RE:Varius 16
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft | |||
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Marcellus, Sex. Vater des Kaisers Elagabal | |||
Band VIII A,1 (1955) S. 407–410 | |||
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16) Sex. Varius Marcellus, Vater des Kaisers Elagabal. Nach Dio LXXVIII 30, 2 stammte er aus Apamea in Syrien. Daß er mit der syrischen Invasionswelle, die unter der Herrschaft des Septimius Severus im Gefolge der Iulia Domna nach Rom brandete, ebenfalls in die Hauptstadt gelangte, läßt sich wohl ahnen, aus dem bisher vorliegenden Material jedoch nicht mit Sicherheit erkennen.
Sonst beruht unser gesamtes Wissen um V. auf zwei Inschriften: die eine auf einer bleiernen Wasserröhre stadtrömischen Ursprungs, die durch Ankauf aus Privatbesitz erst 1888 der Öffentlichkeit bekannt wurde (vgl. Gatti Bullettino comunale [408] 1888, 115f.,180), die andere fand sich als Grabschrift auf einem Marmorsarg, der 1764 zu Velletri entdeckt und einige Jahre später Papst Clemens XIV. zum Geschenk gemacht wurde (CIL X 6569 zweisprachig). Die Grabschrift enthält in der griechischen wie in der lateinischen Fassung alle drei Namen, während in der anderen wie auch bei Dio das Praenomen fehlt.
V. war wohl von Hause aus — oder erst nach seiner Ankunft in Rom dazu gemacht — römischer Ritter, da er einen cursus honorum durchlief, der wenigstens in den unteren Stufen Ritterämter aufweist. Dio (a. O.) berichtet nur summarisch, V. habe mehrere Procuraturen verwaltet, während wir aus der Grabschrift Genaueres wissen. Danach begann er seine Laufbahn als procurator aquarum zwischen 198 und 209 unter der gemeinsamen Regierung des Septimius Severus, als Geta gleichzeitig Caesar war (die Datierung in der Inschrift der Wasserröhre). Als Anfangsstellung in der ritterlichen Laufbahn war dieses Amt infolge seiner Bedeutung durchaus ungewöhnlich, da mit ihm eine Kontrolle der nur an Consulare gegebenen cura aquarum verbunden war (vgl. Hirschfeld Verwaltungsbeamte 277 und Mommsen St.-R. II 2³, 1048f.). Die gehobene Stellung als procurator aquarum drückt sich rein äußerlich auch in der Gehaltsstufe aus, da V. nicht wie üblich als sexagenarius seine Laufbahn begann, sondern als centenarius. Beachtenswert und charakteristisch für den Geist, der mit den Syrern ins Römertum eingedrungen war, ist es, daß in des V. Grabschrift nach unserem bisherigen Wissen zum erstenmal neben der Titulatur auch jeweils die Gehaltsstufe angegeben bzw. mit zur Titulatur gerechnet wird. Damit ist die römische Auffassung vom Amt als honor, an der man mindestens in der Vorstellung immer noch festgehalten hatte, auch rein äußerlich zu Grabe getragen. — Seine nächste Stellung führte V. als procurator in die Provinz Britannia und ließ ihn gleichzeitig die Gehaltsstufe des ducenarius erklimmen. Eine Vertrauensstellung schloß sich an. Septimius Severus hatte von dem patrimonium, von der Verwaltung des kaiserlichen Hausgutes, die ratio privata unter einem procurator abgetrennt (vgl. Hirschfeld Verwaltungsbeamte 43). V. verwaltete als einer der ersten oder vielleicht gar als der erste procurator diese neugeschaffene ratio privata, deren Bedeutung schon rein äußerlich an der hohen Gehaltsstufe zu erkennen ist (trecenarius). Wie diese etwas ungewöhnliche procuratorische Laufbahn wohl nur durch die Verwandtschaft des V. mit dem Herrscherhaus zu erklären ist, so war sicherlich aus dem gleichen Grunde mit den Procuraturen auch seine Laufbahn nicht beendet, sondern begann im Gegenteil erst jetzt der eigentliche Aufstieg. Zunächst wurde V., wahrscheinlich von Caracalla, zum vice praefectus praetorio et urbi ernannt. Diese Stellung war nur bei Abwesenheit des Kaisers von Rom möglich und bedeutete dessen Stellvertretung. Septimius Severus hatte mißtrauisch darüber gewacht, daß die von Iulia Domnas Schwester begründete Seitenlinie nicht hochkam und keine Gefahr für die Nachfolge der eigenen Linie bildete. Er hätte also die kaiserliche Stellvertretung kaum an einen Angehörigen dieser Nebenlinie [409] gegeben, so daß wir diese Stellung des V. in die ersten Regierungsjahre des Caracalla setzen dürfen, etwa zwischen 213 und 215, als der Kaiser zu Kriegen in Germanien, im Donauraum und im Osten abwesend war. Wahrscheinlich vor Antritt dieser Stellung, spätestens aber danach, wurde V. durch Adlection in den Senat aufgenommen und mindestens in die Rangliste der Praetorier eingereiht, was Dio (a. O.) kurz berichtet und die Grabschrift wohl durch das titulare clarissimus vir zum Ausdruck bringt. Caracalla besaß längst nicht die politische Einsicht seines Vaters, aber vielleicht erwachte nun doch sein Mißtrauen gegen V.; jedenfalls wurde die einmal begonnene Richtung der Ämterlaufbahn abgebrochen und V. mit dem verhältnismäßig unbedeutenden Posten der praefectura aerarii militaris abgefunden. Für diese Maßnahme ist freilich auch eine aus den Zeitumständen sich ergebende Erklärung denkbar oder mitbestimmend gewesen: wie sein Vater stützte sich Caracalla vor allem auf das Heer und suchte es in jeder Weise an sich zu fesseln. Deshalb führte er 215/16 eine mehr als bedeutende Solderhöhung durch (Dio LXXVII 24, 1 und v. Domaszewski Neue Heidelb. Jahrb. X 236). Da V. aus natürlicher Begabung wie durch die lange praktische Schulung ein ausgezeichneter Finanzmann war, sah er sich als praefectus aerarii militaris vor allem wohl vor die Aufgabe gestellt, die Finanzierung der gewaltigen Solderhöhung sicherzustellen. Ohne Zweifel hat V. seine Aufgabe zur Zufriedenheit des Herrschers gelöst, da wir andernfalls irgendeinen Niederschlag der sich aus dem Scheitern ergebenden Komplikationen in den Quellen antreffen müßten. Ein Beweis für Caracallas Zufriedenheit liegt vielleicht auch in der Ernennung des V. zum Kommandeur der leg. III Augusta zu Lambaesis in Numidien, vor allem wenn sich Hirschfelds Vermutung (Verwaltungsbeamte1 199, 1) bestätigen sollte, daß die legio III Augusta das severische ,Leibregiment` gewesen ist. Mit dem Legionskommando war die Statthalterschaft über Numidien verbunden, das durch Septimius Severus zur Provinz erhoben worden war, nachdem es seit Caligula staatsrechtlich nur ein Anhängsel von Africa proconsularis, praktisch freilich unter dem Legionskommandanten einen eigenen Verwaltungsbezirk gebildet hatte (s. o. Bd. V S. 722). Diese staatsrechtliche Veränderung kommt auch in der Grabschrift des V. — vielleicht zum erstenmal in den erhaltenen Inschriften — zum Ausdruck, die ihn nicht nur Legionskommandeur, sondern auch praeses provinciae Numidiae nennt, während die Titulatur vorher eine andere gewesen war (vgl. o. Bd. V 8. 722).
Privatleben. Über die Familie des V. und seine Abkunft wissen unsere Quellen nichts zu berichten. Septimius Severus verheiratete ihn mit Iulia Soaemias Bassiana, der älteren Nichte seiner Gattin Iulia Domna, und eröffnete ihm eine glänzende und vor allem gut bezahlte Laufbahn. Aus der Ehe mit Soaemias ging der spätere Kaiser Elagabal (Dio a. O.) und eine nicht näher bekannte Zahl anderer Kinder hervor, wie uns wenigstens die Grabschrift kündet, während alle übrigen Quellen von Geschwistern des Kaisers Elagabal nichts wissen. V. muß 217 gestorben [410] sein, da die Grabschrift sicherlich auf die Verwandtschaft zum Herrscherhaus Bezug genommen hätte, wenn der Tod noch unter Caracalla erfolgt wäre. Erst recht gilt diese Annahme, nachdem sein Sohn Kaiser geworden war; außerdem erklärt Dio (LXXVIII 30, 3 und 34, 1) ausdrücklich, V. sei vorher gestorben. Soaemias setzte die sterblichen Reste ihres Gatten in Velitrae bei, vielleicht aus politischen Gründen, da man die Bestattung eher in Rom erwartet hätte.
Die Inschrift CIL XII 1277 hat zu dem Vater des Kaisers Elagabal keinerlei Beziehung.