Reise mit der Yacht Maria 1854 zu den Färöern/Kapitel IV
KAPITEL IV
Der nördliche Teil der Inseln
BearbeitenMittwoch, 14. Juni. Um sieben Uhr morgens verließ der Gouverneur Westmannshaven in einem einheimischen Boot, rief beim Vorbeifahren zur Yacht hinüber und wünschte uns alles Gute. Er kehrte auf dem Weg nach Thorshaven zurück, auf dem die „Maria” gekommen war. Wir bedauerten seinen Fortgang, denn seine Gesellschaft trug wesentlich zum Genuss des Vortages bei. Wir heuerten ein einheimisches Boot an, in dem wir Teile der Küste näher besuchen wollten, als wir es uns mit der Gig der Yacht getraut hätten. Wir nahmen es in Schlepp und steuerten nordwärts an der Insel Stromöe vorbei.
Eine grandiosere Küste kann man sich nicht vorstellen. Über zehn Meilen war es eine senkrechte Wand, 1000 bis 2000 Fuß hoch. Und aus dieser Entfernung gesehen, erschien nur eine kleine Bucht als Anlegeplatz geeignet. Viele Kliffs sehen fast so aus wie herausragende Strebepfeiler und erweisen sich bei einer näheren Betrachtung als gänzlich freistehend, sodass sie es einem Boot erlauben würden, zwischen ihnen und dem Festland hindurch zu fahren.
Jeder der sich damit zufrieden gibt, mit seinem Boot bloß in gebührenden Abstand an dieser Küste vorbei zu segeln, wird nur einen sehr unvollständigen Eindruck von ihren Wundern und Ausmaßen bekommen.
Die Felsen sind von tiefen Rissen und Klüften durchschnitten und an vielen Stellen mit langen Höhlen durchlöchert. In ihren fernen Nischen bricht sich die Grundsee des Ozeans und brandet mit einem düsteren Gebrüll, das selbst bei ruhigem Wetter über Meilen gehört werden kann. Vom Winter hingegen wird gesagt, dass die See gelegentlich mit einer solchen Gewalt dort herein gedrückt wird, dass der Boden merklich bebt und ein entsetzlicher Knall verursacht wird.
Robbenjagd
BearbeitenIn einer dieser Höhlen gibt es einen Strand am äußersten Ende, wo eine Robbenart namens Phoca hispida ihre Jungen hat und von den Färingern bejagt wird, obwohl ihr Bestand in den letzten Jahren erheblich zurück gegangen ist.
Allgemein werden für diesen Sport zwei Boote als notwendig erachtet. In einem befindet sich dann eine mit Knüppeln bewaffnete Mannschaft. Sie tragen Fackeln, die aus alten Leinen gewickelt und in Talg getränkt sind. Die Höhleneingänge sind oft so eng, dass sich die Männer bücken müssen, um hinein zu gelangen. Die Anderen warten am Eingang, und beide sind mit einem Seil verbunden, damit die Leute draußen das Boot ihrer Kameraden zurück ziehen können, falls es aufgrund der Brecher in der Höhle voll läuft – ein Unfall der nicht selten passiert.
Wenn die Männer das trockene Ende der Höhle erreichen, wo sich die Robben in Sicherheit wähnen, greifen sie zuerst die Bullen an. Sie verstecken ihre Fackeln so lange wie möglich, damit ihr Schein die Tiere nicht versuchen lässt, ins Wasser zu entkommen, was ihnen häufig gelingt und wo sie dann die Kühe mit ihren Jungen ihrem Schicksal überlassen. Wenn sie das Wasser nicht erreichen können, bäumen sich die ausgewachsenen Robben manchmal auf und schnappen sich mit ihren Schnauzen die Knüppel aus den Händen ihrer Angreifer. Jedenfalls gelingt es den Einheimischen zumeist, die Robben durch einen kräftigen Schlag auf die Schnauze zu betäuben. Dann schneiden sie ihre Kehlen durch und gehen tiefer in die Höhle, wo die ahnungslosen Jungen auf ihr Schicksal warten.
Die Häute der jungen Robben werden zu Tabakbeuteln verarbeitet und diejenigen der älteren werden gegerbt und für Schuhe verwendet. Oder sie werden komplett abgezogen, zusammen mit dem Pelz getrocknet und zu Taschen verarbeitet, in denen Kleidung transportiert wird, ähnlich wie unsere Reisetaschen. Unser Lotse benutzte eine solche Tasche.
Das Fett wird zu Öl eingeschmolzen, aber das Fleisch wird selten gegessen, obwohl es weniger derb und roh sein soll, als viele färöische Grundnahrungsmittel. Das Robbentöten in Höhlen findet nur zu bestimmten Zeiten des Jahres statt, kurz bevor die Jungen ins Wasser gehen. Unser Besuch lag außerhalb dieser Saison. Eine andere Robbenart ist die Phoca vitulina und wird von den Einheimischen geschossen, wenn die Tiere am Ufer schlafen.
Eine Heimat der Seevögel
BearbeitenMit Ausnahme von einem oder zwei kurzen Schauern war der Tag günstig um die Landschaft zu erleben. Es war windstill, klar und schön. Ein paar Meilen von Westmannshaven entfernt verließen wir die Yacht, um uns in einem einheimischen Boot dem Land zu nähern, mit dem wir einen bemerkenswerten Vogelberg [fuglaberg] besuchten, also ein Revier der Seevögel. Es lag in einem schmalen Sund zwischen einem gewaltigen Felshang an der Küste und einigen freistehenden Klippen, die, ihrer Form nach zu urteilen, einst einen Teil des Festlandes bildeten. Durch irgendeine Laune der Natur wurden sie davon getrennt und standen nun isoliert im Meer.
Der Effekt, diese Straße zwischen zwei senkrechten und nicht mehr als fünfzehn Yards voneinander entfernten Wänden (die eine 700 und die andere 1500 Fuß hoch) zu passieren, ist außerordentlich imposant. Einem empfindlichen Gemüt würde schwindlig beim Hochblicken werden: Die größten Möwen werden zu bloßen Punkten, bevor sie den Gipfel der niedrigeren Seite erreichen.
An diesem geschützten Ort brüten Kormorane, Möwen, Dreizehenmöwen, Alken, Trottellummen und Papageitaucher in schier unfassbarer Zahl. Die Nester liegen auf Absätzen, die entstanden, als die weicheren Schichten weggewaschen wurden. Jede Spezies bewohnt eine eigene Stufe in diversen Stockwerken. Die Papageitaucher bewohnen den höchsten Felsgrat. Ihre Weibchen sitzen in Myriaden so nah beieinander, dass sie sich berühren. Ein Ort dieser Art ist ein derart wertvolles Gut für die Leute, die in dieser Gegend wohnen, dass es Fremden nicht gestattet ist, hier Vögel zu jagen. Auch dürfen die eigenen Leute hier keine Vögel schießen, damit nicht zu viele verschreckt werden. Wir hatten leider nicht das Glück, Vogeljäger bei ihrer Arbeit beobachten zu können, aber die Vögel werden auf die selbe Weise gefangen wie auf St. Kilda und anderen schottischen Inseln. Die mit diesem Erwerb verbundenen Gefahren werden weit übertrieben, und Unfälle sind heutzutage sehr selten.
Der norwegische Chronist Peter Clausen erwähnt jedenfalls ein merkwürdiges Gesetz alter Tage, das es verbot, die Leiche eines Mannes, der beim Vogelfang umkam, auf geweihtem Boden eher zu bestatten, als dass der nächste Verwandte zu dem Punkt aufsteigen will, von dem er herunter gefallen war. Ansonsten wurde davon ausgegangen, dass er sein Ende selber herbeiführte, indem er den Allmächtigen herausforderte. Dieses Gesetz ist umso bemerkenswerter, als dass es offensichtlich seinen Ursprung in der selben Vorstellung hat, die zu demjenigen führten, dass die Beerdigung von Selbstmördern bis in unsere Zeit regelt.
Der Myling-Kopf
BearbeitenBeim Verlassen des Vogelbergs ruderten wir entlang der Küste bis Saxen. Das Dorf liegt an einem kleinen Meeresarm, dessen Eingang eine Schlucht zwischen zwei etwa 1000 Fuß hohen und nur 200 Fuß voneinander entfernten Felshängen bildet.
Ein Geisterschiff, das von niemandem beansprucht wurde, und von dem angenommen wurde, dass es von Philadelphia nach Liverpool fuhr, wurde vor einigen Jahren durch diese Passage getrieben, ohne mit einer der beiden Seiten zu kollidieren. Sein Holz liegt heute noch im Sand.
Von Saxen pullten wir zu der Yacht raus und setzten unseren Nordkurs fort. Wir entließen das einheimische Boot, für das wir keine weitere Verwendung vorgesehen hatten.
Um drei Uhr nachmittags waren wir gegenüber des Myling-Kopfs [Mýlingur], des höchsten senkrechten Kliffs der Färöer. Tatsächlich ist es mehr als senkrecht, denn es bildet am Meer einen Überhang. Wir fuhren so nah heran, dass es uns schien, man hätte einen Keks ans Ufer werfen können. Allerdings waren wir tatsächlich eine ganze Meile davon entfernt, denn Höhen und Entfernungen sind hier noch trügerischer als in der klaren Atmosphäre der Schweiz. Deshalb wurden wir ständig an der Nase herum geführt, obwohl uns doch vergangene Erfahrungen eine Lehre gewesen sein müssten.
Wir planten den Aufstieg zum Myling-Kopf von Tiornevig aus, aber der Tag war so schön, dass wir beschlossen, diese gute Gelegenheit nicht zu verpassen. Nun bedauerten wir sehr, dass wir das Westmannshaven-Boot fortgeschickt hatten, weil wir daran zweifelten, ob unsere eigenen Männer hier einen Anlegeplatz finden würden.
Wie auch immer, in der Ferne befand sich ein Fischerboot, zu dem wir die Verfolgung aufnahmen. Die Männer darin waren überhaupt nicht an Fremde gewöhnt und nutzten den leichten Wind, um uns zu entkommen. Sie kamen erst dann längsseits als sie bei uns an Bord ihre Landsleute, Mr. Müller und den Lotsen, erkannten. Die Besatzung bestand nur aus einem Mann und zwei Jungen, und obwohl ihr Boot ungewöhnlich klein war, erklärten sie sich bereitwillig, uns an die Küste zu bringen. Also stiegen wir vorsichtig hinein und machten klar, dass die Yacht nach Eide fahren und dort ankern sollte, einem Dorf in nicht allzu großer Entfernung auf Osteröe.
Die Landschaft ringsum war von solchen Ausmaßen, dass die Yacht wie ein Zehntonner aussah, als sie langsam hinter dem Stakken-Punkt [Tjørnuvíksstakkur] außer Sicht glitt – mit einer kaum ausreichenden Brise, um die Segel zu füllen. In dem überladenen Boot saßen wir so still wie möglich mit dem nervösen Gefühl, dass die kleinste falsche Bewegung uns kentern lassen könnte.
Wir landeten in einer kleinen Bucht, die in südöstlicher Richtung hinter dem Myling-Kopf verläuft. Der Sysellmann schickte das einheimische Boot in ein nahes Dorf, um ein größeres zu beschaffen, mit dem es am Abend nach Eide weiter gehen sollte.
Wie schon gesagt, hängt die Westwand des Myling-Kopfs über dem Meer, aber sein Gipfel ist von dieser Bucht aus durch einen grasbewachsenen Aufstieg zu erreichen, der so steil ist, dass er kaum praktikabel ist. Wir schufteten uns hinauf. Als wir nahe am Gipfel waren, der aus einer scharfen Kante zwischen dieser Seite und der überhängenden Front des Kliffs besteht, begaben wir uns auf alle Viere und krabbelten zur Kante. Wir schauten auf das Meer in 2100 Fuß Tiefe. Der Stein, den wir hinunter warfen, fiel mehr als acht Sekunden, bis wir ihn in den blendenden Reflexionen des Wassers aus den Augen verloren.
Wehe dem unglücklichen Mann, der zehn Tage lang von Albträumen heimgesucht wird nach dem Anblick dieser schwindelnden Höhe! Mit Sicherheit wird er Stunden unruhigen Schlafes durchmachen, in denen er durch die Luft gewirbelt wird und sich verzweifelt an den Seevögeln festzuhalten versucht, um sein Schicksal aufzuhalten. Er holte dann mit einem Seufzer des Schreckens Luft, wenn er sich einbildete, jeden Moment in den brandenden Wogen dort unten begraben zu werden.
Auf dem Rückweg hätte uns ein Zinnteller den Abstieg erleichtert, mit dem wir früher die Hänge unseres heimischen Rasens hinabrutschten, und woran wir uns noch gut erinnern konnten. Aber auch ohne einen solchen legte einer unserer Gefolgsleute einen großen Teil des Abstiegs zurück, indem er sich zum Vergnügen der unten stehenden Bootsleute auf den Hosenboden setzte. Sie müssen sich gefragt haben, ob das etwa eine normale Fortbewegungsmethode der Fremden ist und möglicherweise die Robustheit der Kleidung beneidet haben, die solch einen Test besteht.
Mit einem Dosenbarometer maßen wir die Höhe des Myling-Kopfs und stellten fest, dass er 2100 Fuß hoch ist, was 400 Fuß weniger ist, als ihm normalerweise zugeschrieben wird. Als wir unten ankamen, sahen wir ein schönes großes Boot mit zwölf Mann Besatzung auf uns warten. Gemäß ihrer steten färöischen Gastfreundschaft verlangten sie keinerlei Geld dafür, uns nach Eide zu fahren. Stattdessen wollten sie durch das Schiff geführt werden, da sie auf jedes einzelne Teil extrem neugierig waren.
Auf unserem Weg dorthin fuhren wir zwischen einem isolierten Felsen namens Stakken [Stakkur] und dem Festland hindurch, die beide eine Schlucht mit parallelen 800 Fuß hohen Wänden bilden. Die Klippe auf der Landseite hing so sehr über der Passage, dass wir zwischen ihrem Fuß und einigen Wasserfällen hindurch ruderten, die von seinem Gipfel ins Meer stürzen. Und das Ausmaß dieses Überhangs korrespondierte exakt mit der Rückseite des gegenüberliegenden, während alle Unebenheiten in ihren zugewandten Seiten exakt ineinander gepasst hätten, wenn die freistehende Klippe wieder an ihren Platz am Mutterland gestellt werden können.
- „Heights that appear as lovers who have parted
- In hate, whose mining depths so intervene
- That they can meet no more, though broken-hearted.“
Am Ende dieser Kluft bekamen wir zwei merkwürdig geformte isolierte Felsen zu Gesicht, die in einer Höhe von einigen hundert Fuß aus dem Wasser ragten – gleich gegenüber vom Kodlen [Kollur], einer senkrechten, 1200 Fuß hohen, Landspitze am nordwestlichen Ende von Osteröe. Einer dieser Felsen ist durch einen natürlichen gotischen Bogen durchbrochen, was sehr entfernt an einen Mann mit gespreizten Beinen erinnerte und ihm den Namen „Riese“ einbrachte, während der andere, durch den kein Licht durchscheint, sein „Weib“ genannt wird.
Gegen sechs Uhr abends erreichten wir Eide, ein großes Dorf in traumhafter Lage. Wir gingen aber nicht an Land, sondern waren glücklich, uns nach dem anstrengenden Tag auszuruhen.
Gefährliche Strömungen
BearbeitenDonnerstag, 15. Juni. Wir segelten von diesem Ort am frühen Morgen zum Fjord zwischen Osteröe und Kalsöe, aber der Wind ließ nach und die Tide trieb die Yacht wieder seewärts. Während sie so umhertrieb, besuchten wir mit der Gig einen anderen Vogelberg nahe Kadlenen-Kopf [Kallur], wo die Felsen im wahrsten Sinne des Wortes weiß von Dreizehenmöwen waren. Jedenfalls ist es nicht sehr sicher mit einem kleinen Boot ohne einheimischen Führer unterwegs zu sein, denn obwohl die Gefahren durch Strudel rund um die Färöer in den älteren Beschreibungen maßlos übertrieben wurden und dort nicht einer mit der Stärke des Corryvrechan [vor den Hebriden] verglichen werden konnte, so strömt doch die Tide manchmal mit überwältigender Kraft durch die engen Fjorde
Während wir den unzähligen umherflatternden Vögeln zusahen, bemerkte der Sysellmann, dass wir heimtückisch in Richtung einiger unterseeischer Felsen trieben, die von einem Strudel umgeben waren. Offensichtlich nahm die Strömung immer mehr zu, je näher wir kamen. Wir wurden der Gefahr noch rechtzeitig gewahr und pullten ohne Schwierigkeiten davon, aber ein Boot in unerfahrenen Händen könnte leicht daran „scheitern“, indem es zu sehr in die Strömung gerissen wird und sinkt.
Wir kehrten zur Yacht zurück, die in der Zwischenzeit der See hilflos ausgeliefert war und lagen völlig in der Flaute. Wir vertrieben unsere Zeit mit Angeln und fingen einige Dorsche.
Mittags frischte eine leichte Brise auf und brachte uns in den Fjord zwischen den Inseln Kunöe und Kalsöe, beides nicht viel mehr als lange Bergrücken, die bis zu einer Höhe von 2000 Fuß aus dem Wasser ragen – mit sehr steilen und teilweise schrecklich öden Hängen, an denen von oben bis unten keinerlei Erde ist. Ihre nordwestlichen Spitzen enden – wie diejenigen fast der gesamten Inselgruppe – in senkrechten Kaps zwischen 1000 und 1500 Fuß Höhe.
Die Gestalt der Berge der Nordinseln ist außerordentlich vielschichtig, und die meisten von ihnen sind sehr bemerkenswert. Die Gipfel sind manchmal extrem scharf und schroff und in die allerphantastischsten Formen zerklüftet. Andere wiederum sind kegelförmig und von einer Ebene gekrönt.
Letzteres ist beim Slatterkind [Slættaratindur], dem höchsten Berg auf Osteröe mit 2900 Fuß, der Fall. Gelegentlich nehmen die Hügel eine Pyramidenform an, die so gleichmäßig ist, dass man sich nur schwer vorstellen kann, sie seien nicht von Menschenhand, zumal ihre nackten Wände verschiedene parallele Schichten zeigen, die in fast mathematischer Präzision im gleichen Abstand zueinander angeordnet sind.
Aber wie auch immer ihre Form aussehen möge: die Hänge sind unterschiedslos abschüssig, und zwar derart, dass in Kalsöe und Kunöe nur vier oder fünf geeignete Anlegeplätze existieren, wovon einige sehr unbequem sind.
Das Dorf Mygledahl auf der erstgenannten Insel liegt beispielsweise auf einer Höhe von sechzig Fuß über dem Meer, sodass die dortigen Boote mit Seilen ins Wasser gelassen werden müssen. Seine Landverbindung ist kaum einfacher, denn die Berge ringsherum sind nur auf einem gefährlichen Pfad passierbar.
Den Einheimischen einen Streich spielen
BearbeitenAls wir beobachteten, dass zwei Boote von diesem Dorf ablegten und uns aus gebührendem Abstand beäugten, wollten wir den Effekt ausprobieren, den zwei abscheuliche Masken auf diese einfachen Gemüter ausüben.
Entsprechend wurden zwei Jungs ordentlich mit solchen versehen, und mit ihren roten Segelmützen im Beiboot losgeschickt. Das kleinere der einheimischen Boote nahm sofort Reißaus, als sich das unsere näherte, aber die zehnköpfige Crew des anderen, größeren, pullte kräftig los, um die Fremden Willkommen zu heißen. Als sie sich näherten, zogen sie ihre Hüte.
Es war für uns herzzerreißend, als wir dieser Höflichkeit gewahr wurden, aber es war zu spät: Die beiden Boote kamen einander näher, und unsere Jungs, die bisher nicht ihre Gesichter gezeigt hatten, drehten sich nun zum Gruße um.
Der Effekt war enorm. Im selben Moment wurden die zehn Hüte wieder auf ihre jeweiligen Köpfe aufgesetzt und ihre Besitzer ruderten hinfort, als wenn es um ihr Leben ginge.
Die Seeschlange persönlich wäre keine größere Sensation gewesen. Unsere beiden Bengel verfolgten die Färinger noch ein Stück aber wurden bald abgehängt. Die unterschiedliche Größe der Boote und ihrer Mannschaften bildete einen höchst drolligen Kontrast. Vielleicht verschreckte sie die kleine Statur der Jungs am meisten. Schließlich zählt Landt auf der Liste der färöischen Geister Niagruisars [niðargrísar] auf als „kleine Wesen in menschlicher Gestalt mit roten Mützen, von denen geglaubt wird, dass sie Glück an den Ort bringen, wo sie sich niederlassen.“ Wir probierten nie wieder irgendwelche Streiche mit den Einheimischen aus und fühlten uns wegen dieses hier halbwegs beschämt, als wir das Ausmaß ihrer Angst sahen.
Wir hatten in diesem Fjord eine gute Gelegenheit, die merkwürdigen Gepflogenheiten der Großen Raubmöwe [Stercorarius skua] zu beobachten. Dieser Vogel ist der Wegelagerer der Lüfte und fischt niemals selber, sondern besorgt sich seine Nahrung durch Verfolgung seiner kleineren Vettern, wenn diese gerade einen Fisch verschluckt haben, bis sie ihn ausspucken. Dann stößt die Skua herunter und pickt ihn auf.
Eine von ihnen war auf ihren niederträchtigen Lebensunterhalt bedacht, als sie einen kleinen Seevogel minutenlang immer wieder um den Mast der „Maria“ jagte, bis wir mit einem doppelläufigen Gewehr auf sie ansetzten und mit dem ersten Schuss ins Meer plumpsen ließen – zum großen Entzücken unseres Lotsen. Das auserkorene Opfer flog kreischend davon und war viel zu erstaunt, um seine Rettung würdigen zu können.
Handelsbräuche
BearbeitenDer Wind wurde am Nachmittag so flau, dass wir in der Bucht von Waal [Klaksvík] auf der Insel Bordöe gegenüber dem gleichnamigen Ort ankerten, denn wir befürchteten, dass uns die Tide ansonsten wieder zurücktragen würde.
In diese Bucht ragt die Südspitze Kunöes [Kunoy] hinein, ein Berg mit der selben Form und fast ebenso gleichmäßig wie die Große Pyramide in Kairo, wobei eine Anzahl gleichgroßer Stufen an seinen Seiten diesen Eindruck noch mal verstärkt.
Waal ist einer der drei Handelsstützpunkte der Regierung, aber der Leser soll nicht glauben, dass die Bucht deshalb voll von Schiffen gewesen wäre, denn keins war zu sehen, und drei oder vier jährliche Besuche eines Fünfzig-Tonnen-Kutters reicht für die Handelstätigkeit an diesem Ort aus.
Der Haupthandelsplatz ist in Thorshaven, und deswegen bringt der kleine Kutter ausländische Artikel und kehrt mit einheimischen zurück. Die werden dann mit denen der anderen Stationen in die Schoner nach Kopenhagen verfrachtet.
Beim Anlanden trafen wir den Regierungsvertreter, der uns eine Lagerbesichtigung anbot. Es war ein Einheimischer aus Suderöe und hat dort ein wenig Englisch mitbekommen. Wir folgten ihm durch drei oder vier Schuppen, die ungefähr so groß waren, wie kleine englische Scheunen. Jeder Haupthandelszweig hatte seinen eigenen dafür vorgesehenen Raum, während der Mittlere als richtiger Laden mit einem Tresen, einer Waage und so weiter, ausgestattet war.
Offensichtlich betreibt die Regierung mit den Konsumenten und Produzenten einen direkten Einzelhandel ohne Zwischenhändler. Also werden viele dazwischenliegende Profite zugunsten der Einwohner eingespart.
Seit vielen Jahren wird in Dänemark die Öffnung des Handels dieser Inseln gegenüber dem allgemeinen Wettbewerb diskutiert. Bisher wurden aber keine Schritte in diese Richtung unternommen, und es erscheint fragwürdig, ob es weise wäre, so zu verfahren. Ohne Zweifel steht das gegenwärtige System in direktem Widerspruch zu den Maximen der politischen Ökonomen und tendiert dazu, die Einheimischen sowohl vom Austausch mit anderen Nationen auszuschließen, als auch sie an der Entfaltung aller ihrer Ressourcen zu hindern. Auch kann nicht daran gezweifelt werden, dass die Färöer eine größere Bevölkerungszahl haben könnten.
Das Volk ist jedenfalls so gut dran, dass die Effektivverzinsung an Glücklichkeit und Unschuld pro Acre [Morgen] im Verhältnis zum Bodenertrag wahrscheinlich größer ist, als in jedem anderen europäischen Land. Extravaganz und die damit verbundene Kriminalität wird hier nicht durch fremdes Beispiel verbreitet. Durch die Abwesenheit jeglicher Arbeitsteilung verfügt es über eine Vielseitigkeit, die es sehr intelligent macht. Nebenbei ist es religiös, wohlgenährt und zufrieden.
Ihr großer Fehler ist eine Gleichgültigkeit – ja fast schon eine Abscheu – vor der Übernahme von verbesserten Methoden des Fischfangs, Handwerks und Landbaus. Zweifelsohne ist dieses Übel den eigentümlichen Bedingungen zuzuschreiben, und es scheint uns doch so, dass es durch die vielen Segnungen mehr als kompensiert wird.
Färinger besuchen das Boot
Nachdem wir uns die Lagerhäuser angesehen hatten, unternahmen wir einen Spaziergang und schossen ein paar Schnepfen, die es hier im Tal zum Überfluss gibt. Der Bauer auf dem Grundstück protestierte zunächst, bis wir ihm für jeden Vogel eine Kleinigkeit bezahlten.
Da die Vögel für ihn wertlos waren, schienen sich seine Landsleute für seine Forderungen zu schämen und entschuldigten sich für sein Benehmen, zumal er halt ein wenig beknackt sei.
Am Abend kamen diverse Einwohner zur Schiffsbesichtigung. Und tatsächlich: Wo immer wir ankerten, waren wir fast so eine Schau wie eine chinesische Dschunke in England. In der Nacht hatten wir zwar einige Schauer, aber der vorherige Teil des Tages war genauso schön wie ein Sommertag in England.
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