale auf die gleiche Weise.
   Nachdem die Herde vollständig gebrochen und getrennt war, landeten wir und sahen uns das eigentümliche Spektakel von einem günstigen Kommando-Kliff aus an. Die Bucht war – ohne Übertreibung – vom Blut rotgefärbt. Einige Boote schleppten tote Wale an das Ufer, während andere die wenigen übrig gebliebenen mit Speeren erledigten. Rund um die Bucht standen Männer bis zum Hals im Wasser und gingen vollständig in ihrer großen Schlachterei auf.
   Gelegentlich sollten die Bootsleute einen Wal an den Haken nehmen, der etwas lebendiger war, als er schien. Der nahm dann das Boot sofort in Schlepp, oder er befreite sich, oder er peitschte in seiner Agonie große Mengen von Wasser auf. Kein einziger Fisch entkam. Die Wenigen, die eine Gelegenheit dazu gehabt hätten, kehrten auf der Suche nach ihrem Leittier zurück und teilten das Schicksal ihrer Gefährten. Zwei Stunden nach dem Anfang waren alle 212 erlegt.

Aufteilung der Beute

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Als es vorüber war, begleiteten wir den Sysellmann zum Haus des Handelskommissionärs. Die Boote versammelten sich davor und ihre Mannschaften lachten und sangen während sie darauf warteten, dass die Tide die angestrandeten Kadaver freilegt, um dann zur Aufteilung zu kommen.
   Zwei- bis dreitausend Wale werden jährlich auf den Inseln gefangen. Häufig werden die Schulen mit weit weniger Schwierigkeiten aufgebracht, als wir es gerade erlebten – besonders in den seichteren Buchten.
   Wir glauben, dass die Boote selten in dem Konflikt überrascht werden, da sie nicht hoch genug aus dem Wasser gehoben werden, um zu kentern. Tatsächlich gelingt denjenigen Tieren die Flucht, die nicht angreifen, sondern unter den Booten durchtauchen und sie dann selten berühren.
   Ein Teil des Walspecks wird zu Öl geschmolzen. Ebenso wie das Fleisch wird der andere Teil entweder frisch oder getrocknet gegessen. Nach einem großen Fang schlemmen die Einheimischen so lange, bis ihnen – so wird gesagt – „der Tran aus jeder Pore herauszuquellen scheint.“
   Das deftige Fleisch wurde mit rohem faden Rindfleisch verglichen. Wir nahmen uns ein Stück und wollten es ernsthaft ausprobieren, aber bevor wir es kochten, war es so angegangen, dass wir gezwungen waren, es über Bord zu werfen. Dort war es sicher Nahrung für die anderen Fische und sah vielleicht bis eben aus wie ein gepökelter Kabeljau auf dem Festtagstisch einiger frommer französischer Katholiken.
   Wir blieben nicht bis zur Aufteilung der Beute, sondern heuerten das erstbeste freie Boot an. Wir ließen Mr. Müller seine arbeitsreichen Aufgaben machen und legten ab zurück nach Thorshaven, als durch das graue Zwielicht, das in diesen Breiten anstelle der Nacht tritt, ein lieblicher Morgen anbrach
   Der erste Teil des Kurses führte uns durch die Passage zwischen Strömöe und Waagöe, die eine enge Straße bildet. An jeder Seite befinden sich düstere Abgründe, die voll und ganz dem strengen und massiven Charakter entsprechen, der so die Färöer so einzigartig macht. Es klingt merkwürdig, aber es wehte kein Lüftchen durch die Fjorde, die nun wieder zu ihrer gewohnten Einsamkeit zurückkehrten, die überhängenden Felsen auf der spiegelglatten Oberfläche reflektierend. Die stille Herrlichkeit der Szene wurde durch die ganze Schönheit eines wolkenlosen sommerlichen Sonnenaufgangs versüßt und war doppelt beeindruckend nach der Teilnahme an der tumultartigen Jagd in der Nacht zuvor.
   Wenngleich aus einiger Entfernung, so passierten wir doch eine Felsspitze, die an der Ostspitze von Waagöe aus dem Wasser ragt und wegen ihrer Form Troldkonfingeren [Trøllkonufingurin], der Hexenfinger, genannt wird. Landt schätzt ihn 1.200 Fuß hoch.
   Ein tollkühner Vogelfänger bestieg ihn einst und kehrte auch sicher zurück. Aber da er seine Pfeife oben vergessen hatte, wiederholte er das Experiment und wurde Opfer seiner Voreiligkeit.
   Als wir vorbei ruderten, wurden wir von einem lauten rasenden Lärm aufgeschreckt, der sich beim Umblicken als Fontäne eines großen Grönlandwales in etwa 400 Yards Entfernung herausstellte. Er folgte einem Schwarm Heringe in den Fjord und verschlang zweifelsohne Hunderte von ihnen mit jedem Schluck.
   Die Färinger trauen sich niemals, diese beeindruckenden Monster anzugreifen. Hingegen fangen sie gelegentlich eine andere Walart (den etwa vierzig Fuß langen Balaena rostrata) auf eine sehr merkwürdige Art, wenn man den kursierenden Berichten glauben darf.
   Er ist zu groß, um direkt attackiert zu werden und man muss sich ihm mit großer Vorsicht nähern. Wenn er aber nah genug ist, kratzen die Bootsleute mit einem Riemen den Rücken des Wals (wir vermuten das selbe Prinzip wie beim Kitzeln von Forellen). Während er so amüsiert wird, stößt man einen Haken in seinen Speck, der mit einem Seil an Land befestigt ist, sodass das Tier gesichert ist, nachdem es bis zur völligen Erschöpfung mit Lanzen angegriffen wurde. Einige Berichte gehen so weit, dass das Tier so still ist, während sein Rücken gekrault wird, dass die Einheimischen ihre wollenen Fausthandschuhe in seine Nüstern stopfen können und so sein Sinken verhindern.

Dinieren mit dem Gouverneur

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Wir verließen das Boot in Welbestadt, wanderten über die Hügel und erreichten um acht Uhr die Yacht in Thorshaven. Wir waren zu hungrig und müde nach den Anstrengungen der Nacht, um während des Morgens an Land zu gehen. Da wir aber vorhatten, am Abend nach Schottland aufzubrechen, mussten viele Vorbereitungen an Bord getroffen werden.
   Um fünf Uhr Nachmittags waren wir beim Gouverneur zum Dinner verabredet. Dort trafen wir seine Gattin, verschiedene andere Ladies und die meisten der Beamten. Nach dem Dinner zogen sich alle Ladies und Gentlemen gleichzeitig in den Salon zurück. Gemäß der dänischen Sitte schüttelten sie die Hände der Gastgeber und untereinander – nicht etwa, um sich auf den baldigen Aufbruch vorzubereiten, sondern als Ausdruck ihrer aufrichtigen Gefühle angesichts der Beendigung eines belebenden gesellschaftlichen Essens. Dann wurden Kaffee und Zigarren gereicht. Während wir so zum Plausch beieinander saßen, sahen wir aus dem Fenster die Yacht unter vollen Segeln im Sund hervorstechen, wie sie dort beidrehte und auf uns wartete.
   Wir sagten dem Kapitän, dass er, um Zeit zu sparen, Anker lichten solle, sobald der Wind günstig stand. Also sagten wir Lebewohl zu unseren netten Freunden und folgten in der Gig. Nicht ohne aufrechtes Bedauern verabschiedeten wir uns vom Gouverneur. Nach all seiner Freundlichkeit uns gegenüber, besonders da sie so unwahrscheinlich war, würden wir ihn jederzeit gerne wieder sehen.
   Mr. Müller kam aus Westmannshaven nicht zurück, sodass wir ihn nicht mehr sahen und keine Gelegenheit hatten, sich für die unbezahlbaren Dienste zu bedanken, die er uns zu Teil kommen ließ. Als wir an Bord kamen, hievten wir unsere Boote hoch und hissten die Flagge. Wir feuerten dreimal Salut, was von der Festung mit sehr stattlichen fünf Salven erwidert wurde. Ruder windwärts, eine Halse, und wir standen recht im Wind – heimwärts!

Lebewohl zu den Inseln

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Der Wind frischte weiter auf, und der Abend war so schön, dass wir noch lange an Deck blieben – widerwillig den allerletzten Blick auf Inseln zu werfen, wo wir eine so glückliche Woche verbrachten. Ob eine Zeitspanne lang oder kurz erscheint, liegt viel mehr an der Zahl der Eindrücke, als an der Zahl der verbrachten Stunden. Wir konnten uns nur schwer vorstellen, dass es lediglich sechs Tage waren, seitdem wir die Scraal-Spitze [Skálhøvdi] umrundeten. Damals erschien sie in der Pracht des Sturms und Nebels, aber jetzt sieht sie in den Farbschattierungen des friedlichen Sonnenuntergangs nur halb so groß aus.
   Mit dem Wetter hatten wir außerordentliches Glück und sahen mehr von den Färöern in sechs Tagen, als man häufig in mehreren Wochen sehen würde (denn es gibt nur wenige Länder, wo der Reisende derart von den Elementen abhängig ist, weil es keinen anderen Verkehrsweg als das Wasser gibt). Unsere Zeit wurde durch unvorhergesehene Verspätungen beschnitten, die unsere Abfahrt aus England verzögerten. Tatsächlich erlebten wir nicht die schlimmsten Seiten des färöischen Wetters. Die Nächte waren zwar verregnet und kühl, aber die Tage schön und klar. Unsere Nachforschungen ließen uns zu dem Schluss kommen, dass die Färöer nicht mehr vom Nebel betroffen sind, als viele Orte an der Ostsee. Auch bemerkten wir keine dieser launischen Sturmböen, die manchmal bei Ostwind an der Westküste aufkommen, wie sie von vorbeifahrenden Schiffern aufgrund ihrer Plötzlichkeit und Gewalt registriert wurden. Grund und Ursprung dieser Böen wurden unserer Meinung nach nie zufriedenstellend erklärt. Nach all dem was wir hörten, neigen wir nun zu der Annahme, dass sich die berüchtigten Wirbelstürme der Inseln auf bestimmte Stellen begrenzen und durch die besondere Form der Felsen entstehen, nicht aber durch atmosphärische Zustände. Mr. Müller hat in den umliegenden Gewässern nie einen beobachtet, und bei denjenigen auf die Debes anspielt, scheint es sich um Wasserhosen zu handeln.


Der Große Diamant

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Um elf Uhr waren wir gegenüber des Großen Diamanten. Diese Insel sticht selbst für färöische Verhältnisse durch ihre unzugängliche Küste hervor.
   Hier lebt ein einzelner Bauer. Zusammen mit seiner Familie und den Arbeitern sind es zwanzig Leute, welche die gesamte Einwohnerschaft bilden. Ohne Strand haben sie kein eigenes Boot, und wenn sie eines benötigen, müssen sie an einer auffälligen Stellen ein Strohfeuer als Signal für eine Nachbarinsel entzünden.
   Vor einigen Jahren ließen sie alle ihre Feuer ausgehen und bezahlten ihre Unachtsamkeit mit sechs Wochen ohne Feuer mitten im Winter. Not macht erfinderisch, wie man sagt; und so machten sie schließlich auf sich aufmerksam, indem sie an einem Hang die gesamte Grasnarbe abtrugen. Das erregte die Neugier der Nachbarinsulaner so sehr, dass sie ein Boot entsendeten, um zu schauen, was mit den Leuten vom Großen Diamanten los sei.
   Nur bei sehr ruhigem Wetter kann die Insel überhaupt angesteuert werden. Wochenlang ist ihre kleine Gemeinde zu ihrem felsengebundenen Gefängnis verurteilt und hat keine Möglichkeit, sie zu verlassen.
   Der Geistliche des zuständigen Pfarrbezirks wagt , wie bereits gesagt, den Besuch nur einmal im Jahr. Da Dinge im Verhältnis zu ihrer Zugänglichkeit wertvoller werden, sind seine Zuhörer ohne Zweifel nicht weniger aufmerksam, nachdem sie ihn unter Anstrengungen in einem Korb mehrere hundert Fuß von seinem Boot aus hochgehievt haben.
   Der Bauer der den Großen Diamanten gepachtet hat, ist einer der reichsten Männer der Färöer. Obwohl das Weideland etwa vierzig Ochsen und fünfhundert Schafe ernährt, beträgt die Pacht nicht mehr als fünfzig Dollar im Jahr. Daneben übertreffen die Felsen alle anderen Vogelberge in der Zahl der hier gefangenen Seevögel.
   In „Faeroe Reserata“ erzählt Debes von einem tragischen Vorfall, der sich einst auf dieser Insel ereignete. Der Bauer wurde von seiner Gemahlin ermordet, die eine „heimliche Liebschaft“ mit einem der Arbeiter hatte. Da die Küste jedoch eine solch starke natürliche Festung darstellt, dauerte es lange, bis die Behörden in Thorshaven die Delinquenten vor Gericht stellen konnten. Schließlich wurden die anderen Bediensteten der ständigen Wache für diejenigen, an deren Schuld sie keinen Anteil hatten, müde und wurden unvorsichtig. Die Insel wurde in einem Überraschungsmoment genommen, und die Beschuldigten erfuhren die gerechte Strafe für ihr Verbrechen.

Heimwärts

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Sonntag, 18. Juni. Der Wind drehte sich über Nacht allmählich nach ostwärts und nachdem wir eindrehten, verriet uns ein – den Yachtsportlern vertrautes – Gurgeln unter unseren Kopfkissen, dass wir schnell durchs Wasser gleiten.
   Kurz nach Mitternacht sichteten wir den Mönchsfelsen [Sumbiarsteinur], von dem der wachhabende Kamerad sagte, dass er korrekt beschrieben sei, wenn gesagt wird, dass er aus der Entfernung wie ein Schiff unter Segeln aussieht. Er liegt etwa fünf Meilen südlich von Suderöe und war unser letzter Blick auf die Färöer.
   Die See im nördlichen Ozean erhebt sich mit wenig Ermutigung und ist sehr mürrisch und unregelmäßig. Als wir uns am Morgen rasierten und bekleideten, erinnerte sie uns unmissverständlich daran, dass wir nicht länger im Hafen lagen. Das Frühstück hätte trotz eines sehr ausgetüftelten Schwingtisches die Kunstfertigkeit eines chinesischen Jongleurs erfordert.
   Es gibt keinen besseren Platz als das Meer, um den Unterschied zwischen theoretischen und praktischen Erfindungen zu testen. Unglücklich der Mann, der auf Patente vertraut! Fünfhundert Erfindungen die in der gemütlichen Umgebung eines Docks bewundert werden, versagen kläglich beim ersten schweren Rollen.
   Um elf Uhr wurde der Tag nieselig. Der Wind kam von Ost und für blies mehrere Stunden so hart, dass wir das Großsegel zweimal reffen und Vor- und Stagsegel einholen mussten.
   Sowohl Wind als auch Wellen kamen dwars, sodass das Boot sehr heftig leewärts schlingerte. Die Gefahr voll laufen zu können, zwang uns, die Fensterluken zu bedecken und in der Kabine Kerzen anzuzünden. Trotzdem drang durch die Kajütenseitenwände gelegentlich Wasser ein.
   Zu allem Überdruss brach zufälligerweise der Rauchabzug der Kombüse ab, und das gesamte Schiff wurde mit einem Gemisch aus Kohlenrauch und Kochdunst gefüllt. Dann machte sich ein Fass selbständig und entleerte eine Cheshire-Käse und alle unsere Kartoffeln durch das leeseitige Speigatt. Und glücklich ist der Mann, dessen Lieblingshund sich nicht in den Achterspind geflüchtet hat und jaulend mit einem Angelhaken im Fell raus kommt.
   Es ist einfach so, dass eine Yacht in schwerer See kein angenehmer Ort ist, wenn man nicht vor dem Wind segelt. Aber die rauen Tage sind äußerst dünn gesät, und am Ende eines durchaus erfolgreichen Törns sind diese unbedeutenden Unbequemlichkeiten vor dem Hintergrund der Masse an glücklichen Erinnerungen vergessen.
   Insgesamt verbrachten wir einen äußerst ungemütlichen Sonntag, und wir konnten uns auch mit nichts ablenken, was den Tag angemessener gemacht hätte. Tatsächlich hatten wir einige dicke Theologiebücher an Bord – analog zum Konservenfleisch, um frische Artikel zu ersetzen, falls wir zu weit vom Land entfernt sein sollten. Aber da alles umherflog, war es unmöglich zu lesen. Da das Deck weit weniger unbehaglich war als die Kajüte, begaben wir uns dorthin und verbrachten die Zeit mit Zigarrenrauchen, wobei wir die Glut mit unseren Händen vor der über uns fliegenden Gischt schützten.
   Die Yacht erwies sich als sehr wetterfest. Sie nahm kaum Wasser auf außer ein paar Eimervoll mittschiffs oder am Bug. Voll Bewunderung sahen wir sie in einer Art über die Wellen gleiten und ihnen oft ausweichend, die schon fast magisch erschien in den Momenten, wo sie sich gleich über ihr Deck zu ergießen schienen.
   Am Nachmittag flaute es ab. Um 5.30 sichteten wir durch den Dunst einen halben Strich backbord Barra Rock. Um 9.30 abends passierten wir den Butt of the Lewis im Südwesten bis Süden und schafften damit die 214 Meilen von Thorshaven in vierundzwanzig Stunden. Keine schlechte Leistung für so ein kleines Boot, wenn man bedenkt, dass wir zuerst schwachen Wind hatten und danach in schwere See gerieten, die uns daran hinderte, mehr Segel zu führen, wie wir es in ruhigerem Wasser hätten tun können.

Enttäuschungen

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Montag, 19. Juni. Wir fuhren durch die Nordmündung des Raasay Sounds und fanden uns gegen zwei Uhr in einer Flaute gegenüber Portree liegend wieder. Dort lagerte die Post an uns, und begierig auf die Nachrichten der Freunde und vom Russischen Kriege eilten wir in die Gig, um uns in dem Haufen an Briefen und Zeitungen zu ergehen, den wir hofften vorzufinden.
   Aber ach, die menschliche Hoffnung! Wir waren, wie so viele andere, zur Enttäuschung verdammt. Der Mann auf dem Postamt nahm seine Brille auf und schaute mit quälender Bedächtigkeit über die Briefe, um uns die unglaubliche Tatsache mitzuteilen, dass nichts für uns dabei wäre. Wir konnten uns kaum vorstellen, dass er unsere Namen richtig gehört hat, weil doch unsere Freunde mit Sicherheit geschrieben hätten. Aber als wir schließlich beim Durchblättern der Briefe selber von der traurigen Wahrheit überzeugt wurden, kannte unsere Enttäuschung keine Grenzen.
   Nun, wir wollten hier nicht auf eine rein persönliche Angelegenheit anspielen, wenn nicht diese Lektion eine nützliche Warnung an diejenigen Reisenden wäre, die Skye besuchen möchten. Unsere Freunde dachten in ihrer Naivität, dass ein Brief nach Portree nicht länger bräuchte als einer von London nach Wien. Wegen unserer Enttäuschung und trotz unserer Verspätung um ein oder zwei Tage nach der verabredeten Zeit, lautet die Moral der Geschichte, dass du deinen englischen Brieffreunden erzählen sollst, sie mögen sechs Tage für die Briefzustellung einkalkulieren. Wir gaben Briefe in Portree und zwei Tage später andere in Oban auf, und alle kamen mit der selben Post an.
   Am nächsten Morgen waren wir schon früh los und fuhren durch die Sunde von Kyle Aikin, Sleate und Mull – eine Landschaft die von talentierteren Schreibern beschrieben wurde. Am Morgen des 22. Junis um sechs Uhr ankerten wir in Oban.
   Hier verließen wir die „Maria” und nahmen den Dampfer nach Glasgow. Es war ein trauriges Ankommen in der Welt. Anstatt alles selber bestimmen zu können, waren wir wieder zu Nobodys reduziert – ständig hin und her geschubst auf einem dreckigen Deck und überall rußbedeckt. Oft dachten wir liebevoll an unsere kleine Yacht zurück, die nun ruhig vor Anker lag, während wir durch den Kerrera Sound dampften. Schweren Herzens verloren wir hier ihre schlanken Topmasten aus den Augen. Nichts außer einer genussvollen Retrospektive erinnerte noch an jene Expedition, nach der wir uns so gesehnt hatten und die uns so gefallen hat. Aber das tröstete uns, und wir hoffen auf fernere Reisen in der nächsten Saison.

„The moments past, if thou art wise, retrieve
With pleasant memory of the bliss they gave;
The present hours in present mirth employ,
And bribe the future with the hopes of joy.“
Prior.
ENDE