Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Grammatiker
Band XVIII,1 (1939) S. 876877
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Orbilius: L. O. Pupillus, Grammatiker, geboren im J. 114 v. Chr. in Benevent, erreichte ein Alter von fast 100 Jahren und starb etwa um das J. 14. Über sein Leben berichtet uns Suet. de gramm. 9. O. stammte aus dem Ritterstand und hatte ein wechselvolles Schicksal. Frühzeitig verlor er beide Eltern durch Meuchelmord an einem Tage. Er war zunächst Subalternbeamter in Benevent und diente dann als Soldat in Makedonien. Nach seinem Ausschieden aus dem Heer nahm er die Studien seiner Jugend wieder auf und wurde Lehrer in seiner Vaterstadt. Im J. 63 verlegte er im Alter von 50 Jahren seine Tätigkeit nach Rom und lehrte hier die Knaben maiore fama quam emolumento, wie es bei Sueton heißt. Er stand in hohem Ansehen und unterrichtete die Söhne der vornehmsten Familien; aber er blieb arm und hauste in einer armseligen Dachkammer. Da Er ein großer Verehrer der alten Literatur war, behandelte er mit seinen Schülern vor allem die Übersetzung der Odyssee des Livius Andronicus, Horat. ep. II 1, 69. Er sparte bei Seiner Lehrtätigkeit nicht die Rute. So ist er auch als O. plagosus uns besonders aus Horat. ep. II 1, 70 bekannt. Seiner Prügelpädagogik gedachte auch der Epigrammatiker Domitius Marsus in dem bei Sueton überlieferten Hexameter: si quos O. ferula scuticaque cecidit. O. war durch sein vieles Mißgeschick eine verbitterte Natur. In seiner Verbitterung griff er selbst hochstehende Personen an wie z. B. den Redner Galba, Macrob. sat. II 6, 4. Suet. de gramm. 9. Aber er wurde auch selbst angegriffen von Furius Bibaculus mit dem Vers: O. ubinam est, litterarum oblivio. Sueton bezog diesen Vers auf die Gedächtnisschwäche des O., so auch Ribbeck Röm. Dichtung 344. An dieser Deutung nahm Hartman Mnemos. XXIX 145ff. Anstoß, und Schantz³ 66 meint, daß Bibaculus ihn als einen schon bei Lebzeiten der Vergessenhait anheimgefallenen Mann hinestellt habe. Nipperdey Opusc. 493f. bezieht den in Horat. sat. I 10, 8 genannten grammaticorum equitum doctissimus, dessen Herbheit der Milde und Feinheit des Valerius Cato gegenübergestellt wird, auf O.; vgl. Heinze z. St. Dagegen glaubt Marx Rhein. Mus. XLI 555 und Ausg. des Lucil. LII, daß nicht O., sondern Vettius Philocomus gemeint sei.

Von seinen Schriften ist nur eine bekannt, der Περιαλγής (so nach Toup für das überlieferte perialogos). Die Schrift war vielleicht eine Satire und schilderte die Leiden, die dem damaligen Schulmeister durch die Nachlässigkeit und Eitelkeit der Eltern widerfuhren; vgl. Ribbeck 240. Über seine Unterscheidung von litteratus und litterator berichtet Suet. de gramm. 4 und von criminans und criminator Isid. diff. verb. 86; vgl. GRF I 134. O. gab ferner auf eigene Kosten die ,Elenchi zu den Annalen des Ennius‘ von M. Pompilius Andronicus unter den Namen des Verfassers heraus, die dieser infolge großer Not hatte verkaufen müssen.

Er hinterließ einen Sohn, der ebenfalls den Beruf seines Vaters ausübte. Die Einwohner seiner Vaterstadt Benevent setzten ihm auf dem Kapitol ein Denkmal. Es war eine sitzende Statue im griechischen Mantel mit zwei Bücherbehältern an Der Seite; vgl. Friedländer III⁹ 69. Eine Würdigung des O. und seiner Tätigkeit gibt A. G. Lange Vermischte Schrift. u. Red. 182ff.