Reise einer Flasche
Monrovia, Liberia, den 5. November 1870.
Geehrter Herr!
Ich habe das Vergnügen, Ihnen auf Wunsch des Herrn Dr. A. B. Meyer[1] den einliegenden Zettel zu behändigen. Dieser Zettel wurde mir vor einigen [472] Tagen von einigen uncivilisirten Eingeborenen dieses Landes überbracht, welche denselben, mit der ihn umschließenden Flasche, am Seestrande von New-Cestros, an der liberianischen Küste, in einer Entfernung von circa 60 Seemeilen von hier, gefunden hatten. So weit ich im Stande gewesen bin, von diesen Eingeborenen zu erfahren, muß der Fund der Flasche zwischen dem 15. und 20. September d. J. stattgefunden haben. Die geographische Lage von New-Cestros ist auf 5° 47′ nördl. Br. und 9° 58′ westl. Lg., woraus hervorgeht, daß die Flasche in einer Zeit von nur circa 30 Tagen eine Entfernung von mehr als 450 Seemeilen in ostsüdöstlicher Richtung getrieben sein muß. Die Flasche selbst habe ich nicht gesehen, doch soll dieselbe, nach dem Berichte der Finder, mit Muscheln bewachsen gewesen sein. – In der Hoffnung, daß der obige Bericht den Wünschen des Herrn Dr. Meyer entsprechen wird, verbleibe ich
hochachtungsvoll Ihr ergebener
Der in der Flasche eingeschlossene Zettel lautet:
(„Iason“ Capt. Rusman, Rotterdam – Batavia) by Dr. Adolf Bernhard Meyer. You will oblige Dr. Meyer by sending this paper to the Secretary of the Royal Academy of Science of Berlin in Prussia, Germany, (who will have the kindness to forward it to Dr. Meyer), after having added exactly time and spot, when and where found, and condition of the bottle, whether covered with shells etc. in which case you are perhaps able to send the shells etc. together with this paper.
Anmerkungen
- ↑ Dr. Adolph Bernhard Meyer, ein tüchtiger Naturforscher und u. a. bekannt als Uebersetzer des Werkes von Wallace über den Malayischen Archipel, verließ im Frühjahr dieses Jahres Berlin, um sich behufs naturwissenschaftlicher Forschungen nach den indischen Archipel zu begeben. Da der oben mitgetheilte Zettel mit No. 20 bezeichnet ist, so steht zu vermuthen, daß von Herrn Meyer eine größere Anzahl Flaschen vielleicht an verschiedenen Punkten in das Meer geworfen worden sind. Zahlreiche Notizen über solche Flaschen-Reisen finden sich im: Nautical Magaz. 1861. p. 161. 1862. p. 150. 1866. p. 276. 1867. p. 291.
Red.