Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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meanpe, weibliche Gestalt auf etr. Spiegeln
Band XV,1 (1931) S. 79
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mean (meanpe). Auf etruskischen Spiegeldarstellungen wird als m. eine weibliche Gestalt bezeichnet, die man der Gruppe dienender und schmückender Gottheiten zurechnet. Deecke bei Müller Die Etrusker II² 112 Anm. 96 und Myth. Lex. II 2, 2481; Körte Etrusk. Sp. V S. 36. Herbig Mitt. der Schles. Gesellsch. f. Volksk. XXIII (1922) § 23ff.

m. erscheint meist geflügelt (Etr. Sp. Taf. 82. 142. 143. 181. 322. V 68), reich gewandet und geschmückt (Taf. 82. 143. 322. V 28. 59. 68), seltener nackt oder wenig bekleidet (Taf. 141. 142. 181). Überwiegend zeigen die Darstellungen sie im Begriff, Herakles – einmal auch Paris – zu bekränzen. Dies ist bei fünf von den neun [8] uns mit ihrem Namen überlieferten Spiegelszenen der Fall:

Auf dem im Museum zu Perugia befindlichen Spiegel Taf. 141 (vgl. dazu III S. 135) steht mean im Mittelgrund, mit der erhobenen Rechten den neben ihr stehenden hercle mit dem Kranz schmückend; auch in der Linken hält sie einen Kranz. An ihrer anderen Seite befindet sich die Todes- oder Schicksalsgöttin leinθ, das Antlitz wie in Trauer abwendend.

Das ebenfalls dreifigurige Bild Taf. 142 (III S. 135f., Spiegel des Mus. Gregoriano in Rom) zeigt m. zur Linken des in der Mitte stehenden hercle; sie hat die Hände erhoben, um ihm den Kranz ins Haar zu drücken. An seiner anderen Seite sitzt vilae (Ἰόλαος). Das gleiche Amt versieht sie auf dem Volcenter Spiegel V Taf. 59 des Berliner Museums, auf dem der etruskische Mythos von der Säugung des Herakles durch Iuno dargestellt ist (vgl. auch V Taf. 60). m. sitzend, in Profilstellung, hält einen zum Kranz gebogenen Zweig über das Haupt des vor uni (Iuno) knieenden hercle, dem diese die Brust bietet. Im Hintergrunde sieht man merva, tinia, turan (Minerva, Iuppiter, Venus).

Auf dem Spiegel Taf. 143 (bei Gerhard ohne Inschriften) war nach Autopsie von Corssen Die Sprache der Etr. I 1014 m. die Beischrift der Frauengestalt. Sie schickt sich an, dem auf der Löwenhaut sitzenden calanice (Herakles?) die Tänie ums Haupt zu binden, die sie in Händen hält; vgl. Friederichs Klein. Kunst u. Industrie im Altert. II 74 nr. 39. Das in zwei Bildstreifen aufgeteilte Gruppenbild des Volcenter Spiegels Taf. 181 (jetzt im Pariser Münzkabinett) zeigt im unteren Abschnitt links drei Gestalten: mean hebt elχsnire (Paris) einen Kranz entgegen, bei ihnen steht aevas (Αἴας). Nach rechts schließt sich eine Gruppe von elinai (Ἑλένη), aχmemrun (Ἀγαμέμνων) und menle (Μενέλαος) an; am Bildrand die lasa θimrae, wie im Enteilen.

Zweimal ist m. mit Alabastron und Discerniculum abgebildet, anscheinend als pflegende, verschönernde Helferin. Etr. Sp. V 28 (Spiegel aus Volci, im Berliner Museum) steht atunis (Ἄδωνις) zwischen der links von ihm sitzenden, einen Kranz haltenden evan (Ἦώς) und m., den Blick ihr zugewendet. Diese ist sitzend, antithetisch zu evan dargestellt, in der linken Hand das Alabastron, mit der Rechten das Discerniculum Adonis entgegenhaltend.

Mit den gleichen Geräten erscheint sie Taf. 82 (vgl. III 84, jetzt im Museum zu Neapel) zur Rechten einer Mittelgruppe: θalna holt den Bakchusknaben aus dem Schenkel des tinia (Zeus). Zur Linken apulu (Ἀπόλλων).

Mit m. identisch ist meanpe des Spiegels V 68 (Berlin): Perseus (perse) wird von dem Meergott Φόρκυς (purciuś) verfolgt. Trennend ist Athene (menrva) zwischen beide getreten, Phorkys die Aegis abwehrend entgegenhaltend. Rechts von der Gruppe meanpe, mit in die Hüfte gestütztem Arm, den Blick voll scheinbar ängstlicher Spannung auf Perseus gerichtet. Besondere Attribute fehlen hier.

Von besonderem Interesse erscheint der Spiegel Taf. 322 (vgl. IV S. 55ff., jetzt in Petersburg). [9] Im Bildgrund ist eine Liebesszene zwischen atunis und turan dargestellt; ein Schwan reckt über ihre Häupter den Hals, neben ihm die Beischrift tusna. Zur Rechten sitzt die Flügelgöttin zirna mit Alabastron und Discerniculum. Dies Bild ist kranzartig umgeben von einem Randstreifen, der durch sechs stehende oder schwebende, geflügelte Frauengestalten ausgefüllt wird, während unten ein Silen haθna mit Amphora, gleichsam beide Bildteile verknüpfend, zu sehen ist. Im Rundstreifen (von l. nach r.): alpan mit Zweigen in den Händen, aχuvisur mit einer Binde, munθχ mit Alabastron und Discerniculum, m. mit Zweigen, …uχ mit einer Binde und eine Gestalt ohne (vermutlich zerstörte?) Beischrift mit Plektron und Leier.

Diese letztgenannte Darstellung ist besonders aufschlußreich: die umrahmenden Gestalten, die auch sonst auf Spiegeln namentlich begegnen, umgeben als freundliche verschönernde Genien das Liebespaar. Herbig hat diese Spiegelgottheiten treffend mit den Chariten und Horen verglichen. Um den individuellen ursprünglichen Charakter von m. zu bestimmen, reicht unsere Kenntnis der etruskischen Mythen nicht hin. Die Bedeutung des Namens ist uns verschlossen; der Bildung nach wurde er vielleicht noch als Appellativum empfunden; s. Rosenberg Glotta IV 56. Fiesel Forsch. z. griech. u. lat. Gram. VII 36 und 20, zu den Formen auf -(a)n. Möglicherweise ist er zu verbinden mit der Bezeichnung etr. meas; s. d. (mean: meas = alpan: alpnas).

Zu erwägen ist auch, ob nicht die Form me(i)ani einer Tarquineser Wandinschrift heranzuziehen ist (CII 2339, in bester Lesung nunmehr bei Cortsen Die Etruskischen Standes- und Beamtentitel (Danske Videnskab. Selskab, Hist. filol. Meddelser XI 1) 97.