Rauchcoupés in Eisenbahnzügen

Textdaten
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Autor: [A.] M., Die Red.
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Titel: Rauchcoupés in Eisenbahnzügen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 281–282
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[281] Rauchcoupés in Eisenbahnzügen. Als Schreiber dieser Zeilen in Nr. 19 und 24 der Gartenlaube von 1873 dem Wunsche Ausdruck gab, daß zur Bequemlichkeit des reisenden Publicums auf den Eisenbahnstationen Brunnen angelegt werden möchten, war kaum zu hoffen, daß dieser Wunsch so rasch seine Erfüllung finden würde, wie dies thatsächlich durch eine bald darauf erfolgte Verfügung des preußischen Handelsministers Dr. Achenbach wenigstens für die preußischen Staatsbahnen geschah. Freilich hat noch nichts verlautet, daß die übrigen Verwaltungen deutscher Staatseisenbahnen diesem rühmlichen Beispiele gefolgt seien. Doch werden sie hinter demselben gewiß nicht lange zurückbleiben. Was aber die Privateisenbahnen betrifft, welche, mit seltenen Ausnahmen, aus Rücksicht auf eine möglichst hohe Dividende gewöhnlich am hartnäckigsten selbst die billigsten Wünsche des Publicums mißachten, so wird hoffentlich das neubegründete Reichseisenbahnamt und das von demselben bereits entworfene Reichseisenbahngesetz in dieser wie in vielen anderen Beziehungen gründlichen Wandel schaffen.

Als einen Mißstand, dessen Beseitigung dringend gewünscht werden muß, betrachte ich auch die gegenwärtig noch sehr ungenügende Einrichtung [282] von abgesonderten Coupés zweiter Classe für Damen und für Nichtraucher. Nach meinen Erfahrungen befindet sich gewöhnlich in einem Zuge nur ein Damencoupé und nur ein Coupé für Nichtraucher. Dies ist entschieden nicht ausreichend. Das Damencoupé ist in der Regel, namentlich während der sommerlichen Reisezeit, sehr rasch von alleinreisenden Damen gefüllt, und diejenigen Damen, welche dort keinen Platz mehr finden, melden sich dann meist für das Nichtrauchercoupé, so daß auch dieses vorherrschend von Damen besetzt wird. Viele Damen aber, welche auch hier keinen Platz mehr finden, werden einfach in jedes beliebige Coupé zweiter Classe verwiesen, wo nach deutscher Gewohnheit die meisten der mitreisenden Herren sich nicht verpflichtet glauben, aus Rücksicht auf eine Dame hinsichtlich des Rauchens sich Zwang anzuthun. Denn, so denken sie, warum ist die Dame, wenn sie den Tabaksrauch nicht vertragen kann, nicht in das Damen- oder in das Nichtrauchercoupé gestiegen? Daß sie dort keinen Platz mehr gefunden, darum kümmert sich Niemand, das ist ihr specielles – Unglück.

Wenn aber die reservirten Coupés schon von den Damen so stark in Anspruch genommen werden, wo bleibt dann genügender Raum für die Herren, die sich aus Gesundheitsrücksichten oder aus Gewohnheit dem Tabaksqualme zu entziehen wünschen? Die deutschen Eisenbahnverwaltungen befolgen bis jetzt den Grundsatz, daß für Herren das Rauchen normal, das Nichtrauchen hingegen abnorm sei. Nun giebt es aber, abgesehen von der allerdings kleinen Zahl solcher Herren, die gar nicht rauchen, nicht wenige, welche an sich keine starken Raucher sind und auf Reisen lieber auf die Cigarre verzichten, als daß sie in demselben Coupé mit gewohnheitsmäßigen Rauchern zusammensitzen, welche an der zu Ende gehenden Cigarre sofort eine neue anzünden und den engen für acht Menschen bestimmten Raum des Coupés mit einem Qualme erfüllen, welcher oft einer Räucherkammer alle Ehre machen würde. Besonders lästig ist solcher Rauch bei Nachtfahrten, wenn man der nächtlichen Kühle halber die Fenster geschlossen halten muß und in einer Atmosphäre, die kaum noch zu athmen ist, vergeblich zu schlafen versucht. In solchen peinlichen Stunden ist mir wiederholt der Gedanke gekommen, ob dieser Zustand, wie er bei uns in Deutschland besteht, wirklich als der normale betrachtet werden dürfe, ob auf deutschen Eisenbahnen jede Dame, die nicht mehr in dem Damen- und Nichtrauch-Coupé, und jeder Herr, der nicht in letzterm ein Unterkommen findet, ohne Weiteres dem Tabaksqualme verfallen sein soll.

Ich glaube, wir Deutsche könnten in dieser Beziehung noch etwas lernen von fremden Nationen, insbesondere von den Engländern und den Franzosen. Bei Diesen gilt es zunächst als Regel, daß in Gegenwart von Damen überhaupt nicht geraucht wird, was freilich uns Deutschen als ein längst überwundener Standpunkt erscheint, was aber im Grunde nicht mehr als recht und billig ist, so lange die herrschende Sitte den Damen nicht allgemein das Recht zugesteht, sich gleichzeitig mit den Herren ihre Cigarre anzuzünden und durch Mitrauchen die Dampfatmosphäre sich weniger fühlbar zu machen. Sodann herrscht in Betreff des Rauches auf englischen und französischen Eisenbahnen gerade die umgekehrte Einrichtung gegenüber der unsrigen. Man geht dort zu Lande von der offenbar richtigeren Ansicht aus, daß durch Erlegung des Fahrpreises der Reisende den Anspruch auf einen Platz mit möglichst reiner, athembarer Luft erwirkt, daß ein oder mehrere Menschen, welche in Gesellschaft Anderer reisen, nicht ohne Weiteres das Recht haben, den Mitreisenden durch Tabaksrauch die Luft zu verderben, daß mit einem Worte beim gesellschaftlichen Reisen in geschlossenem Raume das Nichtrauchen die Norm und das Rauchen die erlaubte Ausnahme ist. Daraus folgt, daß nicht, wie bei uns in Deutschland, Damen und Nichtraucher verpflichtet sind, sich einen besondern Platz zu suchen, wo sie von Tabaksqualm verschont bleiben, sondern daß im Gegentheil, wie in England und Frankreich, den Rauchern besondere Coupés anzuweisen sind, wo sie völlig unter sich sind und nach Herzenslust, ohne Belästigung der Mitreisenden, ihrer Gewohnheit, die ihnen ja nicht verkümmert werden soll, sich hingeben können.

Also fort mit dem armseligen einen Coupé für Nichtraucher! Möglichst viel abgesonderte Coupés für Raucher!

M.

Wir benutzen diese Gelegenheit, um eine andere Reform der Eisenbahnverwaltung zu berühren, welche augenblicklich in England Aufsehen erregt.

Es ist schon längst ein Gegenstand der Verwunderung gewesen, daß beim Verkaufe der Eisenbahnbillets keine besseren Einrichtungen getroffen worden, als die bis jetzt bestehenden. Es ist durchaus kein anderer Zweck dabei abzusehen, als der, dem Publicum Unannehmlichkeiten zu bereiten, wenn man den Zeitraum, in welchem die Billets zu erlangen sind, auf wenige Minuten vor dem Abgange des Zuges beschränkt, für welchen dieselben gültig, und sodann die Ausgabe durch eine ganz kleine Oeffnung stattfinden läßt, deren Anlage darauf berechnet zu sein scheint, die unglücklichen Reisenden den größten Mühseligkeiten und der Gefahr des Zerquetschtwerdens auszusetzen. Die Directoren der Lancashire- und Yorkshire-Eisenbahn sind es, welche zuerst einen Schritt zur Besserung gethan, indem sie eine Reform einführten, die Anerkennung und von Seiten der übrigen Eisenbahngesellschaften Nachahmung verdient. Die Bureaus der Hauptstationen ihrer Linie, Manchester, Liverpool, Leeds, Rochdale, Wakefield, Bolton, Blackburn etc., werden von jetzt ab an allen Wochentagen von früh acht Uhr bis Abends sieben Uhr ununterbrochen geöffnet sein, um jederzeit und für jeden Zug während des Tags Billets daselbst entnehmen zu können.

Hoffen wir, daß diese Einrichtung nur der Vorläufer weiterer Verbesserungen, und daß der Tag nicht mehr fern ist, wo die Ausgabe der Billets sich nicht nur auf die Bahnhöfe beschränkt, sondern auch in Verkaufsstellen an verschiedenen Punkten der Stadt stattfindet, damit man dieselben ebenso bequem erhalten kann wie jetzt die Postmarken. Auch dürften sich wohl keine unübersteiglichen Hindernisse in den Weg stellen, wenn die Eisenbahnen die Entnahme der Billets schon einen Tag vor Abgang des betreffenden Zugs gestatten wollten, falls hier überhaupt eine Beschränkung nöthig. Die Eisenhahn-Unfälle sind jetzt leider so häufig, daß die Reisenden in dem letzten Momente vor der Abfahrt noch einmal auf ihr vergangenes Leben zurückblicken, Abschied von den Eitelkeiten dieser Welt nehmen und ernste Betrachtungen anstellen, nicht aber sich herum stoßen und drängen sollten in einem Augenblicke, wo sie vielleicht schon vor den Pforten der Ewigkeit stehen.

Die Red.