Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Q. Ogulnius Gallus, Volkstribun 300 v. Chr.
Band XVII,2 (1937) S. 20642066
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5) Q. Ogulnius Gallus, Sohn eines L. und Enkel eines A. (Fasti Cap. 497), war eine hervorragende Persönlichkeit, wahrscheinlich von etruskischer Herkunft, besonders vertraut mit etruskischer und griechischer Religion, Bildung und Kunst, und nahe verbunden mit dem patricischen Geschlechte der Fabier in einer Zeit, wo dieses in Rom das führende war. So konnte O. fast ein halbes Jahrhundert lang einen ungewöhnlich starken Einfluß auf das religiöse und geistige Leben der Römer ausüben, und zwar verschaffte er sich ihn zunächst, obgleich das nicht ausdrücklich bezeugt ist, als Mitglied der zu gleichen Teilen aus Patriciern und Plebeiern zusammengesetzten Priesterschaft der Decemviri sacris faciundis (Röm. Adelsparteien 83–89, angenommen z. B. von Altheim Röm. Religionsgesch, II 116; Epochen d. röm. Gesch. I [2065] 212. W. Hoffmann Philol. Suppl. XXVII 94). 454 = 300 brachte er als Volkstribun mit seinem Bruder Cn. (Nr. 2) das wichtige Gesetz ein, das diese Parität auch auf das Kollegium der Pontifices ausdehnte und für das der Augures sogar ein Übergewicht der Plebeier herbeiführte, indem zu den je vier Patriciern, die beide Kollegien zählten, künftig vier weitere Pontifices und fünf weitere Augures aus der Plebs hinzugefügt werden sollten (über die Neunzahl der Pontifices in der Folgezeit s. Mommsen St.-R. II 22, 1); trotz anfänglichen Widerstandes aus dem Kreise der eigenen Amtsgenossen setzte der Antragsteller, hinter dem sein Bruder offenbar zurücktrat (vgl. bei Liv. X 8, 3, wenn auch in einer Rede, die Einzahl: tribunus, vir fortis ac strenuus), die Annahme durch und vollendete damit die Gleichstellung der angeseheneren Plebeier mit den Patriciern, die Bedingung für die Entstehung eines neuen Adels, der Nobilität, ohne daß etwa einer der Ogulnier selber unter den neugewählten Pontifices und Augures war (Liv. X 6, 3–9, 2). 458 = 296 waren beide zusammen curulische Aedilen und zogen verschiedene Wucherer vor Gericht; aus den eingegangenen Strafgeldern stifteten sie im Capitolinischen Tempel eherne Schwellen, Silbergeschirr für drei Tische in der Cella, einen Iuppiter auf dem Viergespann für den Giebel, ferner beim Ruminalischen Feigenbaum das Bild der Wölfin mit den Zwillingen (? simulacra infantium conditorum urbis sub uberibus lupae posuerunt Liv.; zur Interpretation u. a. Dieterich Rhein. Mus. LV 205ff. = Kl. Schr. 177f.; mehr bei Rosenberg u. Bd. I A S. 1080ff.) und die Pflasterung eines Fußwegs längs der Via Appia von Porta Capena zum Marstempel mit quadratischen Platten (Liv. X 23, 11 f.). 462 = 392 ging Q. Ogulnius als Führer einer zehnköpfigen Gesandtschaft nach Epidauros, um den Kult des Asklepios von dort nach Rom zu übertragen, wie es infolge einer seit 459 = 295 wütenden Epidemie durch einen Spruch der Sibyllinischen Bücher empfohlen und durch einen daraufhin gefaßten Senatsbeschluß angeordnet war (Auct. de vir. ill. 22, 1–3. Val. Max. I 8, 2 vgl. Liv. X 47, 6f. u. a. Röm. Adelspart. a. O. Gegenstück die Entsendung von Mitgliedern des Decemviralkollegiums an die Demeter von Henna 621 = 133 Cic. Verr. IV 108. Val. Max. I 1, 1). 481 = 273 war er Mitglied der ersten römischen Gesandtschaft, die an den alexandrinischen Königshof von Q. Fabius Gurges geführt wurde, und deren drittes Mitglied ein anderer Fabier, N. Pictor, war (Val. Max. IV 3, 9. Dionys. XX 14, 1; s. u. a. Heuss Klio Beih. XXXI 28f., 2). 485 = 269 wurde O. Consul zusammen mit dem Bruder seines Mitgesandten, mit C. Fabius Pictor. Das neuerdings gefundene Bruchstück der Fasti Cap. (Not. d. scav. 1925, 378 vgl. 381) gibt zwar von seinem Namen nur den Schluß, das Cognomen [Ga]llus (danach ebenso Gallo Chronogr. Hydat. Chron. Pasch., desgleichen Κύῖντος Γάλλος Zonar. VTII 7 Anf.), aber den Namen seines Kollegen vollständig: C. Fabius C. f. M. n. Pictor und bestätigt somit die Annahme, daß dieser C. Pictor der ältere Bruder des erwähnten N. Pictor war (o. Bd. VI S. 1836, 9f.). Die Consuln fehlen bei Cassiodor und werden noch genannt bei Plin. n. h. XXXIII 44 und Eutrop. II 16, bei beiden O. mit [2066] Praenomen und Nomen, ohne Cognomen. Für die Geistesrichtung des Consulpaares bezeichnend ist es, daß sie die Silberprägung in Rom einführten (Plin. s. Leuze Ztschr. f. Numism. XXXII 14–36. Regling o. Bd. XVI S. 478, 54ff.). 497 = 257 wurde O. zum Dictator für die Feier des Latinerfestes ernannt (Fasti Cap. mit allen drei Namen und der Filiation). Es ist der einzige Fall dieser Art; der Sicilische Krieg rief gegen alle Gewohnheit die Consuln sofort nach Amtsantritt von Rom und Latium hinweg, und ein Mann von hohem Alter und von besonderer Erfahrung in Kultangelegenheiten trat bei der Feier auf dem Albanerberge an ihre Stelle, wobei er anscheinend in der Person eines M. Laetorius sich einen Magister equitum ähnlicher Art beigesellte (s. Röm. Adelspart. 86f. 89f. Bandel Die röm. Diktaturen [Diss. Breslau 1910] 119; auch o. Bd. VI S. 2212).