Reinhardtswalder Sagenbüchlein

Textdaten
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Autor: Friedrich Bernhard Störzner
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Titel: Reinhardtswalder Sagenbüchlein
Untertitel: Zur Erinnerung an das Waldfest im wüsten Dorfe Reinhardtswalde am 15. Juni 1924
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Erscheinungsdatum: 1924
Verlag: Buchhandlung Otto Schmidt
Drucker: Gebr. Philipp, Arnsdorf i. Sa.
Erscheinungsort: Arnsdorf in Sachsen
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Quelle: Scan des Ersatzexemplares der SLUB Dresden
Kurzbeschreibung: Büchlein über die Wüstung Reinhardtswalde im Karswald und deren Sagen
Siehe auch: Reinhardtswalde (Wüstung)
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[I]
Reinhardtswalder

Sagenbüchlein



Zur Erinnerung
an das Waldfest
im wüsten Dorfe Reinhardtswalde
am 15. Juni 1924

herausgegeben
als eine Festgabe von

Fr. Bernh. Störzner




Verlag:
Buchhandlung Otto Schmidt, Arnsdorf in Sachsen.


Gebr. Philipp, Arnsdorf i. Sa.

[WS: Bild entfernt]

[2]

Vorwort.

___



     Wiederholt bin ich aufgefordert worden, wenn ich Vereine oder auch einzelne Personen einmal nach dem wüsten Dorfe im Karswalde führte und an Ort und Stelle von den vergangenen Tagen des in Kampf und Streit untergegangenen Dorfes Reinhardtswalde erzählte, doch die im Volke lebenden Sagen und Ueberlieferungen in Form eines Schriftchens zu veröffentlichen. Ich mache hiermit den Anfang. Möge das Reinhardtswalder Sagenbüchlein bei allen Teilnehmern des Waldfestes und bei allen Freunden unserer lieben Heimat und der Volkskunde eine freundliche Aufnahme finden!

     Arnsdorf i. Sa., am 1. Juni 1924.


Oberlehrer und Kantor Fr. Bernh. Störzner.
[3]
Vorbemerkung.

Vor 500 Jahren lag mitten im Karswalde westlich von der heutigen Bahnlinie Arnsdorf–Pirna und südwestlich von den bekannten Torfstichen bei Arnsdorf eine fränkische Siedlung, Reinhardtswalde genannt. Sie war kirchlich mit Kleinwolmsdorf bei Radeberg verbunden. Der Wolmsdorfer Pfarrer wanderte wohl täglich nach Reinhardtswalde, um im dortigen Marienkirchlein Messe zu lesen. –

     Glückliche Menschen wohnten einst in jenem stillen, abgelegenen Walddorfe, die mit Feld- und Gartenbau und Fischzucht sich beschäftigten. – Da kam der Krieg! Fanatische Mordbrenner zogen durchs Land. Städte, Dörfer und Klöster gingen in Flammen auf. Die Hussiten standen eines Tages auch vor dem Städtchen Jockrim am Nordabhange des Stolpener Berges, verwandelten es in eine Trümmerstätte und berannten nun die Burg Stolpen, den Lieblingssitz des Meißner Bischofs. Doch vergeblich! – Bei Helmsdorf schlugen sie darauf in der Nähe der Kirche am Katharinenwasser ein großes Lager auf, von dem noch deutliche Reste zu sehen sind: Wall und Graben, im Volksmund die Hussitenschanze genannt. – Von hier aus durchstreiften die Hussiten Monate hindurch die ganze Umgegend, plünderten, raubten, brandschatzten und mordeten. Bei jenen Streifzügen ging eines Tages auch Reinhardtswalde, gleich anderen Dörfern in Stolpens und Radebergs Umgebung [4] in Flammen auf.[1] – Reinhardtswalde mit seinen strohgedeckten Holzhäusern war in wenigen Stunden ein rauchender Schutt- und Trümmerhaufen geworden. Weiber und Kinder waren geflüchtet, andere von den Mordbrennern erschlagen, die Männer und Jünglinge im Kampfe mit den Hussiten gefallen. –

     Das niedergebrannte Dorf wurde nicht wieder aufgebaut. Nach Jahren hatte der Wald seine Stätte überzogen, und wo einst fröhliche Kinder spielten und lachten äst heute das Reh auf einsamer Waldwiese und geht zur Tränke am ehemaligen Dorfbächlein, noch heute das Reinhardtswalder Wasser genannt.

     Die heimatlos gewordenen und noch lebenden Bewohner des untergegangenen Dorfes fanden bei Verwandten und Bekannten in den umliegenden Ortschaften, wie in Kleinwolmsdorf, Erkmannsdorf, einzelne auch in Arnsdorf, Fischbach und Wilschdorf, liebevolle Aufnahme. – Generationen sind seitdem gekommen und gegangen. Die Zeugen jener blutigen Tage sind längst vermodert und vermorscht. Viele von ihnen schlafen draußen in dem stillen Waldtale. Ihre Gräber sind aber mit der Zeit freilich verwischt. Nur die Hügel, auf dem einst das mit Stroh und Schindeln gedeckte Kirchlein stand, ist noch deutlich erkennbar. Im Volksmund wird er der Kirchberg genannt und auf den Generalstabskarten auch mit diesem Namen bezeichnet. Rings um das kleine Gotteshaus lag der Friedhof, von dessen Ringmauer in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts noch Reste vorhanden waren. Vor 100 Jahren wurde auf dem Kirchberg beim Bäumeroden ein Grabgewölbe [5] entdeckt. – Vom Kirchberge führte ein Hohlweg hinab zum Dorfe. Es war der Leichenweg, auf dem man die Verstorbenen hinauf nach dem Gottesacker zur letzten Ruhe brachte. Er ist noch deutlich erkennbar.

     Der Reinhardtswalder Kirche schräg gegenüber lag der Gasthof, der Krug von Reinhardtswalde. Vor ihm breitete sich der von einer großen Linde überschattete Dorfplatz aus. Hier war auch der steingefaßte Dorfbrunnen, zu dem gegen Abend die Frauen und Mädchen kamen, um Wasser zu schöpfen.

     Am oberen Ende des Dorfes, nach der Budißiner Landstraße zu, lag am alten Bischofswege die Reinhardtswalder Mühle. Die hohen Dämme der ehemaligen Mühlteiche sind noch zu sehen. Vor wenigen Jahren war auch noch ein Stück Mauer vorhanden, jedenfalls ein Rest der Reinhardtswalder Mühle. –

     Am Reinhardtswalder Wasser, das murmelnd durch den stillen Wiesengrund zieht und in der Nähe der Insel mit der Röder sich vereinigt, lagen links und rechts die Gehöfte. Noch sind da und dort deutlich die Rampen zu sehen, welche die Lage der Häuser kennzeichnen.

     Ueber die Geschichte von Reinhardtswalde wissen wir leider nicht allzuviel. In den alten Urkunden ist wenig zu finden. Wir sind in der Hauptsache auf das angewiesen, was uns die Volksüberlieferung berichtet, und Frau Saga ist da viel beschäftigt gewesen und hat mit dem immergrünen Efeu deutscher Dichtung das wüste Dorf lieblich umrankt und raunt und flüstert daselbst allerorten.


  1. Vgl. das Schriftchen des Verfassers: „Wie Reinhardtswalde bei Stolpen wüste wurde.“ Verlag v. Hübner in Bautzen.


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